München im Ausnahmezustand

Sicherheitskonferenz: München im Fokus der Aufmerksamkeit

Während Wolfgang Ischinger (li.) US-Vizepräsident Joe Biden begrüßt, werden in München wieder Gegenkundgebungen stattfinden. Fotos: Dettenborn/MSC, ChrisBMuc

Während Wolfgang Ischinger (li.) US-Vizepräsident Joe Biden begrüßt, werden in München wieder Gegenkundgebungen stattfinden. Fotos: Dettenborn/MSC, ChrisBMuc

München · »Stell dir vor, es ist Krieg – und keiner geht hin.« Eine romantisch verklärte Vorstellung, wie jeder durch passiven Widerstand zum Frieden beitragen kann. Aber so einfach funktioniert das in der Realität nicht.

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Frieden ist nicht plötzlich einfach da. Vorher kommt das Ende der Kampfhandlungen, dem wiederum häufig zähe Verhandlungen vorausgehen. Die Münchner Sicherheitskonferenz, wie sie an diesem Wochenende wieder stattfindet, sieht sich gerne als informelles diplomatisches Parkett, auf dem Kriegs- und Krisengegner in den Dialog treten.

Unbestritten: Zahlreiche Spitzenpolitiker nehmen an der Konferenz in der Münchner Innenstadt teil und nutzen die Gelegenheit zum Dialog. Schwerpunkt wird die Ukraine-Krise sein. So werden nach Aussage von Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, »alle relevanten Akteure« in München sein, wie er am Montag im ZDF aufzählte: der US-amerikanische Vizepräsident Joe Biden, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der russische Außenminister Sergej Lawrow und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ob in München der Durchbruch geschafft wird, ist völlig offen.

Die USA machen Druck und denken laut über die Waffenlieferungen an die Ukraine nach, um die Separatisten zu stoppen. Diese gewinnen derzeit offenbar an Boden, mutmaßlich mit russischer Unterstützung. Sollte der Dialog in München ohne Ergebnis bleiben, droht die Eskalation. München steht im Mittelpunkt der Weltpolitik.

Zeitgleich zur Sicherheitskonferenz findet die Internationale Münchner Friedenskonferenz statt. Deren Aussage ist klar: »Nein zum Krieg«. Der Trägerkreis der Friedenskonferenz lehnt, unabhängig von der aktuellen Situation, jede Form von militärischer Aufrüstung ab. Er sieht den Ursprung der Sicherheitskonferenz im Kalten Krieg, als Aufrüstung der Abschreckung dienen sollte. Der Kalte Krieg in Europa ist Vergangenheit. Die Waffenarsenale kommen an verschiedenen Kriegsschauplätzen dieser Welt zum Einsatz – auch in der Ukraine. Das sollte mit der Vereinbarung von Minsk im letzten Herbst ein Ende finden. Zwölf Punkte handelten seinerzeit die beteiligten Parteien aus, unter der Moderation von Wolfgang Ischinger – der jetzt Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet, um ein militärisches Gleichgewicht im Krisengebiet zu schaffen und die Separatisten so wieder an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Letztere sind in München nicht dabei. Ihre Interessen werden von den russischen Diplomaten vertreten.

Es besteht die Möglichkeit, dass in München ein Stück Geschichte geschrieben oder zumindest die Grundlage dafür geschaffen werden kann. Das alles findet hinter verschlossenen Türen statt. Dass die Sicherheitskonferenz tagt, spüren die Münchner wie immer an dem Sicherheitsbereich rund um das Hotel Bayerischer Hof: den Promenadeplatz, die Prannerstraße, die Kardinal-Faulhaber-Straße, die Hartmannstraße und die Karmeliterstraße. Dieser Bereich darf während der Konferenz bis Sonntag, 15 Uhr, nur nach polizeilicher Kontrolle und nur von Personen betreten werden, die über entsprechende Ausweise des Veranstalters verfügen bzw. die ein berechtigtes Interesse nachweisen können. Innerhalb des Bereiches wurden aus Sicherheitsgründen Halteverbote angeordnet, weshalb dort keinerlei Parkplätze zur Verfügung stehen.

Doch auch gesellschaftlich motivierter Protest gegen die Sicherheitskonferen wird einmal mehr lautstark zum Ausdruck gebracht. Am Samstag, 7. Februar, startet um 13 Uhr am Marienplatz eine Gegenkundgebung des Aktionsbündnisses gegen die Sicherheitskonferenz unter dem Titel: »Kein Frieden mit der NATO«. Dort beginnt um 13.30 Uhr auch der Demonstrationszug in die Isarvorstadt und zurück zum Marienplatz – weit weg vom Konferenzort und von den dortigen Teilnehmern zwar unbemerkt, aber dennoch wahrgenommen. Gegen 15 Uhr wird der Zug zurück am Marienplatz sein, wo bis 18 Uhr eine Schlusskundgebung stattfinden wird, zu deren Programm auch Konstantin Wecker beitragen wird.
Die Innenstadt ist einmal mehr im Ausnahmezustand. Und am Montag erinnert fast nichts mehr an diese gesellschaftliche Auseinandersetzung. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 06.02.2015
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