Raum zum Erinnern

Gemeinde Poing plant einen »Bestattungsgarten«

Das Grundstück Am Hanselbrunnen soll künftig Trauernden ein Ort der Ruhe sein.	Foto/Grafik: Büro Prof. Kagerer/Wrulich

Das Grundstück Am Hanselbrunnen soll künftig Trauernden ein Ort der Ruhe sein. Foto/Grafik: Büro Prof. Kagerer/Wrulich

Poing · In den letzten Jahren hat ein Wandel in der Friedhofs- und Bestattungskultur stattgefunden. Konventionelle Gräber mit Grabstein und eingefasster Blumenrabatte sind immer weniger gewünscht, stattdessen steigt die Nachfrage an anonymen Urnengräbern.

Diesem Trend will nun die Gemeinde Poing Rechnung tragen, denn auch hier haben laut Bürgermeister Albert Hingerl die Urnenbestattungen im Laufe der Jahre deutlich zugenommen. Ein rund 1.000 Quadratmeter großes gemeindeeigenes Grundstück gegenüber dem Friedhof, angrenzend zum Sportpark, soll demnächst in einen sogenannten Bestattungsgarten umgewandelt werden. Im Bauausschuss stellte Annette Wrulich vom Landschaftsarchitektenbüro Prof. Kagerer, das mit der Erstellung des Bebauungsplanes beauftragt wurde, vier Varianten vor.

»Das Grundstück ist bereits von alten Fichten und Hecken umgeben, so dass es dort keiner neuen Bepflanzung bedarf«, erläuterte die Geschäftsführerin. Lediglich die Innengestaltung sei variabel, wobei die Urnengräber immer je nach Bepflanzung über das gesamte Grundstück verteilt seien – zum Beispiel rund um Obstbäume, wie in Planungsvariante eins, die einer Streuobstwiese ähnelt. Die zweite Variante sieht die Anordnung kleinerer Bäume nach Wahl in einer Art Anger vor, der über einen Weg durchschritten werden kann. Er mündet auf einen kleinen, überdachten Platz in der linken, hinteren Ecke des Grundstücks, der zur Straße hin durch eine Mauer abgegrenzt ist. In der ersten Variante befindet sich dieser Platz rechts. Möglichkeit Nummer drei: Überdachung plus länger gezogene Mauer, die nicht nur als Blickfang beim Eintreten in den Garten dient, sondern auch als Lärmschutz zum benachbarten Sportplatz. »Als Bepflanzung sind größere Laubbäume angedacht, so kann ein Spiel mit Licht und Schatten entstehen, beispielsweise durch die Mischung von hellem und dunklem Laub«, so Wrulich. Im Gegensatz zu den ersten beiden Varianten würde der Besucher über einen Weg rund um die gesamte Fläche geleitet. In der vierten Planungsvariante befindet sich das Dach direkt über dem Eingang, ansonsten könne der Bestattungsgarten »wild und natürlich« sein, mit Wald und Wiese oder blühenden Sträuchern, dazwischen die Urnenbereiche in Gruppen angelegt.

Nach ihrer Schätzung hätten auf dem Grundstück 250 bis 300 Urnen Platz, wenn man von einem Quadratmeter Platz pro Urne ausgehe. Die Einteilung erfolge in Parzellen, die der Begrünung angeglichen werden. Die Räumung eines Grabes ist in dem Bestattungsgarten nicht nötig: »Die Urnen sind alle biologisch abbaubar«, erklärt Hingerl. Nach einer gewissen Sperrzeit, die noch mit der Friedhofsverwaltung abgesprochen werden müsse, werde das Grab dann wieder freigegeben. Vorbilder für den Poinger Bestattungsgarten sind die Trauerwälder in den beiden niederbayerischen Orten Spiegelau und Bayerisch-Eisenstein. »Die habe ich mir angeschaut und mit den Bürgermeistern geredet. Sie sind sehr positiv eingestellt«, erzählt Hingerl. Nach Rücksprache mit den Poinger Pfarreien, die grünes Licht gaben, habe sich die Gemeinde dann für diese alternative Form der Bestattung entschieden. »Auf den Friedhof geht man ja nicht nur, um die Blumen zu gießen. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem sich Trauernde geborgen fühlen, wo sie hinkommen können, um sich zu erinnern«, so Hingerl. Demnächst wolle die Gemeinde aber noch ein weiteres Grundstück kaufen, um den konventionellen Friedhof zu erweitern. »Wir müssen ja in die Zukunft planen. Gerade bei einer Kommune mit einem solchen Wachstum wie Poing darf man bei der Infrastruktur die Friedhöfe nicht vergessen«, betont der Bürgermeister. In seiner Sitzung konnte sich der Bauausschuss noch nicht auf eine Variante für den Bestattungsgarten einigen.

Einige Mitglieder plädierten jedoch dafür, dem Bauhof, der ihn pflegen wird, die Arbeit nicht zu schwer zu machen, was beispielsweise bei Obstbäumen der Fall wäre. »Wir werden uns in den kommenden Wochen im Ausschuss und auf Verwaltungsebene für eine der Planungen entscheiden, dann stellen wir das Projekt dem Gemeinderat vor – voraussichtlich noch in diesem Jahr, vielleicht in einer der Dezember-Sitzungen«, sagt Hingerl. »Es ist so gut, dass es behutsam entwickelt werden sollte«. Sybille Föll

Alternative Bestattungsformen

In sogenannten Fried-, Ruhe- oder Trauerwäldern wird die Asche eines Verstorbenen in einer biologisch abbaubaren Urne an der Wurzel eines Baumes in einem dafür bestimmten Areal beigesetzt. Die Grabpflege übernimmt die Natur. Der Trauerwald in Spiegelau wurde 2006 als erster in Bayern eröffnet. Bestattungsgärten hingegen sind in der Regel von Gärtnern angelegte und gepflegte Flächen. In Köln beispielsweise, wo es mittlerweile drei dieser Art gibt, können die Besucher eine vielfältige Atmosphäre erleben – vom Auengarten, einem naturnah gestalteten Bereich mit Seerosenteich, bis zum Garten der Lichter im Stile eines japanischen Gartens, von den Partnergräbern bis zum Ruhehain.

Artikel vom 29.10.2013
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