Ein Stück Vision

Jeder Haarer produziert knapp sechs Tonnen CO2 pro Jahr

Helmut Dworzak. Foto: privat

Helmut Dworzak. Foto: privat

Haar · Das Thema Energie ist ein Dauerbrenner in Haar. Zwar stockt die Vision, Strom in Eigenregie durch Windkraft zu erzeugen, in den vergangenen zwei Jahren, weil das Vorhaben nur im Verbund mit benachbarten Kommunen realisierbar ist.

Nichtsdestotrotz ist man im Rathaus aktiv, realisierte nun ein Stück Vision: Die Gemeinde beteiligte sich mit 350.000 Euro am Windpark Schauenstein in Oberfranken, wo vier Windräder installiert werden.

Just diese Anlage würde reichen, um den gesamten privaten Strombedarf im Jahr in Haar abzudecken. Wie es um die Energiewende, CO2-Emissionen, Stromgewinnung per Fotovoltaik und Klimaschutz vor Ort steht, damit beschäftigten sich jetzt die Gemeinderäte. Laut Vertriebsleiter Rainer Mendel von den Gemeindewerken entspricht die Investition im Landkreis Hof einer zehnprozentigen Beteiligung. Das insgesamt knapp 20 Millionen Euro teure Projekt von einer Tochterfirma der N-Ergie AG ist auf 20 Jahre angesetzt. Der Baubeginn für die Windräder – Nabenhöhe 141 Meter, Rotordurchmesser 117 Meter – steht unmittelbar bevor, im Mai soll die Technologie ans Netz gehen und 9,6 Megawatt (MW) Elektrizität erzeugen.

Mit dem erworbenen Anteil können rund 700 Haarer Haushalte mit »grünem Strom« versorgt werden. »Der Ausstieg aus der Atomenergie ist politisches Ziel«, erklärte Bürgermeister Helmut Dworzak zur Entscheidung, die im Kommunalparlament bei einer Gegenstimme abgesegnet wurde. »Wir suchten schon längere Zeit nach einer Möglichkeit, neben Fotovoltaik in erneuerbare Energie zu investieren. Jetzt ergreifen wir eine gute Gelegenheit, die sich rechnet, und setzen ein Zeichen«, so das Gemeindeoberhaupt.

Experte Uwe Dankert, der ehrenamtlich örtliche Teilschritte und Modelle zur Energievision erarbeitet hat, zog im Gemeinderat eine Zwischenbilanz. Das Fazit: Der Stromverbrauch steigt, der Wärmeverbrauch geht zurück, die Hauptherausforderung bildet der Verkehr. »Wir müssen nachdenken, wie wir Schwung in dieses Thema reinbringen«, kommentierte Grünen-Fraktionssprecher Mike Seckinger das Resümee.

Haar verbraucht wie im Jahr 2009 rund 435 Gigawattstunden (GWh) sogenannte Endenergie im Jahr – 39 Prozent durch den Verkehr, 37 durch private Haushalte und 22 Prozent durch Gewerbe. Die Wärme hat einen Anteil von 46 Prozent, Kraftstoffe von 38 und Strom von 16 Prozent. Dabei fallen 117.000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen an. Umgerechnet pro Einwohner sind es fast sechs Tonnen CO2. Im Bundesdurchschnitt weist die Statistik rund 9,3 Tonnen CO2 aus. Die Wärmeversorgung per Erdgas, Fernwärme vom Blockheizkraftwerk Eglfing – dort wird seit Oktober 2012 Biogas verbrannt – sowie der regenerative Stromanteil ermöglichen den niedrigen Satz. Trotzdem mahnte Dankert: »Von diesem Wert muss Haar runterkommen.«

Erstaunt, ja teils erschrocken waren die Bürgervertreter ob einer anderen Tatsache: Der Anteil des aus Kernkraftwerken gewonnenen Stroms beträgt in Haar 25 Prozent – fast 40 Prozent höher als der bundesweite 2012er-Durchschnitt von 18 Prozent. »Haar produzierte so circa 46 Kilogramm Atommüll«, erläuterte Dankert. Indes ist der gestiegene Stromverbrauch pro Einwohner mit 1476 Kilowattstunden (kWh) gegenüber Bayern mit 1634 kWh und Deutschland mit 1706 kWh deutlich geringer. Glaubte man in der Vergangenheit, man sei in Haar bei der Stromproduktion durch Fotovoltaik »ganz gut« aufgestellt, wurden die Lokalpolitiker jetzt eines Besseren belehrt: Die 144 Anlagen in Haar erzeugten 3,6 Prozent des Stroms gegenüber 4,5 Prozent in der Bundesrepublik. Extremer sieht dabei der umgerechnete Wert pro Einwohner für Haar mit 0,14, Deutschland mit 0,40 und Bayern mit 0,76 aus. Der Anteil der bestückten Wohngebäude ist dabei in Bayern drei Mal so hoch wie in Haar.

Das Ergebnis der erstmals registrierten solarthermischen Einrichtungen, per Luftaufnahmen erfasst: 320 Gebäude haben Kollektoranlagen. Pro Einwohner sind’s in Haar 0,15, in Deutschland 0,20 und in Bayern 0,41 Quadratmeter. Wärmepumpen, so Dankert, »wurden verstärkt eingesetzt«, und zwar 84 an der Zahl, weitere 48 »können abgeschätzt werden.« ikb

Artikel vom 29.10.2013
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