Sport als Lebenshilfe

Handballerin vom TSV Ismaning unterrichtet Kinder in Südafrika

Leonie Schweinsteiger (Mitte), die für den TSV Ismaning in der Bayernliga spielt, bringt südafrikanischen Kindern Handball bei. Für die Studentin eine große  Herausforderung – und eine wertvolle Erfahrung.	F.: Leonie Schweinsteiger

Leonie Schweinsteiger (Mitte), die für den TSV Ismaning in der Bayernliga spielt, bringt südafrikanischen Kindern Handball bei. Für die Studentin eine große Herausforderung – und eine wertvolle Erfahrung. F.: Leonie Schweinsteiger

Ismaning/Ottobrunn · Handball zu unterrichten, dürfte für Leonie Schweinsteiger eigentlich kein Problem sein. Wenn sie etwas liebt, dann diesen Sport.

Die Rückraumspielerin spielt für die erste Damenmannschaft des TSV Ismaning erfolgreich in der Bayernliga, warf sogar einst im DHB-Pokal gegen den deutschen Spitzenclub HC Leipzig fünf Tore. Kein Problem? Über 9000 Kilometer weiter südlich sieht das schon ganz anders aus.

Swellendam, eine Kleinstadt mit knapp 20.000 Einwohnern, etwas über 200 Kilometer östlich von Kapstadt, ist momentan Leonies Zuhause. Seit Ende Juli ist diese fremde Welt ihre Welt – eine Welt, in der der Handballsport quasi keine Vergangenheit hat. Entsprechend lautete ihr erster Gedanke dort: »Wie soll ich das bloß schaffen?« Doch exakt darin liegt der Ansporn: Die 19-jährige Ottobrunnerin will zeigen, dass sie trotz schwierigen Bedingungen etwas erreichen kann. Es geht darum, Schulkinder im Alter von 9 bis 14 Jahre in Handball zu unterrichten und damit zugleich deren Selbstbewusstsein zu stärken. »Es soll eine offene Gesellschaft geschaffen werden ohne kulturelle, geschlechtliche und rassischen Grenzen «, erzählt die junge Sportlerin.

Leonie Schweinsteiger, die nicht mit Fußball-Weltmeister Bastian Schweinsteiger verwandt ist, arbeitet in Südafrika für drei verschiedene Organisationen. Eine heißt »Play Handball« und ist quasi noch jungfräulich: Leonie ist eine der ersten vier Volontäre dort überhaupt. Unterstützung erhält »Play Handball« durch den Kooperationspartner »Score«. Diese Organisation existiert schon seit 1991 und arbeitet mit Volontären aus 22 Ländern zusammen. Ziel ist es, südafrikanische Kinder und Jugendliche durch den Sport zu »retten« – ihnen also Perspektiven und Strukturen für das Leben zu geben und sie vor Kriminalität, Straßengewalt oder Drogenkonsum zu schützen. »Die Kinder sollen weg von den Straßen und lernen, in definierten Gruppen Verantwortung zu übernehmen, Solidarität zu zeigen und Rücksicht zu nehmen«, erklärt Schweinsteiger. »Ich möchte ihnen durch Handball spielen Werte verinnerlichen. Werte wie Zusammenhalt, Ehrgeiz, Verlässlichkeit oder Spaß am Sport.« Die dritte Organisation nennt sich »Community Action Partnership«, kurz: CAP. Sie nimmt körperlich und geistig behinderte Erwachsene genauso auf wie Heimatlose. »Hier werden diese Menschen den ganzen Tag beschäftigt und fühlen sich somit eben auch als Teil der Gesellschaft«, sagt Schweinsteiger und nennt das Ganze eine extrem große Herausforderung. »Denn ich muss mich auf jeden Einzelnen besonders konzentrieren und ein individuelles Trainings- und Bewegungsprogramm starten«, berichtet die Studentin.

Für Leonie ist Südafrika aber nicht nur eine wertvolle persönliche Erfahrung – auch für ihr Studium ist die Arbeit von elementarer Bedeutung: Denn das Engagement wird als Fachpraktikum anerkannt. Auch den Alltag in Südafrika lernt die 19-Jährige kennen. Und der ist auf keinen Fall vergleichbar mit dem gewohnten Leben in Deutschland. »Es ist anders, viel gelassener, unstrukturierter und spontaner«, beschreibt Schweinsteiger. Wenn etwas für 9 Uhr geplant ist, könne es durchaus sein, dass es letztendlich erst um 12 Uhr stattfindet. »Oft ist es hier schön und lustig, aber manchmal auch eben genau durch solche Vorfälle total anstrengend und nervenaufreibend«, erzählt die 19-jährige Handballerin.

Alltag bietet starke Eindrücke

Glücklicherweise hat Leonie Schweinsteiger Leute in Südafrika gefunden und getroffen, die sie immer unterstützen, ihr zur Seite stehen, wichtige Tipps geben. Wie ihre Gastfamilie, die großen Anteil daran hat, dass ihre Zeit am Kap unvergessen bleiben wird. »Sie haben mich sofort als weiteres Familienmitglied aufgenommen neben den beiden Jungs und dem großen Hund«, sagt Schweinsteiger. »Sie behandeln mich mit Respekt, Liebe und unheimlicher Offenheit. Das ist sowieso einer der stärksten Eindrücke für mich. Da können wir uns in Deutschland eine ganz dicke Scheibe davon abschneiden.«

Nun, wo langsam, aber sicher die Zeit in Südafrika zu Ende geht, stellt sich bei Leonie Schweinsteiger die Wehmut ein. Denn die Arbeit macht ihr sehr viel Spaß – vor allem, da immer mehr Erfolge zu sehen sind. »Allmählich begreifen die Kinder, wie Handball funktioniert. Sie wollen lernen, diesen Sport verstehen, ihn spielen«, gerät sie ins Schwärmen. »Anders als in den Wochen zuvor wollen sie mich nachmittags nicht mehr gehen lassen. Sie würden gerne den ganzen Tag mit Handball verbringen«, erzählt Leonie. Es sei auch sehr schön zu sehen, dass die Kinder die Werte, die sie versucht, ihnen zu vermitteln, schon in das schulische Leben übernehmen. »Das habe ich mir zum Ziel gesetzt und ist mein schönstes Erlebnis. Nun will ich auch noch ein Turnier auf die Beine stellen, an dem mehrere Mannschaften teilnehmen.«

Anfang November geht es wieder zurück nach Deutschland. Leonie freut sich darauf, in ihr heimisches, gewohntes Leben zurückzukehren – und auch darauf, wieder selbst Handball zu spielen, in einer Halle mit richtigem Equipment und mit ihrem Team vom TSV Ismaning. »Aber ehrlich gesagt, werde ich Südafrika sehr vermissen«, meint Leonie. Deshalb werde sie auch auf jeden Fall wieder dorthin zurückkommen. Swellendam ist jetzt ein Stück weit Heimat für Leonie Schweinsteiger – dank der unvergesslichen Erfahrungen, die sie auch ihrer Liebe zum Handball zu verdanken hat. Andreas Schisler/red

Artikel vom 28.10.2014
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