Beim Olympia-Stammtisch der Wochenanzeiger diskutierten Leser, Sportler, Politiker und Unternehmer

„Nutzen wir die Möglichkeit, München wie 1972 fit zu machen!“

Annäherung? Olympiasieger Markus Wasmeier, Jannik Inselkammer (Augustiner) und Sabine Nallinger (Grüne). Foto: Iris Männel

Annäherung? Olympiasieger Markus Wasmeier, Jannik Inselkammer (Augustiner) und Sabine Nallinger (Grüne). Foto: Iris Männel

München · „Olympische Spiele werden 2022 stattfinden - mit uns oder ohne uns. Aber nur wenn wir uns beteiligen, können wir der Welt zeigen, dass die Spiele nachhaltig machbar sind!“ Hans-Ulrich Hesse vom Bayerischen Landes-Sportverband will „ein Zeichen für vernünftige Spiele“ setzen: „München wäre eben nicht Sotschi!“

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Beim Olympia-Stammtisch, zu dem die Münchner Wochenanzeiger in den Augustiner in der Fußgängerzone eingeladen hatten, begeistert sich Hesse für ein solches Signal und ruft die Kritiker einer Olympia-Bewerbung zum Mitmachen auf: „Nur wenn man sich beteiligt, kann man etwas ändern! Wir sollten Mitspieler sein!“

„Alles ist schon da“

„Viele der Argumente, die gegen eine Münchner Bewerbung um die Winterspiele 2022 ins Feld geführt werden, kann ich nicht nachvollziehen“, meint Olympiasieger Markus Wasmeier. „Die Menschen verstehen nicht, dass fast alle Sportstätten, die wir brauchen, schon da sind!“ Lediglich eine Fläche von 0,3 Hektar (weniger als ein halbes Fußballfeld) würde für die Spiele dauerhaft neu versiegelt, fügt Thomas Muderlak (Tourismus Initiative München) an. Daher ist „Nachhaltigkeit“ für ihn das wichtigste Argumente für die Münchner Bewerbung.

Das gilt auch für die finanzielle Seite, meint Hans-Ulrich Hesse: „Das IOC garantiert, die Durchführung der Spiele mit den Erlösen aus Tickets, Übertragungsrechten und Sponsorengeldern zu finanzieren.“ Er freut sich über die Zusage der Landesregierung, dass die Fördermittel für den Sport im Zuge der Olympia-Bewerbung nicht angetastet werden. Daher sei die Zustimmung in den Sportvereinen inzwischen sehr groß: „95 Prozent der Vereine haben zugesagt, die Bewerbung zu unterstützen!“

Die 1,8 Milliarden Euro, die Wirtschaft und öffentliche Hand ihrerseits aufbringen müssten, kämen indes der Infrastruktur im ganzen Land zugute. „Das ist der entscheidende Punkt“, unterstreicht Jannik Inselkammer (Augustiner): „Ohne Olympia kommt vieles an Infrastruktur gar nicht!“ Stadtrat Michael Mattar nennt konkrete Projekte, die Olympia anschieben könnte: Eine bessere Bahnverbindung nach Garmisch, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Flughafenanbindung: „Dafür wird zusätzlicher Druck entstehen!“

„Es gibt viele solcher Projekte“, ergänzt Thomas Muderlak und verweist auf die fehlende Umgehungsstraße für das enorm belastete Nadelöhr Oberau. „Ich habe jedesmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich durch den Ort durchfahren muss.“ Ohne Olympia werde die Entlastungsroute aber weitere Jahrzehnte auf sich warten lassen.

„Wir werden mehr Wohnungen haben“

Dass Olympia die Mietspirale weiter anheizt, wie Gegner der Münchner Bewerbung befürchten, glaubt Peter Kammerer (IHK) nicht: „Meine These ist andersherum: In den nächsten 17 Jahren werden etwa 250.000 Menschen nach München kommen - mit oder ohne Olympia. Olympia würde uns allerdings helfen, Lösungen für die Infrastruktur und den Wohnungsbau zu finden. Nutzen wir den Rückenwind, um wie 1972 München fit zu machen!“ Rudolf Stürzer (Haus+Grund) sieht in Olympia vor allem die Chance, dass Wohnungen schneller geplant und gebaut werden. „Alles muss rechtzeitig fertig werden: Auf einen Schlag würden tausende Wohnungen fertig!“ ist auch Jannik Inselkammer überzeugt. Seine Olympia-Bilanz ist einfach: „2023 würde München mehr Wohnungen haben als vor der Olympiade!“

Großereignisse wie Olympia leisten ihren Beitrag zur Entwicklung einer Stadt, so Kammerer. Karl Hofmeister pflichtet ihm bei: Er war 1972 im Olympia-Organisationskomitee und verweist auf die Impulse, die die Spiele 1972 für München brachten: „Etwas Besseres als Olympia konnte der Stadt 1972 nicht passieren. Was wäre zum Beispiel aus dem Olympiapark ohne die Spiele geworden? Bauhyänen hätten sich das Areal unter den Nagel gerissen!“ Verleger Adam Jürgen Bergmaier sieht es ähnlich: „Ohne die Olympiade 1972 hätten wir in München vieles nicht“, meint er und weist auf den Image-Gewinn hin, mit dem sich die Sommerspiele 1972 für München auszahlten: „Erst seit damals nimmt man uns in Deutschland richtig wahr.“

