Fusion mit Hindernissen nach 42 Jahren: Nur durch eine Straße getrennt

Zusatzschilder erinnern an kuriose Vereinigung von Grafing und Öxing

Die Bauhofmitarbeiter Markus Volkmann und Marinus Greithanner sowie Archiv- und Museumsleiter Bernhard Schäfer bei der Anbringung des Zusatzschildes »Öxing«. 	F.: Grafing

Die Bauhofmitarbeiter Markus Volkmann und Marinus Greithanner sowie Archiv- und Museumsleiter Bernhard Schäfer bei der Anbringung des Zusatzschildes »Öxing«. F.: Grafing

Grafing/Öxing · Anlässlich der letztjährigen 1200-Jahr-Feier des ältesten Grafinger Stadtteils Öxing gaben Archiv und Museum der Stadt Grafing Zusatzschilder zu drei Grafinger Straßen in Auftrag, deren Namen direkt oder indirekt an die einst eigenständige Siedlung erinnern.

Konkret handelt es sich um den »Franziska-Zellner-Weg«, die »Grenzstraße« und die »Oexinger Straße«. Mit ihren kurzen erläuternden Texten sollen die Zusatzschilder die Passanten in knapper Form über den Hintergrund der Straßenbenennung aufklären.

Die inzwischen fertiggestellten Schilder wurden nun vergangenen Dienstag, 21. Januar, vor Ort montiert. Bis die beiden Nachbargemeinden eins wurden, dauerte es Jahrzehnte: Genau 58 Jahre und einige Bürgerversammlungen und Abstimmungen gingen ab 1875 dabei ins Land.

Das aus heutiger Sicht Kuriose: Hatten sich die Öxinger nach einigen Vorbehalten endlich durchgerungen zu einer Fusion, standen mehrmals verwaltungstechnische Fehler der Vereinigung im Weg, erklärt Bernhard Schäfer vom Archiv der Stadt Grafing.

Innerhalb der Bevölkerung der beiden Nachbargemeinden Grafing und Öxing, die über Jahrhunderte hin schiedlich und friedlich nebeneinander existiert hatten und die vielschichtige gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle und kirchliche Verbindungen aufwiesen, rührten sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer stärker werdende Kräfte, die auch einen politisch-administrativen Zusammenschluss der miteinander verwachsenen und nur durch einen Straßenzug getrennten Kommunen forderten.

Einen ersten konkreten Anstoß zu einer Vereinigung der beiden Gemeinden gab am 23. Februar 1875 der Grafinger Brauereibesitzer Corbinian Wild. Er stellte damals nämlich in einer Sitzung des Grafinger Magistrats den Antrag, dieser möge die notwendigen Schritte zu einem Zusammenschluss der beiden Kommunen unternehmen. Er begründete seinen Antrag unter anderem mit finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Argumenten.

Da es Wild nicht gelang, die Anwesenden restlos von seinem Ansinnen zu überzeugen, so Schäfer, einigten sich die Magistratsräte lediglich darauf, erst auf eventuelle Initiative des Grafinger Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten hin tätig zu werden. 1877 gab es dann eine Versammlung, bei der 50 Stimmberechtigte für und 15 gegen die kommunale Vereinigung von Grafing und Öxing votierten. Für alle Versammelten schien damit die Angelegenheit zugunsten eines Zusammengehens von Grafing mit Öxing geklärt zu sein. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, wohin das Bezirksamt Ebersberg die Unterlagen über die Öxinger Versammlung und Abstimmung einreichte, erkannte aber eine Fehlinterpretation der gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf kommunale Abstimmungen. Konkret stellte man fest, dass bei der Öxinger Gemeindeversammlung am 7. Oktober nicht, wie vom Kommunalwahlrecht gefordert, zwei Drittel aller stimmberechtigten Gemeindebürger, sondern nur zwei Drittel aller bei der Versammlung anwesenden stimmberechtigten Gemeindebürger sich für eine Vereinigung von Grafing und Öxing ausgesprochen hätten und mithin keine rechtliche Grundlage für eine Fusion gegeben sei. Mit einem entsprechenden ministeriellen Schreiben vom 4. April 1878 kamen schließlich die Vereinigungsbestrebungen für längere Zeit zum Erliegen.

Erst als im Frühjahr 1926 in der Gemeinde Öxing ein vermeintlicher Wohnungsskandal und zwei fragwürdige Kanalbaumaßnahmen ruchbar wurden, war das Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung in den Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung so stark erschüttert, dass sich einige Bürger gehalten sahen, das Thema Vereinigung der Gemeinden Grafing und Öxing erneut aufzugreifen. In einer hierauf in dieser Angelegenheit vorgenommenen Unterschriftensammlung sprachen sich mehr als 300 Stimmberechtigte Öxinger und damit die Mehrheit für einen Anschluss ihrer Gemeinde an Grafing aus.

Auf dieser Basis stellten die Initiatoren der Unterschriftensammlung nicht zuletzt unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Effizienz einen Antrag an das Bezirksamt Ebersberg auf Zusammenlegung der Gemeinden. Eine offizielle Abstimmung der Bürger ergab 1926 eine deutliche Mehrheit für die Vereinigung (279 dafür und 25 dagegen). Ein Formfehler brachte die Zusammenlegung wieder zu Fall. Und so kam es letztlich den kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme erlassenen Gemeinde-Gleichschaltungsgesetzen vom 7. April und vom 10. Mai 1933 zu, so das Grafinger Archiv, den Weg für die Vereinigung von Grafing und Öxing zu bereiten. In ihnen nämlich wurde die Besetzung der Gemeinderäte nach dem Kräfteverhältnis des Ergebnisses der Reichstagswahl vom 5. März 1933 festgeschrieben. Auf Grund dieser Bestimmung kam es im Öxinger Kommunalgremium zu einer Konstellation, die einen Beschluss zu Gunsten der Vereinigung der beiden Nachbargemeinden möglich machte.

In einer auf den 11. Mai 1933 anberaumten Gemeinderatssitzung stimmten dann tatsächlich sechs Öxinger Ratsmitglieder für und nur drei gegen die »Einverleibung« der Gemeinde Öxing in die Gemeinde Grafing. Nachdem tags darauf der Gemeinderat Grafing einen von Seiten des Öxinger Gemeinderats gestellten Antrag auf Einverleibung einstimmig begrüßt und bedingungslos angenommen hatte, stand einer Fusion der beiden Kommunen unter Grafinger Führung nichts mehr im Wege. Entsprechend erging am 31. Juli 1933 eine Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, mit der die Gemeinde Öxing mit Wirkung vom 1. August 1933 an in die Gemeinde Markt Grafing einverleibt und mithin aufgehoben wurde.

Artikel vom 23.01.2014
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