Vor 140 Jahren wurde Ermanno Wolf-Ferrari geboren

Ottobrunn · Ottobrunns berühmtester Bürger

Ermanno Wolf-Ferrari.

Ermanno Wolf-Ferrari.

Ottobrunn · Jedes Mal, wenn die Ottobrunner ins Wolf-Ferrari-Haus pilgern, um im großen Saal der Muse der Musik zu huldigen, führt sie im Treppenhaus der Weg an der Büste des Mannes vorbei, der ein begnadeter Musikschöpfer war und einige seiner charmantesten Werke in Ottobrunn komponierte: Ermanno Wolf-Ferrari.

Dieser Tage ist nicht nur für die Ottobrunner, sondern auch für Musikfreunde in aller Welt ein gebührender Anlass, Wolf-Ferraris in Dankbarkeit und Ehrfurcht zu gedenken. Denn sein 140. Geburtstag naht.

Der Meister wurde am 12. Januar 1876 in Venedig geboren. Als Sohn eines deutschen Vaters, des seinerzeit hoch geschätzten Kunstmalers August Wolf, und einer italienischen Mutter, Emilia Ferrari. Er fühlte sich beiden Elternteilen und beiden Kulturen in gleicher Weise verpflichtet und so nahm er den Namen der Mutter mit an und nannte sich Ermanno Wolf-Ferrari. Sein Schüler und Freund, der Komponist Mark Lothar, charakterisierte ihn treffend, als er schrieb, in seiner Musik, die »mit Esprit und Grazie gesegnet ist, sind deutsche Innerlichkeit und italienische Leichtigkeit vereinigt.«

Beiden Völkern und beiden Kulturen fühlte er sich so innig verbunden, dass der vor Schaffenskraft geradezu vibrierende Meister im ersten Weltkrieg, als seine beiden Nationen sich gegenseitig zerfleischten, wie gelähmt war und jahrelang kein einziges Werk zu schaffen imstande war. Dabei glänzte sein Name in der gesamten Musikwelt. Zeitweise gehörte Wolf-Ferrari zu den fünf meistgespielten Opernkomponisten. An Beliebtheit stand er viele Jahre lang Mozart, Verdi oder Lortzing nur um ein Geringes nach. Damals schrieb er, von einer Goldoni-Komödie inspiriert »Die vier Grobiane«, das als sein Meisterwerk gilt und heute noch am häufigsten aufgeführt wird. Zum breiten Fächer seines Schaffens zählen aber auch zahlreiche Kammermusiken sowie Chor- und Orchesterwerke.

Sein Lieblingswerk entstand in Ottobrunn

Seine Lieblingsoper aber, »Das Himmelskleid« komponierte er in Ottobrunn, in seiner »geliebten Waldeinsamkeit«. In diese tauchte er eher ein als ins eigentliche Ottobrunn. Sie war es, die ihn magisch anzog, in die er sich vor dem Schlachtengetöse des Ersten Weltkriegs flüchtete. Jahrelang lebte er im heutigen Riemerling, in einer repräsentativen Villa am Nornenweg.

Den zweiten Schritt tut er dann Anfang 1927. Damals zieht er weiter nach Ottobrunn, in die Straße, die ihm, dem Musiker, zu Ehren Mozartstraße genannt wurde. In der Mozartstraße 68 baute er sich eine Villa (das spätere erste Rathaus und heutige Haus der Senioren). Dort wollte er ein neues Leben beginnen und so schrieb er über die Haustür auch sein Motto: »Vita n(u)ova«, neues Leben. Nach einem Werk Dantes, das er in einem Oratorium vertont hatte.

Berühmt, beliebt, bescheiden

Bei den Ottobrunnern ist der Meister beliebt. Bis vor wenigen Jahren erinnerte sich noch so mancher Ur-Ottobrunner gern an ihn als guten Nachbarn. Der Siedlungs-Pionier Anton Doll, der damals eine Spedition betrieb, erzählte gerne, wie er mit seinem Dreirad-Tempo Wolf-Ferrari beim Umzug half, mit ihm eine Flasche Wein leerte und zwei weitere Flaschen als Geschenk mit bekam. Wolf-Ferrari liebte die Gesellschaft. Am Samstagabend tauchte er mit seiner Frau gerne in einer Gastwirtschaft auf, die in einem kleinen Blockhaus betrieben wurde, das in der heutigen Ottostraße stand.

Dem »Interessenverein Ottobrunn« half er wo immer er konnte. Zu dessen 25-jährigem Bestehen gab er in seiner Villa ein glanzvolles Konzert. Er wurde zum Ehrenmitglied ernannt und als der Verein ihn um einen Beitrag zur Festschrift bat, widmete er ihm einige Zeilen aus der Oper »Das Himmelskleid.« Über sein neues Domizil schrieb er schwärmerisch: »Und der Wald und der Mond, die sind mein prächtiger Saal. So singt die Märchenprinzessin im »Himmelskleid«, der Musiklegende, die hier, in der Stille Ottobrunns, entstanden ist. Ringsum eingeschlossen von mächtigen Tannen, ständige Sonntagsruhe. So nahe der Großstadt, und doch, wenn man will, weltenweit entfernt…Wie schön! Alles neu, alles somit Zukunft – und diese Zukunft in unserer Hand… Ich denke mir den Ort, wenn ich in die Zukunft schaue, als eine gedehnte Gartenstadt, wo die Villen sich gegenseitig sehen und zusammen ein Bild geben…Jeder hat daran gedacht, dass schöne Gärten nicht nur den Besitzer erfreuen, sondern jeden, der vorüber geht…«

Wolf-Ferrari würde seiner Waldeinsamkeit gewiss nachtrauern.

War es doch die Angst vor dem Lärm, die den Meister 1931 aus Ottobrunn wegziehen ließ. Damals wurde in Neubiberg der Flugplatz geplant. Und der hoch sensible Wolf-Ferrari hatte Angst vor dem Motorenlärm, der ihn beim Komponieren stören könnte. So flüchtete er sich in eine Villa nach Krailling. Dort, wo Wolf-Ferrari geboren wurde, schloss sich auch der Kreislauf seines Lebens: Am 21. Januar 1948 starb er in Venedig. Sein Name aber lebt weiter. Und sein 140. Geburtstag sollte nicht nur Musikfreunde in aller Welt an ihn erinnern, sondern auch für die Ottobrunner Grund genug sein, im Geiste und im Herzen Ermanno Wolf-Ferrari zurückzurufen an den Ort seiner einstigen geliebten Waldeinsamkeit. Es steht zu hoffen, dass auch in dem nach ihm benannten Haus seine Werke in Zukunft wieder häufiger erklingen werden. Herbert Speckner

Artikel vom 09.12.2015
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