„Es geht nicht darum, ständig zu wachsen, sondern darum, die Region interessant in der Welt zu machen“, sagt Peter Kammerer und betont: „Alleine von der Bewerbung profitiert München, das schafft Aufmerksamkeit.“ Thomas Muderlak beziffert den Effekt mit dem Beispiel der Bewerbung um die Spiele 2018: „Die Bewerbung hat damals 30 Millionen Euro gekostet, aber das Zehnfache an Werbewert für München erbracht.“ Das erwartet Thomas Muderlak auch für den Fall, dass München die Spiele 2022 bekommt: „Wir können in München damit Geld verdienen“, erklärt er. Diese Chance werde kaum wahrgenommen. „Es kommt auch Geld herein!“

„Für den Mittelstand ein ,Geschenk‘ “

Viele Münchner Unternehmen unterstützen die Rudolf: „Das Taxigewerbe profitiert natürlich vom Tourismus, aber die Menschen kommen auch nach den Spielen, die Stadt bleibt in Erinnerung“, glaubt Frank Kuhle (Taxi eG). „Bevor wir eine Elbphilharmonie bauen, die nie fertig wird, und einen Flughafen in Berlin, der immer mehr kostet, sollten wir uns Olympische Spiele in München leisten: Da haben wir etwas davon!“

„Die kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe werden von Olympia profitieren“, ist auch Uli Faßnacht (Malerinnung) überzeugt. „Mein Handwerk steht voll und ganz hinter dieser ein maligen Chance.“ Der Obermeister nennt die Winterspiele „ein Geschenk“ und hofft auf bürgernahe Spiele: „Die Menschen werden Spiele erleben, bei denen sie tatsächlich dabei sind - und nicht nur vor dem Fernseher sitzen!“

„Wir geben dem IOC einen Blankoscheck“

Stadträtin Sabine Nallinger von den Grünen ist skeptischer. Ihre Partei hat sich den Olympiagegnern angeschlossen. „Viele Menschen sind hin- und hergerissen“, beschreibt sie ihre Erfahrungen aus zahlreichen Diskussionen um Olympia. „Gerade die Grünen haben das neue Konzept der Nachhaltigkeit für 2018 ins Spiel gebracht“, erinnert Nallinger und unterstreicht, dass Großveranstaltungen immer eine Möglichkeit der Völkerverständigung bieten. „Es müssen aber gute Großveranstaltungen sein“, so Nallinger, „wir als Stadt müssen dafür Standards und Regeln setzen können - schließlich tragen wir das Risiko.“ Zu Veranstaltungen wie Olympia könne man „nur dann Ja sagen, wenn für die Menschen hier etwas dabei herausspringt.“ Das lasse die Bewerbung um die Spiele 2022 nicht erkennen: „Jetzt geben wir dem IOC einen Blankoscheck“, kritisiert Nallinger. „Das sind unlautere Verträge. Wir haben 50 % Stimmrecht, aber 100 % Risiko: Das geht nicht!“ erinnert die OB-Kandidatin an die gescheiterte Bewerbung für 2018.

„Menschen zum Wählen bewegen“

„Wir Grüne nehmen eine wichtige Rolle ein, weil wir kritischen Stimmen eine Plattform geben“, meint Nallinger. Wenn Themen kontrovers diskutiert werden, müsse der Bürger mitentscheiden. Der Bürgerentscheid, den die Grünen eingefordert haben, sei wichtig und eine zeitgemäße Form der politischen Auseinandersetzung.

Dem stimmt Michael Mattar von der FDP zu. Er hatte - vergeblich - vorgeschlagen, den Entscheid zu Olympia vorzuziehen und zusammen mit der Bundestagswahl durchzuführen. „Da wäre die Wahlbeteiligung höher gewesen!“ Auch Thomas Muderlak ist vom Bürgerentscheid überzeugt: Auch das bedeute Nachhaltigkeit. Alle hoffen daher auf eine hohe Beteiligung an der Abstimmung am 10. November. „Wir wollen die Menschen zum Wählen bewegen“, sind sich Nallinger und Wasmeier einig.

„Freundschaft zwischen den Völkern“

Nallingers Stadtratskollege Alexander Reissl (SPD) teilt die Meinung, dass eine Veranstaltung wie Olympia vor allem eine Fest wäre, das Freundschaft zwischen den Völkern stiften könnte. Das ist sein Hauptargument für die Münchner Bewerbung. „Kleinkrämerisch“ seien viele Argumente der Gegner, meint Reissl. „Vieles ist nur vage dargestellt und - wie eine Mietpreiserhöhung - durch nichts zu belegen“, ergänzt Thomas Muderlak.

