Unsichere Tagessicherheit

Landkreis Erding · Feuerwehren zwischen Anspruch und Arbeitswirklichkeit

Für andere da! Wenn es die Arbeit zulässt!	Foto: Klaus Kuhn

Für andere da! Wenn es die Arbeit zulässt! Foto: Klaus Kuhn

Erding · Der Jahresbericht der Freiwilligen Feuerwehr Zustorf (Gemeinde Langenpreising) für 2013 enthält einen knappen aber ernsten Satz: »FF Zustorf konnte mangels Feuerwehrler nicht ausrücken.«

Das war am 21. Oktober, 11.17 Uhr. Kernarbeitszeit. Es hat gebrannt, und die Feuerwehr hat ihre zentrale Aufgabe nicht wahrnehmen können, weil die Floriansjünger bei der Arbeit waren. Den Freiwilligen kann man nicht einmal einen Vorwurf machen. Sie waren einfach nicht da, hätten, selbst wenn der Meldeempfänger gepiepst hätte, niemals in einer vertretbaren Zeit das Gerätehaus und damit die Brandstelle erreichen können.

Eine Woche nach der Hauptversammlung der Zustorfer, bei der das bekannt wurde, im Osten des Landkreises: Kommandant Martin Grandinger der Feuerwehr Kirchberg richtet bei der Hauptversammlung seiner Wehr einen dringenden Appell an die Kameraden: »Bei Tagesalarm sind wir schwach besetzt. Ein Auto sollten wir voll kriegen.« Er findet leidenschaftliche Unterstützung von Kreisbrandmeister Richard Obermeier: »Fahrt’s! Irgendwo sind Leute, denen geholfen werden muss!« Wenn man denn könnte! Die Arbeitswirklichkeit von heute rüttelt an einem 100 Jahre alten System.

Die wenigsten arbeiten noch am Ort, gerade in der Boom-Region rund um den Flughafen. Ein Landwirt konnte schnell mal vom Feld herunter, in den Schutzanzug, und rein ins Feuerwehrauto, und diese Berufsgruppe ist heute noch stark vertreten in den Freiwilligen Feuerwehren. Aber deren Zahl nimmt bekanntermaßen ab. Die Auspendlerquote ist in vielen Gemeinden hoch. Wer zum Beispiel aus Moosinning am Flughafen arbeitet fällt während der Arbeitszeit für die Feuerwehr aus. Das hat Konsequenzen bis in die höchste Führungsebene: Kreisbrandrat Willi Vogl schlägt sich mit diesem Problem herum.

Selbst große Feuerwehren wie die von Langenpreising können nach ihm vorliegenden Einsatzberichten und Zahlen unter Tags nur maximal zwei Fahrzeuge besetzen. »Auf der Autobahn brauche ich aber drei! Wer kommt mit dem Sicherungsanhänger, um die Kameraden, die vorn bei der Arbeit sind, abzusichern?« Die integrierte Leitstelle in Erding muss geradezu Unmögliches leisten: Sie muss sicherstellen, dass das Material in der vorgeschriebenen Hilfsfrist an der Einsatzstelle ist. Wenn eine Feuerwehr sich nach Alarm nicht melden kann, eben weil niemand da ist, oder die paar, die kommen, die Meldung abgeben müssen: »Können nicht ausrücken, Personalmangel«, vergehe wertvolle Zeit. Vogl weiß das, und er muss die Alarmpläne nach den Stärkemeldungen vor Ort stricken.

Das Computersystem kann aber nicht wissen, wie viele gerade zum Gerätehaus eilen können. So kann es passieren, dass abends um 21 Uhr eine halbe Hundertschaft Freiwilliger sich einer brennenden Mülltonne annimmt. So etwas schafft natürlich auch wieder Frust. Dass unter solchen Bedingungen die Freiwilligen da sind, sich intensiv weiterbilden, und – wie jetzt im Fall des Hochwassers – bis zur physischen Erschöpfung schuften, wenn Menschen Hilfe brauchen, ist die andere Seite des Themas. Alle diese Hochwasserhelfer erhielten eine Auszeichnung des Innenministers, und die war verdient. kw

Artikel vom 10.04.2014
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