Stadt plant im Frühjahr 2014 weitere Bodenuntersuchungen

Ebersberg · Wird Grafinger Feuchtwiese doch Baugebiet?

Bei einem Ortstermin an der Adalbert-Stifter-Straße erläuterte Naturschutzwart Günter ­Ettenhuber die Geologie des Gebietes, das bebaut werden soll. Foto: sf

Bei einem Ortstermin an der Adalbert-Stifter-Straße erläuterte Naturschutzwart Günter ­Ettenhuber die Geologie des Gebietes, das bebaut werden soll. Foto: sf

Ebersberg · Die vom Grafinger Stadtrat beschlossene Änderung des Flächennutzungsplans für ein Areal an der Nettelkofener- und Adalbert-Stifter-Straße hat in Grafing hohe Wellen geschlagen. Der Grund: Die Wiese, die zwischen einem kleinen Wald und der Ortsrandbebauung liegt und vom Melakgraben durchzogen wird, ist sehr feucht und wäre nur mit hohem technischem Aufwand bebaubar. Viele Bürger fragen sich, warum ausgerechnet dort Wohnungen entstehen sollen, wenn es im Stadtgebiet noch genügend andere Alternativen gibt.

Eigentlich hatte die Stadt das Thema auch schon vor zwei Jahren zu den Akten gelegt, nachdem im Rahmen einer städtebaulichen Vorplanung Bodenuntersuchungen negative Ergebnisse erbracht hatten. Eine Bohrung wenige Meter vom Melakgraben entfernt hatte ergeben, dass der Untergrund bis zu einer Tiefe von 4,6 Metern aus weichen, nahezu wasserundurchlässigen Wiesenkalken und Torf besteht laut Gutachter nicht geeignet für eine Bebauung. Daraufhin hatte der Stadtrat laut Feststellungsbeschluss vom 15. November 2011 nur eine »maßvolle Siedlungserweiterung« unmittelbar südlich der Nettelkofener Straße beschlossen, wo die Bodenverhältnisse unproblematisch sind. Laut Bürgermeister Rudolf Heiler hatte jedoch der Bauantrag einer Familie, die mittlerweile ein Haus am Rand der umstrittenen Fläche an der Nettelkofener Straße errichtet, erneut »eine informelle Entwicklungsplanung« des Gebietes erfordert.

Nach Aussagen von Grünen-Stadträtin Angelika Obermayr, die gegen das Projekt ist, seien die Planungen aber schon weiter fortgeschritten. Zwei Häuserzeilen mit Straße dazwischen seien im Gespräch. Am vergangenen Samstag lud die Bürgermeister-Kandidatin zusammen mit Grünen-Ortsvorstand Wolfgang Huber interessierte Bürger zu einem Ortstermin ein, bei dem der alteingesessene Grafinger und Naturschutzwart Günter Ettenhuber die geologischen Verhältnisse erläuterte: »Wir haben hier Schotterterrassen und Mulden, die durch die Vergletscherungen während der Eiszeiten bis vor 10.000 Jahren entstanden sind, zum Beispiel die Nettel­kofener Schotterterrasse«. Im Untergrund des umstrittenen Grundstücks sei der Schotter von Linsen wasserundurchlässiger Tone durchsetzt. Überall, wo sich der durchlässige Schotter und die dichten Tonschichten träfen, trete Wasser aus. Die Wiese sei ein verlandeter See, immer noch sehr feucht, tragfähige Bodenschichten befänden sich erst in mindestens vier Metern Tiefe. »Man müsste die Häuser auf Stelzen oder in Wannen bauen, aber erstens könnten sich das nur ›gut betuchte‹ Bauherren leisten, zweitens bestünde bei einer Wannenbauweise die Gefahr, dass das verdrängte Wasser durch den Druck an anderer Stelle aufsteigt und umliegende Gebiete überflutet«, erklärte Ettenhuber vor den rund 30 Grafingern, die gekommen waren. Die Stadt schließe zwar eine Bebauung zehn Meter rechts und links vom Melakgraben entfernt aus, »aber wahrscheinlich sind die Bodenverhältnisse 20 Meter weiter auch nicht anders«.

Einwände hatte es auch im Rahmen der Bürgerbeteiligung im Sommer gegeben, mit denen sich der Stadtrat vergangene Woche in seiner Dezember-Sitzung beschäftigte. Einige Bürger befürchten, dass Grafing dann noch öfters als bisher von Hochwasser heimgesucht werden könnte, wenn diese Wasserrückhaltefläche versiegelt würde – eine Gefahr, vor der auch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim in seiner Stellungnahme warnt. Dennoch beschloss das Gremium, weitere Bodenuntersuchungen in einiger Entfernung zum Melakgraben vorzunehmen. »Wir verfolgen aber kein großes, entwicklungspolitisches Ziel damit. Wenn herauskommt, dass eine Bebauung nicht möglich ist, dann ist das so. Je früher wir das wissen, desto besser. Wir sollten nicht erst bis zur Bauleitplanung warten«, so der Rathauschef, der die Aufregung in der Bevölkerung nicht nachvollziehen kann.

Kein Verkauf bekannt

Gerüchte, nach denen die Bebauung seitens der Stadt forciert werden soll, dementierte er: »Da entstehen Worthülsen, die mit dem Procedere nichts zu tun haben«. Auch ein verstärktes Interesse des Grundstücksbesitzers an einem Verkauf der Fläche sei ihm nicht bekannt. »Ich weiß nicht einmal, wem sie gehört«, sagte Heiler. Eine Genehmigung für die Bohrungen scheint demnach nicht erforderlich zu sein. Den Auftrag dazu will die Stadt laut Bürgermeister voraussichtlich im Frühjahr 2014 erteilen.

Von Sybille Föll

Artikel vom 05.12.2013
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...