Der persönlichste Weg

Gespräch zu Allerheiligen über Hospizarbeit in Ebersberg

Der letzte Weg. Der Hospiz-Dienst versucht den Übergang zum Tod würdig zu gestalten!	Foto: Hospizverein Ebersberg

Der letzte Weg. Der Hospiz-Dienst versucht den Übergang zum Tod würdig zu gestalten! Foto: Hospizverein Ebersberg

Ebersberg · Todesfälle zählen zu den schmerzhaftesten und intensivsten Momenten unseres Lebens. Gerade am Allerheiligen-Wochenende, wenn wir unseren Verstorbenen gedenken, rückt Sterben, Trauer und Leiden wieder vermehrt in unsere Gedanken.

Wie findet man einen Weg, mit Trauer oder Krankheit würdig umzugehen? Wo kann man in beklemmenden Notsituationen Hilfe erhalten?

Der Kurier Ebersberg führte ein langes Gespräch über Krankheit und den Übergang vom Leben zum Tod mit Bernhard Hoiß vom Christophorus Hospizverein Ebersberg. Aber lesen Sie selbst.

Kurier Ebersberg: Herr Hoiß, seit wann gibt es den Verein? Was sind die Aufgaben des Hospizvereins Ebersberg?

Bernhard Hoiß: Der Christophorus Hospizverein im Landkreis Ebersberg e.V. wurde im Jahr 1997 nach intensiver Vorbereitung gegründet. Sein primäres Ziel ist, durch die Begleitung Schwerstkranken und Sterbenden in der letzten Lebensphase ein würdevolles und lebenswertes Leben zu ermöglichen. Natürlich gehört unsere Aufmerksamkeit dabei auch den Angehörigen. Unsere gut ausgebildeten ehrenamtlichen Helfer leisten allerdings keine Pflege! Wir sind überkonfessionell und besuchen die begleiteten Menschen zu Hause oder in Pflegeheimen. Neben dieser Begleitung wollen wir auch auf das steigende Hilfeangebot, wie die Spezielle ambulante Palliativversorgung (SAPV) hinweisen, die konkrete Hilfe, ärztliche wie pflegerische, anbietet. Hinzu kommt ein regelmäßiges offenes Trauercafe, bei dem sich Betroffene einmal im Monat austauschen können.

Was versucht der Verein in seinen Seminaren zu entwickeln?

Hoiß: Die Grundidee der Hospizbewegung lautet: »Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben«. In diesem Sinn wollen die Seminare der Hilflosigkeit gegenüber Leid, Krankheit, Tod und Trauer entgegnen und helfen, eigene Wege zu finden.

Gibt es überhaupt den »richtigen Weg« mit Krankheit und Tod umzugehen?

Hoiß: Der Weg zum Tod ist das »Persönlichste«, das es überhaupt gibt. Insofern passen hier Wertungen wie »richtig« oder »falsch« nicht. Auch wenn ich persönlich überzeugt bin, dass es hilft, sich mit der Endlichkeit des Lebens auseinanderzusetzen und so bewusster zu leben, ja, sogar an Lebensqualität zu gewinnen, akzeptiere ich selbstverständlich auch die Einstellung: »Damit will ich mich nicht beschäftigen«.

Was machen Sie, wenn Sterbender und Angehörige unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft oder die letzten Tage haben?

Hoiß: Prinzipiell gilt unsere Aufmerksamkeit dem Sterbenden. Seine Wünsche stehen für uns im Mittelpunkt, denn er hat keine Chance mehr auf Revision beziehungsweise geänderte Erkenntnisse. Die Hospizbegleiterin als außenstehende Person wird sicherlich ihre Eindrücke mitteilen und kann damit die Situation beeinflussen. Eine sinnvolle Begleitung ist allerdings nicht möglich, wenn Angehörige ihre abweichenden Vorstellungen »durchdrücken« wollen, ­sofern sie die Hospizbegleitung betreffen.

Was ist im Umgang mit Sterbenden besonders wichtig? Auf was sollte man bei Angehörigen achten?

Hoiß: Auch hier sollte die Persönlichkeit des Sterbenden im Vordergrund stehen. Das bedeutet nicht, den eigenen Schmerz und die Trauer zu verbergen. Das bedeutet aber auch, den Sterbeprozess zu akzeptieren und in dieser Phase dem Sterbenden Nähe und Geborgenheit zu vermitteln. Von generellen Regeln würde ich nicht sprechen. Aber in Anwesenheit des Sterbenden nie über ihn als dritte Person reden, auch wenn er – vermeintlich – nicht bei Bewusstsein ist.

