Jedem sein Fest

München/Altstadt · Pfarrer Rainer M. Schießler macht sich seine Gedanken

Pfarrer Rainer M. Schießler aus der Pfarrei Heilig Geist in der Innenstadt schreibt exklusiv die Weihnachtsbotschaft im Münchner Zentrum.	Foto: privat

Pfarrer Rainer M. Schießler aus der Pfarrei Heilig Geist in der Innenstadt schreibt exklusiv die Weihnachtsbotschaft im Münchner Zentrum. Foto: privat

München/Altstadt · »Im Großen und Ganzen ist der Einzelhandel mit dem diesjährigen Weihnachtsgeschäft zufrieden«, höre ich den Nachrichtensprecher wenige Stunden vor dem großen Fest mit neutraler Stimme verkünden.

Eigentlich will ich ja nur meine Predigt für die Christmette noch einmal durchgehen, doch diese Nachricht aus der Wirtschaftsredaktion regt mich nun doch auf. Was für ein Glück auch, denk ich mir, dass wenigstens der Einzelhandel mit dem Weihnachtsfest zufrieden ist! Ja Gott sei Dank, dann hat sich Weihnachten ja schon gelohnt! Ich merke, wie ich mich schon wieder ärgere – alle Jahre wieder der gleiche Unmut. Als ob es Weihnachten nur wegen des Geschäfts und des Konsums gäbe. Natürlich gibt es immer wieder spitzfindige Leute, die eine solche Kunde gerne verbreiten. Da fällt gleich noch mehr darunter: Muttertag, Valentinstag, Erstkommunion und so weiter...

Was für ein kurioser Gedanke: Das Christentum, die Kirche erfindet Feste, damit die Wirtschaft floriert!
Schon etwas wütender geworden zerbeiße ich beinahe meinen Kugelschreiber. Irgendwie sind sie ein fest verbundenes Paar: der alljährliche, vorweihnachtliche Trubel einerseits und die entsprechende Konsumschelte – nicht nur durch uns Kirchen! Wie heruntergekommen muss doch unsere Gesellschaft sein, da sie immer noch nicht begriffen hat, dass das Fest der Geburt Jesu mit all dem doch eigentlich nichts zu tun hat, was man gerne vorweihnachtliche Geschäftigkeit und Konsumrausch nennt.

Aber Vorsicht bitte! Uns Kritikern muss bei aller berechtigten Kritik immer bewusst sein, was denn passieren würde, wenn Advents- und Weihnachtszeit vom Konsum restlos unbeachtet links liegen gelassen würde. Das würde z.B. bedeuten: Kein besonderer Schmuck in unserem Straßenbild, kein heiliger Nikolaus in den Kaufhäusern, keine Geschenkidee zum Fest, kein Festtagsbraten im Gefrierregal, nirgendwo weihnachtliche Klänge, ja kein einziger Weihnachtsmarkt weit und breit! Diese »Stille« könnte dauerhaft zur Folge haben, das die Feier der Geburt Jesu immer mehr zu einem geheimnisvollen Ereignis hinter christlichen Mauer wird, das Außenstehenden nur noch befremdet, wenn überhaupt! Darin sehen einige Christen zwar die Chance der »Gesundschrumpfung«, doch dieser Sichtweise möchte ich hier nicht weiter nachgehen.

Ich möchte jetzt weiter positiv denken: Die Vorweihnachtszeit als Event, so wie wir sie in diesen Tagen wieder einmal erleben, mit all ihren Nebenerscheinungen birgt doch auch die Chance, das so mancher ›Fernstehende‹, der weniger an den Wurzeln christlichen Glaubens interessiert ist, zumindest für einen Augenblick in all der Geschäftigkeit wenigstens für ein paar Momente über das Christkind und seine Vision der Liebe stolpert und nachdenklich wird. Dies gilt für die meisten, ob nun den Kritikern, dem Einzelhandel, den Aktiven in den christlichen Gemeinden, Fernstehenden, Eingeweihten oder denen, die schon längst entschieden haben dass ihr Weihnachtsbaum eine Palme sein wird. Ihnen allen ist eines zumindest optional gemeinsam: Heilig Abend heißt endlich Ruhe, Frieden, Gemeinschaft, familiäre Beschaulichkeit und vielleicht ein Hauch von Seligkeit in der Luft. Das ist auch ein guter Anfang!

So wünsche ich jedem ein friedvolles Weihnachtsfest und rufe es weiterhin laut und deutlich hinaus: Die Tatsache der Geburt Jesu und die Erinnerung daran bedeutet aber immer noch mehr als nur die Zufriedenstellung des Einzelhandels und eine friedvolle Stimmung beim Konsumenten. Das darf bei aller Feierlichkeit nicht übersehen werden, auch wenn auf den ersten Blick doch der Wunsch bei allen nach Stimmungsfülle angeprangert scheint. Der Wunsch nach Harmonie, Frieden und gelungener Gemeinschaft ist sehr eng mit den Weihnachtsfeierlichkeiten verbunden, gehört aber nicht notwendig zu diesem Fest der Geburt Jesu, auch wenn uns unsere romantische Krippendarstellungen und die Weihnachtserzählungen dies suggerieren.

Nein ich will den weihnachtsscheuen Dauernörglern in diesem Jahr nicht das Wort reden, die das Weihnachtsfest schon längst im Konsumrausch verloren gehen haben sehen. Jeder hat den Wunsch nach einem gelungenen, fröhlichen und gemütlichen Weihnachtsfest, das es mir ermöglicht mit allen Sinnen zu genießen. Das kann und soll meinen Glauben und meine Festtagsfreude stärken, nicht mindern. Genau das werde ich den Leuten in diesem Jahr sagen – und schreib es noch schnell in meine Predigt hinein, bevor ich meinen Kugelschreiber ganz zerbeiße!«

Pfarrer Rainer M. Schießler
Pfarrei Heilig Geist am Münchner Viktualienmarkt

Artikel vom 24.12.2014
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