Entdecker auf Tour

Grünwald · Ein Blick hinter die Kulissen am Tag des offenen Denkmals

Das Cincinnati-Kino in der ehemaligen Ami-Siedlung lädt am Tag des offenen Denkmals zu einem umfangreichen Programm ein. 	Foto: Hettich

Das Cincinnati-Kino in der ehemaligen Ami-Siedlung lädt am Tag des offenen Denkmals zu einem umfangreichen Programm ein. Foto: Hettich

Grünwald · Spannendes gibt es in Grünwald am kommenden Wochenende zu entdecken, es wird nämlich wieder einmal zum Tag des offenen Denkmals in München und im Landkreis eingeladen. Am Sonntag, 14. September, kann man in Grünwald in der evangelischen Thomaskirche »Provokante Kunst in der Nazizeit« kennenlernen.

Die Kunsthistorikerin Martina Müllner führt zwischen 11.15 und 13.15 durch das Gotteshaus aus dem Jahr 1932, das vor zwei Jahren seinen 80. Geburtstag feierte. Am 4. September 1932 wurde die »Evangelisch-Lutherische Kirche am Parkplatz zu Geiselgasteig bei München« – so war damals der offizielle Name – feierlich eingeweiht. Zuvor trafen sich die wenigen evangelischen Bürger in sogenannten Hauskreisen, wo sie auch ihre Gottesdienste feierten. Der ganze Stolz der eher schmucklos gehaltenen Kirche ist ihr 1935 fertig gestelltes Kirchenfresko, das eine Szene aus der Bergpredigt zeigt. »Dieses Fresko war damals ein politisches Signal«, erklärt der Grünwalder Pfarrer Christian Stalter. Seine Botschaft: »Selig sind die Friedfertigen« war ein mutiges Zeichen gegen den immer weiter um sich greifenden Nationalsozialismus.

Der Künstler und Kunstprofessor Reinhold Max Eichler schuf im Auftrag einiger besonders kunstsinniger Gemeindemitglieder dieses Manifest gegen Unterdrückung und Gewalt, zeigt sich Pfarrer Stalter beeindruckt. Ohne großes Aufhebens wurde das Fresko damals eingeweiht, Papiere, die seinen »Werdegang« dokumentieren, fehlen völlig. An einen Zufall will man in der Thomaskirche indes nicht glauben, vielmehr wollte man Werk und Verantwortliche schützen, sind sich die Kirchenvertreter einig. Die Grünwalder Kunsthistorikerin Martina Müller ist der spannenden Entstehungsgeschichte nachgegangen und erläutert die Raffinessen des kunsthistorisch bedeutenden Freskos. Organisiert wird die kostenfreie Führung von der MVHS.

Ein weiteres Kleinod stellt die MVHS ebenfalls am 14. September von 14.00 Uhr bis 15.30 Uhr und von 16.00 Uhr bis 17.30 Uhr vor. Die Kirche »Maria Königin des Friedens«, in der Werinherstraße 50 in Untergiesing, wird von Herbert Boguth und Dr. Willibald Karl präsentiert. Die Pfarrkirche »Maria Königin des Friedens« war der letzte Kirchenbau vor dem Zweiten Weltkrieg. 1936 erhielt Robert Vorhoelzer den Auftrag zum Entwurf. Nach seinen Worten sollte der Bau »ein steingewordener Protest« gegen das werden, wogegen man unter nationalsozialistischer Herrschaft »öffentlich nicht ankonnte«. Dominierendes Element der künstlerischen Ausgestaltung ist das monumentale Fresko, geschaffen 1937 von Albert Burkart. Zu seinen weiteren Werken in der Kirche gehören 14 farbige Glasfenster mit dem Thema »Krieg und Frieden«. Eine Anmeldung zu den Führungen, auch in der Thomaskirche in Grünwald sind bei der MVHS unter Telefon 6208200 oder unter www.mvhs.de/ost möglich. Eine Anmeldung ist nicht zwingend erforderlich, erleichtert aber die Planung der Organisatoren. Junges Denkmal mit tollem Programm. Das sicherlich jüngste »Denkmal«, das man an diesem Tag besichtigen kann, ist das Cincinnati-Kino in der Cincinnati-Straße. Das Kino wurde erst dieses Jahr in die Denkmalliste aufgenommen. Als typisches amerikanisches Veranstaltungsgebäude einer Streitkräftesiedlung hat das Kino eine besondere, kommunikative Funktion, die damals galt – und eben bis heute anhält. Zum Tag des Offenen Denkmals veranstaltet der BA 17 gemeinsam mit dem Kinobetreiber im Cincinnati Kino eine Ausstellung, Führungen und Filmvorführungen. Für das musikalische und leibliche Wohl sorgt die Bürgerinitative Amisiedlung. Hier das detaillierte Programm: Ausstellung im Foyer des Kinos: Basierend auf dem Projekt »Amis in Giesing« unter Leitung der Historiker Dr. Willibald Karl und Dr. Karin Pohl, zeigt die Ausstellung die ehemalige »Ami-Siedlung«, die zwischen 1954 und 1957 entstand. Gebaut wurden damals: 67 Dreihauszeilen, 55 Einfamilien- und Doppelhäuser, 1.316 Wohnungen, sowie ein Kindergarten, Schulen, eine Kirche, Sport- und Freizeitstätten, eine eigenes Heizwerk, ein Hospital, Shops und ein Family-Theatre – das heutige Cincinnati Kino.

