Interne Revision im Max Plank Institut

Hirnpräparate von Euthanasie-Mordopfern in der Präparatesammlung

München · In der Sammlung des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München befinden sich noch immer Präparate unter anderem von Euthanasie-Mordopfern.

Zum möglichen Umfang hat jetzt eine Begehung des international anerkannten Experten Prof. Gerrit Hohendorf vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der TU München, gemeinsam mit Dr. Florian Schmaltz vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und den Direktoren des Instituts und der Klinik, Dr. Dr. Elisabeth Binder, Prof. Alon Chen und Prof. Martin Keck erste Hinweise geliefert. Aufgrund der Vielzahl der Präparate könnte die Revision Monate, vielleicht sogar Jahre in Anspruch nehmen.

Einige Präparate bereits begraben

»Wir sind schockiert über diese neuerlichen Funde der verbrecherischen Forschung im Dritten Reich«, erklären die Direktoren. »Dieses entsetzliche Kapitel in der Geschichte unseres Vorgänger-Instituts, der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (DFA), erfüllt uns mit tiefer Scham.« So war einer der Direktoren der DFA, Ernst Rüdin, direkt an der Vorbereitung der Rassenhygiene-Gesetze beteiligt und beschrieb medizinisch »einwandfrei als minderwertig« eingestufte Kinder als »eliminationswürdig«. Andere, wie der Direktor der damaligen Neuropathologischen Abteilung Willibald Scholz oder der Leiter der zum Institut gehörenden Prosektur im Psychiatrischen Krankenhaus Eglfing-Haar, Hans Schleussing, waren ebenfalls in die so genannte »Euthanasie« verwickelt, d.h. die gezielte Ermordung schutzbefohlener Kinder und Erwachsener, bei denen psychiatrische Erkrankungen oder geistige Behinderungen vermutet oder nachgewiesen waren.

Hirnschnitte, die von diesen ermordeten Patienten stammten, verblieben zunächst im Besitz des historischen Archivs des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. In den 1980er und 1990er Jahren gab es eine erste ausführliche Auseinandersetzung mit der Herkunft dieser Hirnschnitte. Bei etwa 30 Prozent der Präparate konnte man damals einen direkten Bezug zur Euthanasie herstellen. Diese wurden im Jahr 1990 auf dem Münchner Waldfriedhof bestattet und eine Stelle zum Gedenken an die Mordopfer errichtet.

Revision kann Jahre dauern

»Wir sind entsetzt, dass es in unserem Archiv noch immer Präparate von Euthanasie-Mordopfern gibt, die 1990 nicht bestattet wurden«, erklärt Prof. Martin Keck. »Und wir begrüßen es sehr, dass die Max-Planck-Gesellschaft nun unabhängige, hochkarätige Experten beauftragt, um maximale Transparenz herzustellen – wir haben die Pflicht zur Erinnerung damit Derartiges nie wieder geschehen kann«. Mit Prof. Gerrit Hohendorf, der die MPG bei der Gesamtrevision aller Institute vollkommen unabhängig supervidieren wird, habe man einen ausgesprochenen Fachmann identifiziert. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Medizinhistoriker war unter anderem federführend in dem DFG-Projekt »Wissenschaftliche Erschließung und Auswertung des Krankenaktenbestandes der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4«. »Sollte sich herausstellen, dass sich in der Sammlung unseres Instituts noch weitere Präparate befinden, deren Herkunft auf Verbrechen zurückzuführen ist, wird man diese würdig nachbestatten«, stellt Prof. Alon Chen klar. Aufgrund der Vielzahl der Präparate werde die Gesamtrevision jedoch Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen.

»Dieses dunkle entsetzliche Kapitel in der Geschichte unseres Vorgänger-Instituts, der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (DFA), erfüllt uns mit tiefer Scham«, betonen die drei Direktoren, die erst seit 2013 bzw. 2014 im Amt sind.

Unabhängiges Forschungsprojekt

Die Max-Planck-Gesellschaft wird in den kommenden Monaten ein unabhängiges Projekt zur Opferforschung vergeben, um anhand der vorliegenden Akten und Unterlagen so zweifelsfrei wie möglich die Identitäten der Opfer zu ermitteln. »Nur hierdurch können wir versuchen, den Opfern etwas von ihrer Würde zurückzugeben«, betont Dr. Elisabeth Binder. »Wir werden die Öffentlichkeit über den Verlauf dieser Untersuchungen weiterhin informieren. Für uns ist maximale Transparenz wichtig.«

Artikel vom 25.03.2016
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