»Wie Schachspiel am Boden!«

Kampfsport MMA: zu brutal oder spannender Sport?

Tino Hildebrand (kl. Foto links) und Daniel Tonke (r.) üben aneinander ihre Grappling-Technik. Sie sind auch außerhalb des Trainings gut befreundet.	Foto: sk

Tino Hildebrand (kl. Foto links) und Daniel Tonke (r.) üben aneinander ihre Grappling-Technik. Sie sind auch außerhalb des Trainings gut befreundet. Foto: sk

München · Zwei Sportler traktieren sich gegenseitig mit Schlägen und Tritten, versuchen den Gegner mit aller Kraft niederzuringen und das in einem Käfig. Im ersten Moment ein abschreckendes Bild. Wozu der Käfig? Das sieht doch aus wie bei wilden Tieren.

Während einer der beiden am Boden liegt, versucht der andere weiter auf ihn einzuschlagen. Das Spektakel, das da vor meinen Augen stattfindet, nennt sich Mixed Martial Arts oder kurz: MMA. Bis jetzt hatte ich davon nur gehört. Der erste optische Eindruck dieser Sportart lässt mich schaudern. Es sieht sehr brutal aus.

Der Coach und Unternehmer Cehan Julian Topal, Teilhaber des Privée Sports & Combat Club in Bogenhausen, erklärt mir, was es wirklich mit diesem Sport auf sich hat und worauf es dabei ankommt. Da er schon seit 25 Jahren Kampfsport ausübt, kann er mir erklären, welche positiven Effekte diese Sportart hat, warum Kritiker MMA ablehnen und warum man dieses Thema nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Mixed Martial Arts, zu Deutsch »gemischte Kampfkünste«, setzen sich, wie der Name schon sagt, aus mehreren Kampfsportarten zusammen: Stand-Up Kampf, also Boxen und Thaiboxen, und Bodenkampf mit Brazilian Jiu-Jitsu und Grappling (Griffmethoden). Die Sportler kämpfen in einem achteckigen Käfig, was zwar befremdlich aussieht, jedoch dem Schutz der Sportler und des Publikums dient, klärt mich Cehan Topal auf. Durch den gemischten Kampf werden die Gegner auch teilweise geworfen. Das wäre in einem normalen Ring, wie es ihn beim Boxen gibt, zu gefährlich.

Entstanden ist der Sport 1993 in den USA. Die Organisation Ultimate Fighting Championship (UFC) richtet regelmäßig Profikämpfe aus. In den USA ist MMA schon populärer als Boxen und auch in anderen Ländern wie Japan kommt dieser Sport immer mehr beim Publikum an. Der Grund dafür könnte die Vielseitigkeit des Kampfes sein. Denn die gemischte Kampfkunst ist überraschend und unvorhersehbar.

Ist MMA wegen der Vielseitigkeit so beliebt?

Ein MMA-Kampf ist vorzeitig beendet durch Knockout, einen Abbruch des Ringrichters oder aber durch Abklopfen in einer Submission, also durch Aufgeben, wenn sich ein Kämpfer aus einem Griff des Gegners nicht mehr lösen kann. Das Abklopfen verhindert schwerere Verletzungen. Sonst kann diese Situation beim unterlegenen Gegner zum Beispiel zu Knochenbrüchen führen. Amateur- und Profikämpfe unterscheiden sich in ihrer Rundenzahl und -länge. Die Sportler kämpfen drei oder fünf Runden, je drei beziehungsweise fünf Minuten. Das ist für die Athleten höchst kraftaufwendig. Deshalb versuchen sie, den Gegner so schnell wie möglich zur Aufgabe zu zwingen.

