Warnung für die Zukunft

Der Fachkräftemangel spitzt sich in den kommenden Jahren massiv zu

Heinz Köster, Brigitte Kölzer, Bettina Oestrich und Franz Winterer (v. li.) stellten künftige Herausforderung für hiesige Unternehmen vor.	Foto: fh Rosenheim

Heinz Köster, Brigitte Kölzer, Bettina Oestrich und Franz Winterer (v. li.) stellten künftige Herausforderung für hiesige Unternehmen vor. Foto: fh Rosenheim

Rosenheim-Ebersberg-Landkreis Ebersberg · Der demografische Wandel stellt Gesellschaft, Wirtschaft und Politik vor große Herausforderungen.

Bereits heute machen sich die Auswirkungen des Fachkräftemangels bemerkbar. Um zu erfassen, wie die Unternehmen der Region die aktuelle und zukünftige Personalsituation bewerten, hat der Seeoner Kreis e.V. die Befragung »Personal- und Bildungsbedarf der Unternehmen der Region 18« in Auftrag gegeben. »Ziel des Projekts war, die regional relevanten Berufs- und Bildungsprofile zu ermitteln und herauszufinden, wie sich das Bild von heute in den nächsten fünf Jahren ändern wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die Region auf ein Personaldefizit im Jahr 2020 zusteuert«, erklärte Franz Winterer, Vorstandsvorsitzender des Seeoner Kreises, bei der Ergebnispräsentation an der Hochschule Rosenheim. 1.130 Unternehmen der Region wurden ausgewählt und direkt kontaktiert.

Diese Anzahl entspricht allen Unternehmen der Region mit mehr als 20 Mitarbeitern. Die Befragung wurde mittels eines standardisierten Fragebogens durchgeführt:  18% beteiligten sich. »Die Unternehmen dieser Stichprobe repräsentieren 27% des Mitarbeiterpotenzials der Region, zudem entsprechen die Unternehmensstandorte der tatsächlichen Verteilung in der gesamten Region. Auch die Branchenverteilung in der Stichprobe entspricht größtenteils der der Region. Somit ist die Repräsentativität der Stichprobe gewährleistet«, erklärte Prof. Dr. Brigitte Kölzer, Professorin für Betriebswirtschaft an der Hochschule Rosenheim, die die Studie wissenschaftlich leitete. Die Befragung ermittelte die aktuelle Zufriedenheit der Unternehmen mit der Personalgewinnung  und ihren Personalbedarf aktuell und in fünf Jahren. Insbesondere stand der Personalbedarf aufgeschlüsselt nach Fachbereichen und Qualifikationsstufen im Fokus.

Die Ergebnisse zeigen auf, dass die Unternehmen von einem zukünftigen Personalengpass ausgehen. Derzeit sind knapp 50% der Unternehmen mit der Situation zur Personalgewinnung zufrieden, ein Drittel ist bereits heute unzufrieden. Zwei Drittel rechnen damit, dass sich die Lage bis 2020 verschärfen wird. Große Unternehmen haben aktuell weniger Probleme bei der Personalrekrutierung, vor allem für kleinere Unternehmen mit 20 bis 99 Mitarbeitern gestaltet sich dies jetzt schon schwieriger. Bei den Zukunftsprognosen wendet sich das Blatt. Je größer das Unternehmen, desto negativer wird die zukünftige Entwicklung gesehen.

Größte Steigerung bei Akademikern und Fachkräften

Derzeit machen die Fachkräfte den größten Personalanteil der Unternehmen aus, gefolgt von den Auszubildenden und an letzter Stelle den Akademikern. Diese Verteilung wird auch in den kommenden fünf Jahren bestehen bleiben. Insgesamt wird bis dahin der Personalbedarf unabhängig vom Ausbildungsniveau um rund 18% wachsen. Akademisch ausgebildetes Personal wird 2020 mit einer überdurchschnittlichen Steigerung von 21% noch gefragter sein. Fachkräfte werden in den nächsten fünf Jahren insbesondere in technischen Fachrichtungen (+12 %), der Informatik (+40 %) sowie in Bau und Architektur (+20 %) gesucht. Bei den Auszubildenden werden neben dem kaufmännischen Bereich vor allem Nachwuchskräfte in den Fachrichtungen Technik (+18%), Bau und Architektur (+30%) sowie der Informatik (+11%) benötigt. Insbesondere im Bereich der MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik)-Fächer wird es zu einer extrem angespannten Lage kommen, bereits heute ist die Gewinnung von Arbeitskräften unabhängig vom Ausbildungsniveau in diesen Bereichen sehr problematisch. Die Ursachen für diese Entwicklung sehen die Unternehmen in erster Linie im  demografischen Wandel gefolgt von Landflucht zugunsten attraktiver Großstädte, dem Akademisierungswahn und dem Wertewandel der Generation Y.

