»Ich war verzweifelt«

Wie eine Mutter die Drogenabhängigkeit ihrer Tochter erlebte

Daher der Name »Crystal: Die Droge Methamphetamin in Form von Kristallen.	Foto: Polizei

Daher der Name »Crystal: Die Droge Methamphetamin in Form von Kristallen. Foto: Polizei

München · »Was habe ich falsch gemacht?« Clara Wenter (Name geändert) hat sich diese Frage unendlich oft gestellt. Eine ihre beiden Töchter ist drogensüchtig und abhängig von Crystal Meth.

Crystal Meth: Gehirn unter Dauerstress

Sie heißt Laura (Name geändert), ist heute 24 Jahre alt und erwartet in wenigen Wochen ihr erstes Kind. »Meine Tochter hat mir schwere Vorwürfe gemacht«, erzählt Clara Wenter, »wir Eltern seien an allem schuld.« Im Rückblick sieht die Mutter viele Faktoren, die aufeinandergetroffen sind, als Laura zwölf war – den Umzug in die Großstadt, den Wechsel der Schule, Stress, den Verlust der alten Freunde.

In der neuen Schule lernt Laura damals neue Freunde kennen: ältere Schüler, die wieder ältere kennen. Über sie kommt sie an Drogen. Sie geht nach der Schule nicht mehr nach Hause, mit 14 nimmt sie zum ersten Mal Heroin. »Sie griff zu allem, was es gab«, erzählt Clara Wenter, »selbst zu Schmerzpflastern für Krebspatienten.« Manche Drogen machen Laura ausgesprochen aggressiv. »Sie konnte von einem Moment auf den anderen völlig ausrasten.« Seit zwei Jahren konsumiert die junge Frau Crystal Meth. Lange wollen Clara Wenter und ihr Mann nicht sehen, was vor ihren Augen passiert: »Es ist ein fließender Übergang«, erzählt die Mutter. »Sie bemerken eine Veränderung bei Ihrem Kind, aber Sie können nicht gegensteuern. Ich habe ihr angesehen, wenn sie gekifft hatte, aber ich wollte es nicht wahrhaben.« Erst als sie im Zimmer der Tochter Fixerutensilien findet, stellt sie Laura zur Rede. Die lügt: »Sie gab sich entsetzt und sagte, das gehöre einem Freund. Süchtige können schauspielern, sie sagen das, was Eltern hören wollen.«

Die Tochter entgleitet den Eltern mehr und mehr, verschanzt sich hinter Lügen. »Als Eltern will man nicht verstehen, dass ein Kind so weit abgerutscht ist«, erklärt Lauras Mutter, »später habe ich ihr überhaupt nichts mehr geglaubt.« Der Vertrauensverlust schmerzt sie: »Es ist, als wenn etwas in einem kaputt geht.«Auf Ratlosigkeit, Unverständnis und manchen »dummen Ratschlag« stoßen die Eltern in ihrer schwierigen Lage im Bekanntenkreis. Drogensucht ist kein Phänomen von Randgruppen, sondern kommt in »ganz normalen« Familien vor.

»Sie erkennen: Ich kann es nicht ändern«

»Eigentlich kann Ihnen niemand helfen. Es ist schon viel, wenn man sich bei einer Freundin ausheulen kann«, erzählt die Mutter, »ich habe geweint und sie hat einfach nur zugehört. Mitleid ist das letzte, das man in so einer Situation braucht.« Auch die Lehrer können nicht helfen, wenn Laura nicht im Unterricht auftaucht, aber sie verständigen die Mutter sofort, der Kontakt ist sehr eng. Für Clara Wenter wird die Schule ein großer Rückhalt: »Dass man mein Bemühen um meine Tochter unterstützt hat, hat mir geholfen.« Ebenso dankbar ist sie der Polizei, mit der sie gute Erfahrungen gemacht hat, auch wenn die Hemmung, die Beamten um Hilfe zu bitten, zunächst groß ist. »Ich war verzweifelt. Die Polizei hat sich immer gekümmert und sich auf die Suche nach meiner Tochter gemacht.«

