13 Wilde und eine Mutter

Trudering/Berg am Laim · Wildentenfamilie bekommt auf der Pädagogischen Farm Asyl

13 Wildentenküken mit ihrer Entenmutter fühlen sich pudelwohl in ihrem  Übergangsquartier auf der Pädagogischen Farm.	Foto: privat

13 Wildentenküken mit ihrer Entenmutter fühlen sich pudelwohl in ihrem Übergangsquartier auf der Pädagogischen Farm. Foto: privat

Trudering/Berg am Laim · Eigentlich ist der erste Teil dieser Geschichte zu rührend um wahr zu sein.

Vor einem Monat flog eine Wildente gegen eine große Fensterscheibe in der städtischen Krippe Felicitas-Füss-Straße in Trudering. Sie legte in den nächsten Tagen Eier in einen Pflanztrog auf der Dachterrasse. In den Wochen danach ging sie nicht mehr von ihrem ungewöhnlichen Nistort herunter und die Erzieherinnen googelten, dass üblicherweise nach 28 Tagen kleine Bieberl aus den Eiern schlüpfen. Ab jetzt war die Aufregung groß. Und da die Krippe jede Woche mit einer Kindergruppe die Pädagogische Farm in der Thomas-Hauser-Straße in Berg am Laim besucht, rief man dort um Hilfe.

Aus der Kinderkrippe sollte keine Entenkrippe werden, hatte die Leiterin Edeltraud Prokop mit ihren Mitarbeiterinnen ausdiskutiert. Und der ehrenamtliche Leiter der Pädagogischen Farm Peter Ruch erklärte sich bereit im Rahmen des pädagogischen Farmbetriebes die Verantwortung für die Aufzucht der drei Enten zu übernehmen. Denn es bestand die Gefahr, dass die Entenmutter ihre Kleinen dem Schicksal überlässt und einfach weg fliegt. Den sicheren Tod der Entenbabys wollte man nicht riskieren. Zuerst schien es so, als dass sich die auch für die Pädagogische Farm ungewöhnliche Pflegeverantwortung leicht schultern lässt – durch die Halbierung des bisherigen Geflügelgeheges mit zwei Enten, vier Hühnern inklusive einem Zwerghahn über Nacht eingesperrt werden. Doch dann kam die große Überraschung und das ist der zweite Teil der unglaublichen Geschichte.

Nachdem die 28 Brüttage schon vergangen waren und noch immer kein Anruf aus der Kinderkrippe erfolgt war, schien die neue Aufgabe an Peter Ruch vorbeigegangen zu sein. Doch dann meldete sich eine aufgeregte Krippenleiterin und sagte es sei soweit. Eine Expertin des Tierheims sei auch schon da und Entenmutter und Kinder müssten gleich abgeholt werden. In Absprache mit Tierschutzinspektorin Brigitte Mitterhuber vom Tierheim Riem wurde vereinbart, dass die Tiere über Nacht im Tierheim geparkt werden und am nächsten Tag das weitere Verfahren abgesprochen wird. Ruch und Mitterhuber vereinbarten dann die Abholung. Ruch versprach, dass bis dahin die nötigen Umbauten am Stall fertig sind. Eine Klasse der Monte-Balan-Volksschule, die jeden Freitag Vormittag auf der Pädagogischen Farm arbeitet, sollte den Umbau des Stalls durchführen.

Und dann die große Überraschung bei der Abholung: Im kleinen Gehege des Tierheims waren nicht wenige, sondern 13 Entenküken. Im Tierheim waren der Entenmutter noch mehrere fremde verwaiste Küken untergeschoben worden, für die sie offensichtlich die Pflegeverantwortung übernommen hatte. Wie es sich gehört, werden Zudringlinge mit lautem Fauchen vertrieben. So entschloss sich Ruch ohne größeres Nachdenken die Wilden 13 und die Mutterente mitzunehmen. Die daraus folgenden Schwierigkeiten würde man schon mit den 500 Kindern, Jugendlichen, Erzieherinnen und Lehrkräften, die die Farm regelmäßig nutzen, »pädagogisch« meistern. Intuitiv witterte er die Chance für die Kinder und Jugendlichen, an Problemen im echten Leben zu lernen und genau das ist ja das Prinzip der pädagogischen Arbeit auf der Farm.

Kleine Kinder dürfen derzeit gar nicht in das Entengehege, dafür ist der Platz zu klein. Auch Streicheln geht nicht. So bleibt nur das geduldige, ruhige Beobachten der ungewöhnlichen Entenfamilie von außerhalb des Geheges – und auch das will für manches Großstadtkind erst gelernt werden.

Auch Entenkinder kosten Geld und das hat die Pädagogische Farm notorisch nicht, da bisher überwiegend aus privaten Spenden finanziert. Deshalb bittet Peter Ruch um Spenden für den nun fälligen Ausbau des neuen Wildentengeheges und wohl einiger Säcke Entenfutter, um die immer hungriger werdenden dreizehn Mäuler zu stopfen. Er macht jedem das Angebot, der über 100 Euro spendet, ausführlich die Farm zu zeigen und für einen Monat das freie Zutrittsrecht im Rahmen einer Patenschaft zu übergeben. Vielleicht finden sich Erwachsene oder Familien mit Kindern, die auch nach dieser Schnupperzeit wöchentlich zur Farm kommen wollen. Das kostet dann 50 Euro im Monat Beitrag zu den laufenden Kosten. Da die Pädagogische Farm München-Ost bisher mangels Personal keinen Publikumsverkehr zulässt und nur von Pädagogischen Einrichtungen, volljährigen Reit- und Führbeteiligten genutzt wird, wäre das ein neues Angebot, die Nutzung der Farm ohne Reiten, als Tierpate.

Noch reicht der Platz für die Winzlinge, doch bis in wenigen Wochen müssen die Kinder der verschiedenen, die Pädagogische Farm regelmäßig nutzenden Kindergärten und Schulen das Gehege deutlich vergrößern, um nicht Zustände wie in den Hühnerfabriken zu haben. Der ganze Aufwand wird nur für die Kinderstube der Enten bis zum Herbst nötig sein, denn dann wird sich der Unterschied zu den bisher gehaltenen Hausenten zeigen. Die jungen Wildenten müssen mit ihrer Mutter in die Freiheit entlassen werden und weiterfliegen – vielleicht kommen sie ja wieder einmal an den Teich der Farm zurück. red

Artikel vom 23.06.2015
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