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Handwerker-Präsident Hans Peter Wollseifer über Strategien, die Fachkräfte für morgen zu finden
München · »Das Handwerk übernimmt Verantwortung«
Maler- und Lackierermeister Hans Peter Wollseifer ist Präsident des ZDH (Zentralverband des Deutschen Handwerks), Präsident des Deutschen Handwerkskammertages und Vorsitzender des Unternehmerverbandes Deutsches Handwerk. Foto: ZDH / Ortrud Stegner
München · »Wir brauchen eine bessere Berufsorientierung auch schon an den Gymnasien«, sagt Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Auch angehenden Akademikern müsse man den Weg zu einer Karriere im Handwerk ebnen, um dem längst klar absehbaren Fachkräftemangel zu begegnen.
»Ohne Fachkräfte keine Zukunft«
Herr Wollseifer, alle reden vom Fachkräftemangel. Das Handwerk auch, wir groß sind Ihre Sorgen und Nöte?
Hans Peter Wollseifer: Fachkräftesicherung ist für uns ein elementares Zukunftsthema. In den kommenden zehn Jahren stehen bundesweit rund 200.000 Betriebsübergaben an. Ohne junge Fachkräfte haben diese Betriebe keine Zukunft. Und das wird sicherlich dann auch ein volkswirtschaftliches Problem. Ich warne ausdrücklich vor Zuständen wie in England. Da warten Sie auch schon mal ein paar Monate, bis jemand kommt, der das undichte Dach am Haus repariert.
- München · Hausgemachter Fachkräftemangel
Artikel vom 19.08.2014: Josef Schmid: »Ich habe nie verstanden, warum auf das Know-how von Älteren freiwillig verzichtet wird«
»Nichts so vielfältig wie das Handwerk«
Ende Juni wurden aktuell 30.000 freie Ausbildungsplätze in den Online-Börsen der Handwerkskammern angeboten, zehn Prozent mehr als vor Jahresfrist. Umgekehrt finden nicht alle Jugendlichen eine Lehrstelle. Was läuft denn da schief?
Wollseifer: Wir haben an dieser Stelle zwei große Problemfelder, an denen wir dringend arbeiten müssen. Einerseits erleben wir immer und überall, dass Angebot und Nachfrage sowohl räumlich wie auch berufsbezogen oftmals nicht zusammenpassen. Das heißt: Viele jungen Menschen konzentrieren sich bei ihrer Zukunftsplanung auf nur wenige Berufsfelder. Dabei ist keine Branche so vielfältig wie das Handwerk mit seinen 151 Berufen. Nun ist es unsere Aufgabe, das Handwerk so modern und attraktiv vorzustellen wie es tatsächlich ist.
»Unsere Gesellschaft hat sich verändert«
Handwerksbetriebe beklagen die mangelnde Ausbildungsfähigkeit vieler Jugendlicher. Lesen – Schreiben – Rechnen: Ungenügend! Ein Problem unseres Schulsystems?
Wollseifer: Die Zustandsbeschreibung ist grundsätzlich
korrekt. Wir dürfen die Schuld an dieser Stelle aber keinesfalls den Lehrern
zuweisen. Vielleicht liegt es ein Stück weit ja auch daran, dass die Betreuung
der jungen Menschen in Familien heute anders aussieht als noch in früheren
Generationen. Unsere Arbeitswelt hat sich verändert und damit auch unsere
Gesellschaft.
Viele Handwerksbetriebe haben sich inzwischen auf
schwächere Ausbildungsanfänger eingestellt. Die Unterstützung reicht von
Nachhilfe bei Wissensdefiziten bis hin zu ausbildungsbegleitenden Hilfen
gemeinsam mit den Arbeitsagenturen. Außerdem helfen ehrenamtliche Mentoren,
wenn während der Ausbildung private oder berufliche Probleme auftauchen.
Wir dürfen in diesem Zusammenhang einen zweiten Aspekt nicht verdrängen:
Der Migrantenanteil liegt in Köln bei rund 50 Prozent bei den unter 25-Jährigen.
In anderen Großstädten ist das nicht anders. Diese jungen Menschen sind
auch Teil unserer Gesellschaft und auch denen müssen wir Ausbildungsangebote
machen. Das Handwerk ist sich da seiner Rolle in der Gesellschaft durchaus
bewusst und übernimmt Verantwortung.
»Ich bleibe besorgt«
Bei all den Bemühungen des Handwerks - mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Wollseifer: Mit Blick auf die Reformen der Großen
Koalition in den ersten sechs Monaten bleibe ich besorgt. Die Arbeitsmarktpolitik
setzt aktuell zu sehr auf Verteilen. Dabei bräuchten wir mehr Investitionen
im Land, um zunächst einmal das erwirtschaften zu könne, was wir dann verteilen
wollen.
Und die Rentenpolitik geht in eine völlig falsche Richtung.
Die Betriebe haben sich seit dem Beschluss für »Arbeit bis 67« intensiv
mit der Fachkräftesicherung befasst. Im Handwerk wollen wir die Mitarbeiter
länger beschäftigen und qualifizieren sie. Wir brauchen sie als Fachkräfte
mit Erfahrung. Wir haben ihnen erklärt, dass dies aufgrund der demografischen
Entwicklung notwendig ist – zur Finanzierung des Rentensystems, zur Fachkräftesicherung.
Ich glaube, das war alles korrekt – und die Rückkehr zur Frühverrentung
ist eine Riesendummheit.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine
flexible Teilrente mit verbesserten Bedingungen für den Hinzuverdienst,
um einen gleitenden Übergang zwischen Beschäftigung und Rente zu erleichtern.
Sie muss ergänzt werden um Erleichterungen bei den Regeln für eine Beschäftigung
Älterer, die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Risiken für Arbeitgeber
ausschließen.
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