Jugendliche seit Herbst auf Spurensuche

Theaterstück von Theater AG des Ernst-Mach-Gymnasiums über das Dritte Reich in Haar

Jugendliche der Theater AG vom Ernst-Mach Gymnasium Haar führen am 25. April ein Theaterstück über das Dritte Reich in Haar auf.	Foto: Bürgerstiftung Haar

Jugendliche der Theater AG vom Ernst-Mach Gymnasium Haar führen am 25. April ein Theaterstück über das Dritte Reich in Haar auf. Foto: Bürgerstiftung Haar

Haar · Die Theater AG des Haarer Ernst-Mach-Gymnasiums setzt sich mit den Gräueltaten im Dritten Reich auseinander. Allgemein und direkt in ihrer Heimatgemeinde. Und packt dann alles in ein Theaterstück.

Der Titel des Stücks, das am Montag, 25. April, im EMG uraufgeführt werden soll, lautet »Spurensuche. Was für ein Mensch willst Du sein?« Das berührt schon jetzt, wie ein Besuch bei einer Probe zeigte.

Titel: »Spurensuche. Was für ein Mensch willst Du sein?«

Es war eine Ausschreibung der Stiftung für Erinnerung, Verantwortung und Zukunft über die Förderung von vier Theaterprojekten mit Zeugnissen von Opfern des Nationalsozialismus, die das ganze Projekt ins Rollen brachte. Auf Vorschlag der Theaterpädagogin Farina Simbeck sollten sich Haarer Jugendliche daran beteiligen. Die Bürgerstiftung Haar war sofort mit an Bord – auch dann noch, als die Absage der Stiftung kam. Denn das Projekt und die Idee dahinter faszinierten – und zwar so sehr, dass sich gleich mehrere Institutionen und Vereine dazu entschlossen, das Vorhaben auf eigene Faust finanziell zu unterstützen und dadurch trotzdem umzusetzen. Mit an Bord sind die »Bürgerstiftung Haar«, die »Weiße Rose Stiftung e. V.«, sowie die Gemeinde Haar, die VHS Haar und die Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg. Und sofort mit an Bord war auch Thomas Ritter, Theatergruppenleiter am Haarer Gymnasium. Besonders freut es die 32-köpfige Truppe, dass auch ein Mittelschüler im Ensemble ist – denn schulübergreifend sollte das Projekt schon ursprünglich sein.

Doch wie gehen Jugendliche an ein Thema heran, das zeitlich im Leben ihrer Groß-, wenn nicht gar Urgroßeltern verankert ist? Es ist beeindruckend, wie sehr das Interesse für die finstre Epoche bei den Acht bis Zehntklässlern ist – und das liegt nur bedingt daran, dass sie in diesen Jahrgangsstufen auch im Fach Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus ankommen. Die Teenager haben viel Zeit mit der Recherche verbracht. Sie besuchen die Gedenkstätte Hartheim, das Staatsarchiv und das NS-Dokumentationszentrum, verschiedene Ausstellungen und Lesungen zum Thema, sie sehen sich Theaterstücke an und waren bei Konzerten. In Haar selbst lassen sie sich durch das Psychiatriemuseum führen, bekommen Einblicke in das Gemeindearchiv. Doch die eindrucksvollsten Momente erleben die Jugendlichen in Zeitzeugengesprächen: KZ-Überlebender Max Mannheimer, Gemeinderat Horst Wiedemann, Chronistin Gertraud Wildmoser und auch Jürgen Partenheimer, Vorstand der Bürgerstiftung, erzählen aus der Zeit vor 70 Jahren – und geben so den »nackten Fakten« Gesichter, Geschichten, Schicksale und Emotionen. Nicht minder beeindruckend war das von der Bürgerstiftung finanzierte Konzert von Esther Bejarano, einer mittlerweile 91-jährige Sängerin und deutsch-jüdische Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz im EMG.

Seit Herbst sind die Jugendlichen auf Spurensuche

Zusammen mit der Microphone Mafia rappte sie sich durch den Abend. Besonders persönlich wird es, als die Jugendlichen einen Fragebogen in die Hand gedrückt bekommen, mit dem Auftrag, in der Familie nach Spuren zu suchen. Was dabei rauskommt, beeindruckt die Schüler: Die Geschichten der Großeltern, Kriegsgeschichten, Fluchtgeschichten, Geschichten aus Kindheiten, die so anders waren, als die heutigen. Verstecken vor Fliegerbomben, Bettelgeschichten, Familienmitglieder, die dem Krieg zum Opfer fielen. Ein Alltag zwischen Angst und Kindheit, zwischen Front und Familie, zwischen Vertrauen und Verrat. Manche Geschichten haben die Jugendlichen schon oft gehört, doch erst jetzt werden sie sich ihrer Tragweite bewusst.

Und auch die Tatsache, dass ihre eigene Heimatgemeinde ein dunkles Kapitel während des dritten Reiches hat, dass an Plätzen, Orten und Gebäuden, mit denen sie ganz selbstverständlich leben, Grausames geschehen ist, ist für viele neu. Die Kinder, die in der Klinik getötet wurden. Die Menschen, die von dort weg deportiert und in den sicheren Tod geschickt wurden. Die Gebäude, die in der NS-Zeit entstanden und in denen heute beispielsweise die Kinder die Schulbank drücken oder Tanzunterricht abgehalten wird.

Es ist ein eindrückliches Projekt. Für alle Beteiligten. Denn die heutigen jungen Menschen können anders über das Geschehene reden. Die »Schuld« oder das direkte »Mitwirken« hat rückblickend eine Generation erreicht, die die Jugendlichen nicht mehr schützen müssen – denn ihre Opas und Omas waren schließlich auch Kinder damals. Unschuldig. Die Täter gibt es größtenteils nicht mehr, ihnen sind die Schülern nicht mehr persönlich begegnet. Seit der Theaterfahrt nach Ostern ist das Stück komplett. Es stammt größtenteils aus der Feder der Jugendlichen selbst. »Wir waren eine Woche auf Theaterfahrt auf einen Hof. Da haben wir ganz intensiv gearbeitet«, erklärt Farina Simbeck.

Premiere am 25. April ist bereits ausverkauft

Das erweiterte Ziel: Gastspiele. Jürgen Partenheimer, der bereits mehreren Proben beigewohnt hat, ist begeistert von dem Projekt und berührt. Gerade, weil er eben auch noch ein Zeitzeuge ist. »Wir wünschen uns, dass das Stück auch noch an anderen Schulen aufgeführt wird. Das ist auf jeden Fall auch ein Ziel«, sagt er. Und das wünschen sich tatsächlich alle Beteiligte.

Die Premiere am 25. April im Ernst Mach Gymnasium ist bereits ausverkauft. Weitere Vorstellungen gibt es am 27. Und 28. April sowie am 3. Mai jeweils ab 10 und ab 18 Uhr. Anmeldungen beim Sekretariat des EMG unter Telefon 0 89 / 43 70 77 70 oder per Mail an theater@emg-haar.de

Artikel vom 23.04.2016
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