Raum für Trauer schaffen

Neue Räume für trauernde Kinder bei »Lacrima« in Obergiesing

Gemeinsam gegen den Schmerz kämpfen: Bei »Lacrima« wird den Kindern und Jugendlichen kostenlos und unbürokratisch geholfen.	Foto: Lacrima

Gemeinsam gegen den Schmerz kämpfen: Bei »Lacrima« wird den Kindern und Jugendlichen kostenlos und unbürokratisch geholfen. Foto: Lacrima

Obergiesing · Wo heute noch gebohrt und gehämmert wird, finden ab Anfang 2016 trauernde Kinder und Familien einen Ort, an dem sie den Tod des Vaters, der Mutter oder von Geschwistern verarbeiten können.

Die Johanniter schaffen in der Perlacher Straße 21, in Obergiesing, im Trauerzentrum Lacrima, spezielle Räume, in denen trauernde Kinder und Jugendliche spielen, toben und sich austauschen können. Ehrenamtliche Trauerbegleiter unterstützen sie hier in Gruppenstunden und Workshops, um die Lebenskrise meistern zu können. Darüber hinaus ist das neue Zentrum Anlaufstelle und Beratungsort für Vereine, Schulen, Gemeinden und Verbände.

»Wir verstehen unser Angebot als ganzheitliches pädagogisches Konzept«, erklärt Diakon Tobias Rilling, Lacrima-Leiter der Johanniter. »Wenn ein enger Angehöriger stirbt, betrifft das zunächst die Familien. Aber auch Lehrer oder Erzieher können als Vertrauenspersonen agieren. Im Zentrum unserer Arbeit stehen jedoch ganz eindeutig immer zuerst die Kinder.«

Seit 2002 begleitet Lacrima Familien, die mit einem Trauerfall konfrontiert werden. Bisher fanden die Treffen der aktuell neun Gruppen in Räumlichkeiten etwa von Alten- und Service-Zentren oder der Evangelischen Jugend in verschiedenen Stadtteilen statt.

Dank der großzügigen Unterstützung einer Münchner Familienstiftung werden eigene Räume nun Wirklichkeit. Im künftigen Lacrima-Zentrum können mehr Kinder – darunter auch jüngere im Kindergartenalter – aufgenommen und betreut werden, die Büro- und Workshopräume sind unter einem Dach und auch für die über 50 ehrenamtlichen Trauerbegleiter wird eine gemeinsame Anlaufstelle geschaffen. Für die zur Verfügung stehenden 205 Quadratmeter in der Perlacher Straße wurde ein Raumkonzept erarbeitet, das auf die verschiedenen Trauerphasen und Bedürfnisse der Trauernden abgestimmt ist. »Wir gehen bei Lacrima davon aus, dass Trauer keine Krankheit ist, und deshalb nicht therapeutisch behandelt werden muss«, erklärt Tobias Rilling. Im Ritualraum ist Platz, um feste Rituale wie das Anzünden einer Kerze gemeinsam zu erleben. »Hier soll eine Trauerkultur ohne Tabuzone entstehen«, sagt der Diakon. »So verlieren die Kinder die Angst und lernen, dass Trauer zum Leben eines Menschen dazugehört.«

Darüber hinaus wird den Kindern ein Snoezelen-Raum zur Verfügung stehen. Mit speziell ausgewähltem Licht, Bildern, angenehmen Düften, Musik und Klängen werden in dem ganz in weiß gehaltenen Raum gezielt Sinneswahrnehmungen ausgelöst. In dieser ruhigen Atmosphäre können sich die Trauernden sowohl körperlich als auch seelisch entspannen.

Doch Trauer bedeutet nicht nur Ruhe und Entspannung, weiß Tobias Rilling: »Oftmals stauen sich in den Kindern viele unterdrückte Gefühle auf, die sie Zuhause nicht zeigen können und wollen. Das führt zu Wut und Aggression.« Im Toberaum sollen Matten und ein Boxsack bereitstehen. Hier darf getobt, geboxt, getreten und geschrien werden, um die Trauer zu kanalisieren und die Energie wieder in die richtige Bahn zu lenken.

Eine weitere Ausdrucksmöglichkeit für die kindliche Trauerverarbeitung wird der Kreativraum bieten. Hier können Kinder Trauer zu Papier bringen, Graffitis an die Wände sprayen, Figuren töpfern und Briefe an die Verstorbenen schreiben. »Künstlerische und graphische Elemente sind eine wichtige Erinnerungsarbeit auf dem Trauerweg«, so Rilling.

Eine Münchner Familienstiftung übernimmt die Umbaukosten des neuen Zentrums. Die Inneneinrichtung der verschiedenen Trauer-, Workshop- und Büroräume sowie der laufende Betrieb werden über einen Eigenanteil der Johanniter-Unfall-Hilfe gedeckt.

Überwiegend sind die Mitarbeiter von Lacrima jedoch auf Spendengelder angewiesen, da die Trauerbegleitung für die betroffenen Familien kostenfrei ist. Privatpersonen oder Unternehmen haben die Möglichkeit, ihren Beitrag zu leisten, indem sie ganze Einrichtungspakete, etwa für den Kreativraum inklusive Material- und Bastelwagen sowie Schränken und Werkbänken finanzieren oder einzelne pädagogische Gegenstände wie einen Indoorsandkasten zum Nachspielen von Beerdigungen oder ein Puppenhaus für die Aufstellung von Familien übernehmen.

Weitere Informationen zur Johanniter-Trauerbegleitung Lacrima, zu Kinderbüchern rund um das Thema Trauer sowie Fachinformationen, etwa zu Trauerphasen, findet man unter www.johanniter-lacrima.de

Artikel vom 17.11.2015
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