Führungen durch das Cincinnati Kino und seine Umgebung bietet Dr. Karin Pohl um 14.00 Uhr und um 17.00 Uhr an. Treffpunkt ist vor dem Cincinnati-Kino mit einer Einführung und Überblick über die Geschichte und Struktur der Siedlung. Die Führungen innerhalb des Cincinnati-Kinos finden ab 15.00 Uhr stündlich statt (Technik, Vorführraum…). Der Film »München in Trümmern« wird um 15.45 Uhr gezeigt: Zehn Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner in München erhielt Willy Cronauer, Referent für Theater, Film und Funk im Kultusministerium, den Auftrag, einen Film über die zerstörte Stadt zu drehen. Am 12. Mai 1945 fuhr ein fünfköpfiges Filmteam durch die menschenleeren und schuttüberhäuften Straßen. Die Aufnahmen zeigt Cronauer unkommentiert und ohne Musik. Begleitet und kommentiert wird der Film im Cincinnati Kino von Elisabeth Angermair vom Stadtarchiv München. Zum Ausklang des Tags des Offenen Denkmals gibt es ab 18.00 Uhr Werbefilme und Wochenschauberichte aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Ein besonderes Highligt wird die Führung mit »Seargent Sam« im Jeep durch die Amisiedlung sein. Ludwig Samereier stammt aus Giesing. Als Kind hatte er die erste Begegnung mit den Amis.

Mittlerweile besitzt er eine ganze Americana-Sammlung: Zahlreiche Erinnerungsstücke, Uniformteile und einen Jeep. Mit diesem wird er interessierte Erwachsene und Kinder durch die Siedlung kutschieren. Treffpunkt ist vor dem Cincinnati-Kino. Mitfahren auf eigene Verantwortung… Weil so viel Wissen hungrig und durstig macht, lädt die Bürgerinitiative Amisiedlung zum Bürgerfest vor dem Cincinnati-Kino ein: Musikalisch sorgt am Tag des Offenen Denkmals »Nevio Casanova« von 14 bis 18 Uhr für ein gelungenes Fest. Ein buntes Programm sorgt für gute Laune und auch an das leibliche Wohl der Gäste wird gedacht. Zu erreichen ist das Cincinnati-Kino mit der S3 (Haltestelle Fasanengarten), dem Bus 145 & 220 bis Minnewittstraße. Kostenlose Parkplätze gibt es direkt vor dem Kino für alle Geschichtsfans.

In Harlaching öffnet am Sonntag, 14. September, von 10 bis 18 Uhr, das »Lola-Montez-Haus« am Isarhochufer, gleich hinter der Gaststätte Menterschwaige. Führungen werden um 12 Uhr, um 15 Uhr und um 17 Uhr angeboten. Ein wenig verträumt liegt das liebevoll restaurierte Häuschen am Spazierweg der Isar entlang, und gibt erst auf den zweiten Blick sein ein wenig pikantes Geheimnis preis. In dem ehemaligen Wohnsitz des königlichen Hofschmieds trafen sich König Ludwig I. und seine »Tänzerin«, die ihm erst das Herz gestohlen hatte und ihn dann die Krone kostete. Dort, beim Schmied, seiner Frau und deren vier Kindern, lebte Lola Montez einige Zeit (1846 – 1848), da der König seine Geliebte vor der tobenden Öffentlichkeit verstecken musste. Die Holzfußböden sind ebenso original erhalten wie die Deckenbalken. Bei der Einrichtung wurde darauf geachtet, dass möglichst alles aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Ebenfalls geöffnet sind der Giesinger Kulturbahnhof, Bahnhofsplatz 1 in Giesing (11 bis 19 Uhr), Führungen bietet der Architekt Wolfgang Senninger um 11 und um 14 Uhr an. Auch das Harlachinger Krankenhaus am Sanatoriumsplatz 2 bietet die Möglichkeit an, das 1899 erbaute Gebäude und den Park zu besichtigen. Der Bezirksausschuss 18 wird mit Infoständen vertreten sein. Außerdem lädt das Kunstforum HMP auf den Hans-Mielich-Platz ein, wo von 14 bis 16 Uhr verschiedene Info-Stände und Ausflugsangebote im Stadtviertel geboten werden. Weitere Veranstaltungen findet man unter www.tag-des-offenen-Denkmals.de

Artikel vom 09.09.2014
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