Ich habe vor ein paar Monaten einen engen Verwandten verloren und konnte bei seinem Sterben in einem Vier-Bett-Zimmer (mit laufendem Radio) im Krankenhaus dabei sein. Viele möchten gerne Zuhause im Kreise der Familie sterben. Ist die Umgebung, der Ort, wirklich so wichtig? Ich habe das persönlich als unwichtig empfunden.

Hoiß: Ich halte die Umgebung, den Ort für sehr wichtig. Grundsätzlich sollte es eine Umgebung sein, in dem die Aufmerksamkeit für den sterbenden Menschen unterstützt wird. Manche Sterbende brauchen das Daheim, andere eine sichere Umgebung, in der Hilfe immer greifbar ist und werden daher eine Einrichtung bevorzugen. Nach meiner – auch persönlichen – Erfahrung ist das Sterben ein sehr, sehr intimer Vorgang, dem auch ein intimer Raum gegeben werden sollte.

Im unmittelbaren Moment des Todes war eine unglaubliche Hilflosigkeit zu spüren, wie kann ein Angehöriger in der Folgezeit damit umgehen?

Hoiß: Wir sind es gewohnt, den Alltag um uns zu bestimmen, zu kontrollieren, was wir tun oder lassen. Beim Tod geschieht etwas, das unserem Einfluss entzogen ist, das auch nicht revidierbar ist. Damit kommen wir nur schwer zurecht. Zunächst halte ich es für sehr wichtig, zur eigenen Trauer zu stehen und sich nicht von den Erwartungshaltungen anderer unter Druck setzen zu lassen. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, auf seine Art zu trauern, auch wenn das von anderen nicht als Trauer erkannt wird.

Bei vielen Krebspatienten ist der Tod oft sicher, aber nicht der genaue Zeitpunkt oder auch das Ausmaß der Erkrankung. Wie können Ärzte, Angehörige zu mehr und einer besseren Kommunikation kommen?

Hoiß: Ich kenne diese Diskussion zwischen »ich will den Kranken mit der Diagnose nicht belasten« und »er muss die Wahrheit wissen«. Wobei klar ist, dass auch die ärztliche Diagnosekunst Grenzen hat. Immer wieder erleben wir Fälle, wo um eine Hospizbegleitung für die, nach ärztlicher Diagnose, letzten Wochen einer Person ersucht wird und diese Begleitung dann mehrere Jahre dauert. Ich habe viel Verständnis, wenn hier gegenseitige Rücksicht genommen wird, sofern die Rücksicht auf das Gegenüber gerichtet ist. Keine Rücksicht wäre es, wenn ich die Wahrheit verschweige, nur weil ich mich scheue, Überbringer der schlechten Nachricht zu sein.

Eine persönliche Frage: Wenn man über die Jahre dutzende Todesfälle begleitet, wie geht man mit persönlichen Trauerfällen um?

Hoiß: Die Trauer beim Verlust einer lieben Person wird durch die Begleitung nicht geringer. Der Umgang mit Tod und Sterben führt allerdings dazu, dass das Leben bewusster wahrgenommen wird, auch das Leben mit den Menschen, die mich umgeben, die mir wichtig sind. Ich bemühe mich, nichts aufzuschieben, keine persönlichen Konflikte offen zu lassen und denjenigen, die mir nahe stehen, meine Freude an Ihrer Nähe mitzuteilen.

Wie kann man den Hospiz-Verein Ebersberg unterstützen?

Hoiß: Der Hospizverein trägt sich im Wesentlichen durch Mitgliedsbeiträge und Spenden, zumal unsere ehrenamtlichen Begleitungen für die Betroffenen mit keinerlei Kosten verbunden sind. Unterstützen kann man uns also mit Spenden bzw. einer Mitgliedschaft. Genau so wichtig ist uns aber, die Hospizidee aufzugreifen und weiterzutragen. Der Hospizverein ist erreichbar unter der Telefonnummer 0 80 92/25 69 85.

Herr Hoiß, vielen Dank für das Gespräch und noch mehr Dank für ihre Arbeit! Von Marcus Ullrich

Artikel vom 30.10.2014
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