Handlungsbedarf bei der Infrastruktur

Um im Wettbewerb um die Nachwuchskräfte zu bestehen, halten die Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen für entscheidend: Sie setzen auf und investieren in die Etablierung einer bindenden Unternehmenskultur, eine starke Unternehmensmarke, auf interne Weiterbildungen sowie flexible Arbeitszeitmodelle. Neben diesen betriebsinternen Instrumenten haben laut Meinung der Unternehmen betriebsexterne Maßnahmen einen starken Einfluss darauf, qualifiziertes Personal zu gewinnen. An oberster Stelle nennen sie Kommunikationsmaßnahmen zur Aufwertung der Region, gefolgt von der Verbesserung der regionalen Rahmenbedingungen, wie Infrastruktur und Wohnraum und regionale Ausbildungsangebote – gerade bei der Umsetzung dieser Instrumente sehen die Unternehmen starken Handlungs- und Nachbesserungsbedarf, der jedoch nicht in ihrem Einflussbereich liegt: ein Appell an die politisch Verantwortlichen.

Die Hochschule wird von den Unternehmen als attraktiver Bildungsort in der Region 18 bewertet: die Unternehmen sind mit der Hochschulausbildung zufrieden. Es gilt Stärken wie BWL, Wirtschaftsingenieurwesen sowie technische Fachrichtungen zu stärken und gleichzeitig neue Studiengänge wie Verfahrenstechnik, Bauingenieurwesen und Architektur zur Deckung des unternehmerischen Bedarfs anzubieten.

»Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Entwicklung der Fach- und Führungskräftegewinnung ein dramatisches Ausmaß in der Region annehmen kann. Insbesondere im Bereich der MINT-Fachrichtungen herrscht ein klares Defizit an Nachwuchskräften. Um die Prosperität und Wirtschaftskraft der Region aufrecht zu erhalten, drängt der Seeoner Kreis darauf, dass die nötigen logistischen und infrastrukturellen Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Die Hochschule Rosenheim ist die regionale Kaderschmiede im südostoberbayerischen Raum und bildet für eine Einwohnerzahl von 1 Million Menschen aus. Damit sie ihrem Bildungsauftrag nachkommen und ausreichend qualifiziertes Personal ausbilden kann, müssen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zum einen durch die Steigerung der Attraktivität der Region und zum anderen durch die konsequente Umsetzung und Weiterverfolgung der dezentralen Regionalisierungsstrategie der Hochschule Rosenheim und deren räumlichen und personellen Ausbau für eine Kapazität von 8.000 Studierenden bis zum Jahr 2022«, insistierte Franz Winterer bei seinem Abschlussplädoyer.

Prof. Heinrich Köster, Präsident der Hochschule Rosenheim, schloss sich den Forderungen des Seeoner Kreises an: »Die Ergebnisse der Studie wurden der Politik vergangene Woche im Hochschulkuratorium präsentiert und ausgiebig diskutiert. Nun liegt es an den Verantwortlichen der Politik, an den nötigen Stellschrauben zu drehen.« Durch ihre Regionalisierungsmaßnahmen habe die Hochschule bereits vielen Forderungen vorweggegriffen und werde das Studienangebot auch weiterhin hinsichtlich der Notwendigkeiten des Personalbedarfs der Region erweitern. Der Seeoner Kreis ist eine Vereinigung von Unternehmern im südostbayerischen Raum, die sich zum Ziel gesetzt hat, die wesentlichen Themen der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in der Region aktiv voranzutreiben.

Der Verein will als Motor für das Zusammenspiel von Bildung und Wirtschaft arbeiten und in diesem Zusammenhang die Hochschule Rosenheim als einen herausragenden Ort der Bildungsvermittlung fördern und etablieren. Informationen zur Mitgliedschaft für interessierte Unternehmen unter www.seeonerkreis.de im Internet.

Artikel vom 03.02.2016
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