Als Laura 16 ist, spricht sie zuhause endlich über ihre Drogensucht: Für die Eltern ein Signal, dass sie Nähe zulässt. Dennoch bricht der Kontakt zwischen Laura und Eltern über Monate ganz ab. Erst mit ihrer Schwangerschaft hat sich das geändert. Laura sucht den Kontakt mit ihren Eltern nicht, lässt sich aber auf ihre Hilfe ein. »Durch die Schwangerschaft ist sie oft bei uns, wir haben guten Kontakt«, so die Mutter. Sie hat die Dinge in die Hand genommen, zu denen Laura sich nicht selbst aufraffen kann, zum Beispiel die Vorsorgeuntersuchungen. Carla Wenter ist nach Gesprächen mit den Ärzten guter Hoffnung, dass das Baby trotz der Sucht seiner Mutter gesund geboren wird. »Wir nehmen das Kind, um unserer Tochter den Weg zu ebnen, falls sie den Weg aus der Sucht schafft – da ist der Familienverband in der Pflicht.«

Es gibt viel Hilfsangebote für Drogensüchtige, weiß Wenter, »aber die Betroffenen müssen diese Hilfe auch wollen.« Ihre Tochter hat es versucht: Zweimal begann sie in den vergangenen Jahren eine Therapie, schaffte die Entgiftung und hielt vier Wochen durch – ehe sie doch wieder abbrach. »Die eigene Seele quält einen, bis man wieder zur Droge greift«, versucht Wenter, ihr Kind zu verstehen, »Laura sagt, sie kann nicht aufhören, zu denken. Ich kann mir nur vage vorstellen, was sie erlebt hat. » Resignieren ist für die Eltern keine Option. Sie stehen zu ihrer Tochter. »Sie müssen lernen, mit der Situation zu leben. Irgendwann nehmen Sie als Mutter oder Vater die Sucht Ihres Kindes an.« Das ist kein Aufgeben: »Wir sind mit der Sucht unserer Tochter nicht einverstanden«, meint Clara Wenter nachdrücklich, »aber Sie erkennen: Ich kann es nicht ändern.«

Welchen Rat kann man Eltern geben? »Es ist ganz schwer, Eltern etwas zu raten«, meint Wenter. »Dass sie für ihre Kinder da sein sollen? Ich war doch auch immer da!« Die Freunde der Kinder zu kennen, sei wichtig; Polizei, Schule und Jugendamt frühzeitig um Hilfe zu bitten; nicht misstrauisch zu sein, aber Dinge zu hinterfragen. »Achtsam sein«, meint die Mutter. »Zuhören. Die Kinder ernst nehmen.« job


Crystal Meth: Gehirn unter Dauerstress

Die Substanz Methamphetamin wird als Crystal, Crystal Speed, Crystal Meth oder als Meth bezeichnet und gilt als eine der gefährlichsten Drogen. Im Vergleich zu anderen Amphetaminen wirkt Crystal wesentlich stärker und führt schneller zu einer psychischen Abhängigkeit. Besonders gefährlich ist das Rauchen und Spritzen, da hier die Wirkung innerhalb weniger Sekunden eintritt und akute Vergiftungen auftreten können. Der Langzeitkonsum kann zu bleibenden Hirnschäden führen und mitunter tödlich verlaufen.

Körperliche Kurzzeitwirkung:

  • Blutdruck steigt
  • Schmerzempfinden und Schlafbedürfnis werden unterdrückt
  • Hunger und Durstgefühl sind herabgesetzt
  • starker Bewegungsdrang
  • aufgerissene Augen, Zähneknirschen und Grimassieren

Psychische Kurzzeitwirkung:

  • starke Euphorie
  • Größenwahn
  • erhöhte Risikobereitschaft
  • Wortfindungsstörungen
  • luststeigernde, enthemmende Wirkung

Körperliche Langzeitwirkung:

  • starker Gewichtsverlust
  • chronische Hautentzündung
  • Herzversagen
  • Nieren- und Leberschäden
  • Hirninfarkt durch Blutdruckkrisen

Psychische Langzeitwirkung:

  • Depressionen
  • Angstzustände und Panikattacken
  • Paranoia bis hin zu Psychose
  • starke Persönlichkeitsveränderung
  • rasche Abhängigkeit

Quelle: www.mindzone.info

Artikel vom 06.02.2014
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