Hasan Ismaik schickt öffentlichen Brandbrief nach Giesing

Rhetorische Fragen aus Abu Dhabi

Rätselhaft: Hassan Abdulla Ismaik. Foto: A. Wild

Rätselhaft: Hassan Abdulla Ismaik. Foto: A. Wild

München/Giesing · Als Löwen-Investor Hasan Ismaik an Silvester verkünden ließ, künftig die Anhängerschaft des TSV 1860 München höchstselbst von seinen strategischen Überlegungen via Facebook und Twitter unterrichten zu wollen, war die Erwartungshaltung groß. Nun liegen der geneigten Öffentlichkeit die ersten Zeilen aus Abu Dhabi vor.

In einem mehrseitigen öffentlichen Schreiben beschwört der jordanische Milliardär zunächst seine unverbrüchliche Treue zu den Giesingern und stellt danach eine Reihe rhetorischer Fragen. So möchte Ismaik beispielsweise wissen, weshalb der Klub trotz seiner finanziellen Beteiligung »Jahr für Jahr mit weiteren Schulden in den unteren Tabellenregionen der 2. Bundesliga« stehe. Für ihn sei nicht erkennbar, »wofür mein Geld ausgegeben wurde. Ich habe keinen Einblick, wohin frühere Investments in den Verein geflossen sind […]«. Dieses Eingeständnis muss überraschen, schließlich ist Hasan Ismaik nicht nur Anteilseigner, sondern zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA – jenem Gremium also, das die Geschäfte der Gesellschaft kontrolliert. Dabei betont der Briefschreiber: »Dies sind keine Anschuldigungen, sondern wichtige Fragen. [...] Ich möchte wissen, wohin meine Gelder geflossen sind!«

Einen möglichen Verwendungszweck glaubt Ismaik immerhin zu kennen, wie er an späterer Stelle schreibt: »Dieser Verein hat hohe Fixkosten gemessen an seiner Position in der Liga.« Schuld sei der Verkauf der Anteile an der Allianz Arena, die er als »das bedeutendste wirtschaftliche Problem des TSV 1860« bezeichnet. »Diese eine Entscheidung bedeutet nun, dass wir extrem hohe Mietzahlungen für die Nutzung eines Stadions leisten müssen, welches uns früher zur Hälfte gehörte.« Er vermutet, »dass es Topvereine im deutschen Fußball gibt, deren Kosten geringer sind als unsere.«

Das Management der Löwen ist Ziel der öffentlichen Kritik des Investors. Denn es habe seiner Ansicht nach »keine klare Strategie oder einen Geschäftsplan, der angemessen die verringerten Einkommensverhältnisse widerspiegeln würde. Darüber hinaus gibt es derzeit keine Studie, die eine überlebensfähige Alternative zur Nutzung der Allianz Arena aufzeigen würde.« Ismaik verlangt, »dass meine Hinweise und Beobachtungen gehört werden und das Klubmanagement sich für die sportlichen Leistungen der Mannschaft und für die finanzielle Leistung des Klubs verantwortlich zeigt.« Seit Juli vergangenen Jahres bekleidet Ismaiks Cousin Noor Basha, neben dem Marketingfachmann Markus Rejek, einen der beiden Geschäftsführerposten. Die von Ismaik beklagte verhängnisvolle Fehlentscheidung hinsichtlich der Spielstätte der Löwen und der darauf folgenden Veräußerung der Anteile wurde allerdings lange vor deren Amtszeit getroffen.

Dennoch schreibt der Investor: »Genug ist genug«, und findet eine einfache Analogie für seine Gefühle, »Eine erneute Umwandlung meines Darlehens in Genussrechte ähnelte aus meiner Sicht der Situation, in der man einem Kind fortlaufend Geld gibt, weil es das Geld, das man ihm am Tag zuvor gegeben hat, wieder ausgegeben hat. Dies lehrt das Kind keine Verantwortung, bereitet es nicht auf das Leben in der wirklichen Welt und einen verantwortlichen Umgang mit Geld vor.«

Zudem beklagt Ismaik in seinem Rundumschlag, er habe sich in München aufgrund seiner ethnischen Herkunft ausgegrenzt gefühlt und sei von einigen Zeitungen rassistisch angefeindet worden, die versuchen würden »negative Vorurteile gegen alle arabischstämmigen Menschen zu schüren.« Ismaik führt an, er habe einer Übertragung der von ihm teuer erworbenen Vermarktungsrechte des Klubs an den Vermarkter Infront zugestimmt, ohne persönlich davon zu profitieren. »Über diesen wesentlichen Verzicht von meiner Seite, der zur finanziellen Stabilisierung des Vereins beitragen sollte, habe ich keine Berichte in den Medien gesehen.« Sein Appell an die Fans lautet deshalb, »nur an unseren Verein zu denken und mit mir Schulter an Schulter gegen derart niederträchtiges Verhalten und maßlos voreingenommene Medienberichterstattungen zusammenzustehen.«

Der sportliche Niedergang in jüngerer Zeit, vermutet Ismaik, könnte absichtlich herbeigeführt worden sein, um ihm den Verkauf seiner Anteile schmackhaft zu machen. »Die einfache Wahrheit ist, dass sich viele unserer Probleme in Luft auflösen würden, wenn der Mannschaft erlaubt würde, erfolgreich auf dem Platz zu arbeiten.« Um den TSV 1860 München, »diesen einst großen Verein, wieder auf den Gipfel des deutschen und europäischen Fußballs zu bringen«, sei aus seiner Sicht eine Kursänderung notwendig. »Ich möchte die deutschen Fußballverbände darum bitten, ihre Haltung im Hinblick auf das Eigentum und die Führung von Sportklubs durch ausländische Investoren zu überdenken«, und darum, »die rechtlichen Rahmenbedingungen, die für die Führung von Sportklubs gelten, an die Regeln europäischer Nachbarländer, wie England, anzupassen.«

In dieser Frage setzt Ismaik nun ganz auf den weiß-blauen Anhang. »Ich bitte Euch, Eure Unterstützung für unseren Klub auf zwei Wegen zu zeigen: Erstens, indem Ihr mir Eure Stimme gebt, um meinem Anliegen gegenüber den deutschen Verbänden Gehör zu verschaffen. Zweitens, indem Ihr mir helft, die Verantwortlichen für die aktuelle unschöne Situation des TSV 1860 für ihre Handlungen zur Verantwortung zu ziehen.« Ismaik scheint die Stimmungslage innerhalb der Giesinger Fanszene in dieser Frage allerdings dramatisch falsch einzuschätzen. Dabei könnten ihm zahlreiche Kommentare auf seinem Facebook-Profil eigentlich ein Fingerzeig sein.

Seit Neujahr veröffentlicht Ismaik fortlaufend weitere, eher rätselhafte, Kurzbeiträge, die seine Anliegen in Frageform verdichten. »Fragen, die ich mir immer wieder stelle«, titelt das Format. Zum besseren Verständnis der Gesellschafter beitragen sollte die Reise von TSV 1860-Präsident Peter Cassalette nach Abu Dhabi dieser Tage. Zweimal habe man sich getroffen und lange Gespräche geführt, wusste Cassalette nach seiner Rückkehr zu berichten und lobt Hasan Ismaiks Gastfreundschaft. Welche Ergebnisse die Unterredung erbracht hat, dazu will sich der TSV 1860 München allerdings erst nach ausgiebiger Beratung öffentlich äußern.

(as)

Artikel vom 12.01.2016
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