Oldtimer auf dem Acker

Landkreis Erding · Landwirtschaft wie früher: mehr Arbeit, weniger Stress

Ernsthafte Landwirtschaft geht auch damit noch: Richard Huber nutzt einen Mähdrescher aus dem Jahr 1977. 	Foto: kw

Ernsthafte Landwirtschaft geht auch damit noch: Richard Huber nutzt einen Mähdrescher aus dem Jahr 1977. Foto: kw

Erding/Landkreis Erding · Mähdrescher haben heute Arbeitsbreiten bis 13 Meter, Maishäcksler pflügen mit bis zu neun Meter breiten Schneidwerken durch die Äcker, gefolgt von schweren Traktoren der 200-PS-Klasse und Hängern mit Zwillingsachse.

Es geht aber auch anders, das zeigen etliche Beispiele im Kreis Erding. So hat Franz Buchner aus Langenpreising jetzt erst wieder seinen »Porsche Junior«-Traktor aus dem Jahr 1959 vor einen »Lanz«-Kartoffelroder gespannt und damit Kartoffeln wie vor 50 Jahren aus dem Feld geholt. Der Kartoffelroder gehört Josef Kriegmair, und hinter beiden her kam eine Schar von Kindern, die sich daran machte, die Feldfrüchte in Eimern zu sammeln und auf einen Wagen zu laden, der gut und gern genau so alt ist wie Traktor und Kartoffelroder. So wurde vor noch gar nicht allzu langer Zeit überall die Kartoffelernte gemacht, weil es die Kartoffel-Vollernter noch nicht gab.

Die Kinder hatten nicht nur einen gewaltigen Spaß, sie haben auch viel gelernt, nämlich, dass Landwirtschaft erstens Arbeit macht und zweitens, dass Lebensmittel einen Wert haben. Angesichts des Preisverfalls etwa bei der Milch ist das schlagartig enorm wertvoll gewesen, was der Obst- und Gartenbauverein Langenpreising da an Bildungsangebot gemacht hat. Für diesen und sein Ferienprogramm nämlich hat Buchner seinen betagten Traktor wieder angeworfen.

Keine fünf Kilometer weiter war heuer ein anderer Oldtimer unterwegs: Ein Mähdrescher »Claas Compact 300« aus dem Jahr 1977, gesteuert von Richard Huber. »Den habe ich mir gebraucht gekauft«, sagt der Landwirt, der mit diesem Gerät, mit dem er sich auf jedem Oldtimer-Treffen sehen lassen könnte, ernsthaft Landwirtschaft betreibt. 2,40 Meter Arbeitsbreite, mehr nicht, hat dieser Mähdrescher, der damit jede öffentliche Straße befahren darf, ohne das Mähwerk zu demontieren. Der »Komfort« ist dem Alter entsprechend: offener Fahrerplatz, etliche Hebel sind noch mit Muskelkraft zu bedienen.

Aber es ist eine robuste Landtechnik, bei der nicht so viel kaputt gehen kann. Und Huber hat einen beinharten Grund dafür, dass er diesen Oldtimer auf seine Felder lenkt: Er ist unabhängig von Lohnunternehmern. »Dann kann ich dreschen, wenn mir das passt«, sagt er. Er deutete an, dass die Lohnunternehmer ihre schweren Maschinen auslasten müssten und auch dann dreschen, wenn es vielleicht gerade nicht ideal ist. Kein Wunder: Besagte Maschine mit 13 Metern Arbeitsbreite kostet eine halbe Million Euro, ohne Mähwerk, versteht sich. Hubers Rechnung ging heuer auf, wie die Abrechnung zeigte: Der Wassergehalt seiner Braugerste liegt bei 12,5 Prozent. Das ist ein ganz ausgezeichneter Wert, der Verkaufserlös ist entsprechend gut. Der Bauer ist zufrieden.

Die Serie »Compact« hat der Hersteller Claas ganz bewusst für den bäuerlichen Familienbetrieb konzipiert, wie aus alten Informationen des Unternehmens hervorgeht. 7.000 Einheiten konnten davon produziert werden. Einer ist eben immer noch auf den Feldern rund um Erding unterwegs und markiert einen deutlichen Kontrast zu den immer größer werdenden Maschinen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden. kw

Artikel vom 04.09.2015
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