Thomas Loderer, Erster Bürgermeister (Ausgabe Februar 2016)

Ottobrunn · Aus dem Rathaus

Ottobrunn · Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, zu den harmloseren und vergleichsweise freundlich formulierten Vorwürfen, die ich in den zurückliegenden Wochen zu hören und zu lesen bekam, gehörte der, Gemeinderat und Bürgermeister verfolgten mit ihrem Eintreten für die Wohnanlage für 320 Flüchtlinge am Kathi-Weidner-Weg ein »Prestigeprojekt«.

Meine erste, spontane Reaktion: »Prestigeprojekt – so ein Unsinn!« Beim weiteren Nachdenken konnte ich der Bezeichnung »Prestigeprojekt« aber durchaus etwas Positives, ja sogar viel Motivierendes abgewinnen. Warum sollte es den Bürgerinnen und Bürgern einer Gemeinde eigentlich nicht zur Ehre – oder eben zum »Prestige« – gereichen, wenn sie es gemeinsam schaffen, Menschen in Not auch in großer Zahl bei sich aufzunehmen und ihnen menschlich und vorurteilsfrei zu begegnen?

Realitäts- und lebensfremde Sozialromantik? Aus vielen Zuschriften wissen wir, die Mitglieder des Gemeinderats, natürlich sehr genau, dass einige von Ihnen, insbesondere viele Nachbarn der geplanten Wohnanlage für Flüchtlinge am Kathi-Weidner-Weg, in großer Angst und Sorge leben, weil sie um ihre Sicherheit und die ihrer Angehörigen fürchten. Dafür haben wir großes Verständnis. Auch sollen die möglichen Probleme, die durch die kulturelle Prägung vieler Flüchtlinge entstehen können, nicht verschwiegen werden.

Andererseits: Was ist die Alternative? Wir können vor der Realität um uns herum nicht die Augen verschließen. Zu dieser Realität gehört nun einmal die Existenz von Krieg und Gewalt in vielen Teilen der Welt, nur wenige Flugstunden von uns entfernt. Es gibt keine lokalen Auseinandersetzungen und Kriege mehr, mit deren Folgen wir uns nicht in irgendeiner Weise auseinandersetzen müssen, ob wir wollen oder nicht. Diese bittere Lektion werden alle europäischen Länder und Regierungen lernen müssen – am meisten diejenigen, die meinen, sie könnten sich durch Stacheldrahtzäune von den globalen Krisenphänomenen abschotten.

Zurück zur Situation in Ottobrunn, zurück zum Kathi-Weidner-Weg: Landkreis und Gemeinde werden – in enger Abstimmung mit der Polizei – alles tun, um die Sicherheit aller zu gewährleisten. Wichtig ist aber auch, dass Verhaltensweisen der zu uns kommenden Flüchtlinge, die uns vielleicht befremdlich erscheinen, nicht gleich aufgebauscht und kriminalisiert werden. Damit soll nicht falscher Toleranz das Wort geredet werden!

Ich weiß, dass viele Bewohner der »Pöttinger-Siedlung« das Gefühl haben, dass sie mit der Integration der Asyl suchenden Menschen einseitig und über Gebühr belastet werden. Diese Sichtweise ist nachvollziehbar, muss aber nicht richtig sein, wenn wir enger zusammenrücken. Tragen wir die Last dieser Aufgabe gemeinsam! Ich bin mir sicher, dass die Herausforderungen, vor denen wir stehen, uns sowohl als Individuen, als auch als Bürgerschaft insgesamt stark machen können. Die zahlreichen ehrenamtlich aktiven Mitglieder des Helferkreises Asyl, denen ich sehr herzlich für ihr großartiges Engagement danke, machen es uns vor.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr
Thomas Loderer,
Erster Bürgermeister

Artikel vom 24.02.2016
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