»Wohnen für Hilfe«

Haar · Zusammenarbeit von Seniorentreff Neuhausen und der Bürgerstiftung gestartet

Christel Dill, Ursula Schneider-Savage, Monika Malinowski, Bürgermeisterin  Gabriele Müller, Jürgen Partenheimer (v.l.n.r.).	Foto: Gemeinde Haar

Christel Dill, Ursula Schneider-Savage, Monika Malinowski, Bürgermeisterin Gabriele Müller, Jürgen Partenheimer (v.l.n.r.). Foto: Gemeinde Haar

Haar · Simon Haselwarter hat vor einigen Jahren der Gemeinde Haar sein Vermögen vermacht, mit der Auflage, es dafür einzusetzen, älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, so lange als möglich zuhause leben zu können.

Die Haarer Bürgerstiftung, die den Haselwarterfonds als Unterstiftung angenommen hat, hat nun den ersten großen Schritt unternommen, diesen Wunsch umzusetzen. Mit dem Start des Projekts »Wohnen für Hilfe«.

»Bei Geburtstagsbesuchen erfahre ich, dass es auch in Haar viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die über viel Wohnraum verfügen und allein wohnen. Die Kinder sind aus dem Haus, der Partner lebt nicht mehr oder braucht Pflege. Andererseits möchte man »daheim« bleiben, wie man es gewöhnt ist. Der Preis ist Einsamkeit, die die Haushaltshilfe und der Pflegedienst nicht ausgleichen. Viele Senioren bedrückt das. Der Sonntag sei der schlimmste Tag, erzählen sie.« Gabriele Müller kennt dieses Problem als Haarer Bürgermeisterin schon lange. Und sie kennt auch die andere Seite nur zu gut – nämlich die Studenten, Auszubildenden und Job-Anfänger, die oft so niedrige Löhne beziehen, dass sie damit in der Gemeinde keine Bleibe finden. »Wohnen für Hilfe ist die ideale Verbindung«, freut sich deshalb Gabriele Müller.

Ein Projekt, das beiden Seiten hilft

»Wohnen für Hilfe«, das ist ein Projekt, das in der Stadt München schon seit zwei Jahrzehnten läuft. Die Idee dahinter ist simpel: Es sollen Wohnungspartnerschaften vermittelt werden – und zwar zwischen Jung und Alt. Und dabei ist beiden geholfen. Der Rahmen ist ganz klar abgesteckt: Der Wohnungspartner muss mindesten ein separates Zimmer zur Verfügunggestellt bekommen, wobei eine Stunde Hilfe im Monat für ein Quadratmeter Wohnen verrechnet wird. Und diese Hilfe kann vielfältig aussehen: vom Einkaufen bis Hecke schneiden und Rasen mähen, vom Wasserkasten schleppen bis zur Begleitung zum Arzt, von der Mithilfe im Haushalt bis hin zum Vorlesen. Aufgaben eines Pflegedienstes werden jedoch nicht übernommen.

Wichtig ist, dass schon vorab so viel Klarheit wie möglich hergestellt ist, betont Christel Dill, die Vorsitzende des Seniorentreff Neuhausen e.V., der Vorreiter im »Wohnen für Hilfe«-Modell ist. Das bedeutet, es muss abgeklärt werden, ob es Gemeinschaftsräume gibt, wie hoch die Nebenkosten sind, welche Ruhezeiten eingehalten werden müssen oder wie viele Schlüssel der Helfer bekommt, ob Besuche erlaubt sind und so weiter.

Und dann muss es natürlich menschlich passen: Nach der Vermittlung eines Telefonkontakts, treffen die beiden Parteien aufeinander, sprechen alleine über alles und stellen dann fest, ob die Chemie grundsätzlich stimmt. »Es gibt große Ängste bei den Senioren, deshalb haben wir niedrige Hürden eingebaut«, erklärt Christel Dill. So kommt zu der Vorauswahl auch noch ein Probewohnen hinzu, sowie eine Begleitung während der Anfangsphase. Zudem gibt es kurze Kündigungsfristen. Alle drei Monate wird nachgefragt, ob alles passt. »Nah dran sein ist wichtig«, sagt Dill. »Und Sympathie muss das sein, sonst kann man sich einfach nicht Küche und Bad teilen«, ergänzt Ursula Schneider-Savage, die »Wohnen für Hilfe« im Landkreis München betreut.

Für Eigenbrötler, sei das kein geeignetes Angebot – das habe die Erfahrung gezeigt. Ansonsten ist »Wohnen für Hilfe« ein echtes Erfolgsmodell: In den letzten 20 Jahren wurden weit über 600 Wohnungspartnerschaften zusammengebracht. Im Schnitt beträgt die Mietdauer 2,5 Jahre. Die kürzeste Mietdauer war ein Tag, die längste 7 Jahre. Ursula Schneider-Savage hat noch mehr Statistik: Die Wohnungsgeber sind zwischen 58 und über 90 Jahre alt, dabei nehmen mehr Frauen als Männer das Angebot wahr. Nur 15 Prozent sind Ehepaare, wobei dann meist ein Partner pflegebedürftig ist. Ein Ungleichgewicht herrscht trotzdem: Auf ein Wohnungsangebot fallen im Schnitt zehn Wohnungsgesuche.

Ansprechpartnerin vor Ort

Damit das Projekt in Haar gut starten kann und Probleme am besten gar nicht aufkommen, gibt es in der Gemeinde eine Kontaktperson für »Wohnen für Hilfe«: Monika Malinowski. Sie leitet seit fünf Jahren das Beratungsbüro der Bürgerstiftung und war früher im Sozialamt der Gemeinde tätig. »Ich bin fasziniert von der Idee – denn so kann wieder Lachen in die Wohnungen der älteren Menschen einziehen«, sagt sie. Auch Jürgen Partenheimer von der Bürgerstiftung ist sich sicher, dass Haar ein geeignetes Pflaster für das Projekt ist. »Die Gemeinde verfügt über ein solch großes soziales Netzwerk – und als nächstes kann man damit die Verbindung zu den Haarer Senioren herstellen. Der Seniorenclub könnte dabei der Türöffner sein«, sagt er. »Die Motivation für die Senioren ist übrigens nicht immer nur Einsamkeit«, weiß Christel Dill. Manche wollen den jungen Leuten schlichtweg ins Leben helfen. In Haar ist der Startschuss gefallen. Der erste Hausbesuch für Monika Malinowski und Ursula Schneider-Savage steht schon an.

Artikel vom 02.03.2016
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