„Ich bin stolz, dass wir bei der Fußball-WM 2006 bewiesen haben, dass wir emotionale Gastgeber sind“, fügt Peter Kammerer an, „auch das hat uns Rückenwind gegeben!“ „Jeder macht sich erst über Negatives Gedanken“, beklagt Frank Kuhle, „es sollte grundsätzlich anders sein!“ Er verweist auf die Garmischer Autobahn, die in den 30er Jahren gebaut wurde, aber in München noch immer „Olympiastraße“ heiße. „Wir haben U-Bahn, S-Bahn und mit dem Olympiapark ein Gelände in der Stadt, von dem wir heute noch profitieren.“ Einen ähnlichen Anschub erhofft sich Christian Kaiser (Friseur-Innung) von neuen Spielen in München: „Ich sehe weniger den monetären Aspekt, sondern die Möglichkeit, nachhaltig Neues zu schaffen.“ Ihm geht es darum, dass Großveranstaltungen wie Fußball-WM oder Olympia dem Gemeinwohl zugute kommen: Nachhaltigkeit bedeutet für ihn etwa, dass die Sportstätten für die Bevölkerung dauerhaft erhalten bleiben. Im Gegensatz zu vielen anderen Olympiastädten ist München in diesem Punkt Vorbild: „Wir haben es geschafft, den Olympiapark von 1972 bis heute dauerhaft zu nutzen und zu erhalten“, so Markus Wasmeier nicht ohne Stolz.

„Wo stehen wir in 20 Jahren?“

Sich mit solchen Erfolgen zufrieden zu geben, sei allerdings gefährlich, betont Uli Faßnacht: „Man kann sich nicht auf dem ausruhen, was ist!“ Das sagt auch Adam Jürgen Bergmaier: „Stillstand ist Rückschritt!“ Für Jannik Inselkammer steht - wie für Kammerer - dabei nicht weiteres Wachstum im Vordergrund, sondern das Sichern der guten Situation, von der die Münchner profitieren. Die werde indes nicht von alleine gut bleiben: „Wir müssen sehen, wo wir in 20 Jahren stehen. Wie bekommen wir zum Beispiel die Verkehrsprobleme in den Griff? Dazu müssen wir jetzt Eckpunkte setzen!“ Olympia gebe einen sonst nicht zu bekommenden Anschub. „Um den Staus Quo zu erhalten, muss München etwas tun! Es geht jetzt darum, München in den nächsten zehn bis 20 Jahren auf dem Niveau zu halten, das wir erreicht haben“, so Inselkammer. „Auch wenn es einem gut geht, muss man dranbleiben!“ bekräftigt Rudolf Stürzer. Olympia gebe einen Schwung, „den wir vielleicht nicht heute oder morgen brauchen, der uns aber langfristig in jedem Fall gut tut!“

„Die Tür ist einen Spalt offen“

Die Stärke Münchens ist für Thomas Muderlak die beste Ausgangsposition für die Olympia-Bewerbung. „Wir müssen aber weiterarbeiten, damit es uns auch künftig gut geht!“ Entscheiden sich die Münchner und ihre Partner am 10. November für die Spiele, ist ihr größter Konkurrent Oslo. „Norwegen hatte die Spiele aber schon zweimal“, erinnert Michael Mattar, „und die Sportstätten dort wären viel weiter voneinander entfernt als bei uns“. In Mattars Augen hat die Isarstadt daher „gute Argumente, um den Punkt zu machen“. Olympiasieger Markus Wasmeier ist ebenso optimistisch: „Wir haben eine große Chance, die Tür ist schon einen Spalt offen!“ job

Was bringt Olympia?
Beim Olympia-Stammtisch im Augustiner diskutierten:
Jannik Inselkammer (Geschäftsführer Augustiner Brauerei)
Markus Wasmeier (Olympiasieger 1994)
Hans-Ulrich Hesse (BLSV-Kreisvorsitzender München)
Peter Kammerer (stv. Hauptgeschäftsführer IHK München und Oberbayern)
Thomas Muderlak (Vorstandvorsitzender Tourismus Initiative München e.V.)
Rudolf Stürzer (Vorsitzender Haus + Grund München e.V.)
Gerda Kunkel (war 1972 Olympia-Hostess)
Karl Hofmeister (1970-89 technischer Direktor Olympiapark)
Uli Faßnacht (Obermeister Maler- und Lackierer-Innung)
Christian Kaiser (Obermeister Innung für Friseure und Kosmetiker)
Frank Kuhle (Vorstand Taxi München eG)
Adam Jürgen Bergmaier (Herausgeber Münchner Wochenanzeiger)
Manfred Deckert (Leser Münchner Wochenanzeiger)
Peter Weinfurtner (Leser Münchner Wochenanzeiger)
Alexander Reissl (Stadtrat, SPD)
Michael Mattar (OB-Kandidat der FDP)
Sabine Nallinger (OB-Kandidatin der Grünen)

Olympia-Bewerbung 2022

Artikel vom 25.10.2013
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