Die Ursachen für Verschuldung sind vielfältig und fangen früh an

München · Kinder lernen zu selten den Umgang mit Geld

»Schulden zu machen sehen viele ganz locker«, weiß Eva-Maria Korwieser (Mitte), hier mit Heidi Schaitl und Kajetan Brandstätter.	Fotos: Patricia Prankl

»Schulden zu machen sehen viele ganz locker«, weiß Eva-Maria Korwieser (Mitte), hier mit Heidi Schaitl und Kajetan Brandstätter. Fotos: Patricia Prankl

München · Auf Pump zu leben, das ist heute gang und gäbe geworden. Wer kurzfristig Geld benötigt, hat oft die Möglichkeit, dieses Geld auch zu bekommen. Wenn dann die monatlichen Verpflichtungen in der Summe die Möglichkeiten übersteigen, kann man schnell in die Schuldenspirale abrutschen.

Sommergespräche: Gesellschaftliche Debatten haben bei uns einen Platz
Wir beleuchten kontroverse Themen von allen Seiten

Und dann ist es beinahe unerheblich, ob man das geliehene Geld zuvor sinnlos verpulvert hat oder ob man damit das Nötigste zum Leben finanziert hat.

In unserem Sommergespräch hält Heidi Schaitl, Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas im Landkreis Fürstenfeldbruck, eines fest: Die Menschen, die in die Schuldnerberatungsstelle kämen seien »psychisch sehr belastet durch das Gefühl, dass sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten«. Aus der Praxis kennt auch Eva-Maria Korwieser (Juravi Forderungsmanagement) die Problematik. Sie hat Zweifel: »Die Leute, die bei Ihnen auftauchen, ein schlechtes Gewissen haben und bemüht sind die Schulden abzustottern, sind eher ein kleiner Prozentsatz«, erwiderte Korwieser.

Schulden zu machen sehen mittlerweile viele ganz locker

Schaitl setzt in der Beratung auf eine zielführende Zusammenarbeit. Ihr Ansatz sei dabei nicht Druck auszuüben, sondern nach machbaren Ratenzahlungen zu suchen. »Es macht keinen Sinn, Raten zu vereinbaren, die nicht zu halten sind, nur damit der Gläubiger befriedigt ist«, meinte sie. »Realistische Zahlungspläne, die Sicherheit für beide Seiten geben und den Schuldner motivieren, durchzuhalten, weil ein Ende der Rückzahlungen absehbar ist«, nannte es Schaitl.

Kajetan Brandstätter vom Business Club Bavaria hat eine »gewisse Verharmlosung von Schulden« beobachtet. Das sieht Eva-Maria Korwieser genauso: »Schulden zu machen sehen viele ganz locker.« Nach dem Motto, »der Firma werde es schon nichts schaden, wenn ich meine 200 Euro nicht zahle«, hätten viele nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Sind die Schulden dann zu hoch geworden, dann »wollen sich hochverschuldete Haushalte oft am liebsten nicht mehr damit auseinandersetzen«. Es herrsche eine regelrechte Angst vor den Rechnungen.

Korwieser trifft regelmäßig Schuldner an, die Briefe nicht einmal mehr öffnen. Doch ein relativ geringer Betrag könne leicht in die Höhe schnellen. Mahngebühren, Gerichtsvollzieher, Lohnpfändungen drohten. Und trotzdem gebe es auch bei derart desolaten Situationen Stellen, die einen weiteren Dispokredit genehmigten. Von solchen Vorgehensweisen distanzierte sich Andres. »Wir sehen es als unsere Pflicht an, den Kunden zu beraten und auch einmal ›nein‹ zu sagen, wenn wir sehen, dass sich der Kunde finanziell übernimmt«, versicherte er. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sei Präventionsarbeit von Kindheit an notwendig, war sich die Tischrunde einig. »Kinder müssen in der Familie lernen, dass das Geld, das zur Verfügung steht, hart erarbeitet werden muss«, sagte Andres.

Bei der Caritas beginnt man im Kindergartenalter mit der Prävention. Es wird versucht, ein Gefühl dafür zu wecken, was ein Bedürfnis oder ein Wunsch sei, wie Eltern Grenzen setzen können und Kinder in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden, um unabhängig von Statussymbolen zu sein. Auf den Schullehrplänen fehle jedoch das Thema Schulden. »Finanzielle Bildung gehört als Pflichtfach an die Schulen«, bekräftigte Brandstätter. Dabei gibt es Länder, die als positives Vorbild dienen könnten. Zum Beispiel Österreich. Hier gebe es an Schulen Workshops für Jugendliche zum Thema Geld. »Machen wir das gemeinsam auch bei uns«, schlug Brandstätter seinen Tischnachbarn vor. »Da stelle ich mich gerne zur Verfügung.«

Von Patrizia Steipe

Artikel vom 15.08.2015
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