Bei meinem ersten Kontakt mit MMA habe ich diesen Kampfsport nicht als ein normales Hobby angesehen. Doch der Trainer Cehan Topal hebt die positiven Aspekte hervor: »Wer diesen Sport betreibt, bekommt alle alten Werte beigebracht: Man lernt Disziplin, Selbstbeherrschung, Respekt und Teamgeist. Man erlangt körperliche, aber auch mentale Stärke. Jeder Schritt beim MMA muss überlegt sein. Das ist wie Schachspielen am Boden!«

Bei meinem Besuch stelle ich fest, dass das Training sehr intensiv und umfangreich ist. Zuerst müssen sich die Teilnehmer circa 30 Minuten aufwärmen, bevor das Techniktraining beginnt. Dann folgen Boxtechniken und Bodenkampfmethoden. Am Ende der Trainingseinheit stehen Sparrings an. So wenden die Sportler das Erlernte im Kampf auch an.

Dabei steht die Sicherheit an oberster Stelle. Mund-, Tief- und Kopfschutz sind neben Schienbeinschoner und großen Boxhandschuhen erforderlich, damit sich während des Trainings niemand verletzt. Bei richtigen Kämpfen sieht das schon anders aus: Bandagen, MMA-Handschuhe, Mund- und Tiefschutz sind die einzigen Protektoren für die Sicherheit der Kämpfer. Das hat mich dann doch sehr schockiert, als ich so etwas zum ersten Mal gesehen habe. Den Besitzern der Kampfsportschule, Dominik Henneberger und Cehan Topal, ist es wichtig, dass Anfänger auf keinen Fall sofort mit MMA beginnen. »Der Sport ist viel zu gefährlich, wenn man noch keine Erfahrung hat. Man muss zuerst gut im Boxen und Thaiboxen sein.« Auch den Bodenkampf sollte der Sportler einzeln gut beherrschen, bevor er alle Arten miteinander kombiniert.

Es ist keine wilde Schlägerei

Kritiker bezeichnen Mixed Martial Arts als »Kämpfen ohne Regeln«. Topal lehnt diese Beschreibung ab und erklärt, dass es sehr wohl Verbote im Käfig gibt. Kratzen, Beißen und Haareziehen, aber auch auf den Hals schlagen, in die Augen fassen oder Tiefschläge sind untersagt. Mir wurde aber erklärt, dass verschiedene nationale Verbände unterschiedliche Abstufungen der Regeln haben. Ganz besonders in der Situation, wenn einer der Kämpfer am Boden liegt: In Deutschland ist es verboten, den am Boden Liegenden zu treten, in der UFC nicht. Dieses Bild wirkt auf mich sehr brutal und abschreckend. Dominik Henneberger, der als Promoter, Kämpfer und Coach Erfahrung im MMA gesammelt hat, erlebt diese Reaktion nicht zum ersten Mal und erklärt: »Diese Lage bedeutet nicht unbedingt, dass derjenige im Nachteil ist.

Genau das ist das Faszinierende an dem Sport. Wenn du am Boden in der scheinbar schlechteren Position bist, kannst du deinen Gegner mit technischen Mitteln ohne Schläge zur Aufgabe bringen.« Doch nicht ohne Grund sind Profi-MMA-Kämpfe im deutschen Fernsehen verboten. Durch die gemischten Kampfkünste wirkt dieser Sport für ungeschulte Augen gewaltüberladen. Die Verletzungsgefahr durch den Vollkontakt ist vergleichsweise groß. Doch diejenigen, die MMA trainieren, empfinden kein großes Risiko. »Man trainiert speziell darauf hin, sodass die Gefahr der Verletzung vergleichbar ist zu anderen Kampfsportarten«, berichten sie. Cehan Topal merkt an, es gebe im Fußball weitaus mehr Verletzungen als in der UFC. Den Vorwurf, MMA sei gewaltverherrlichend, weist er vehement zurück. »Die Kämpfer sind richtige Athleten, die sich für den Sport begeistern und ihre Kräfte messen wollen. Nach dem Kampf liegen sich die Gegner wieder in den Armen. Das ist Sportsgeist.« Doch der erfahrene Trainer warnt mich auch: »Bei Mixed Martial Arts geht es richtig zur Sache. Deswegen ist es so wichtig, dass Anfänger das nicht auf die leichte Schulter nehmen und optimal darauf trainieren. Doch wenn sie es erstmal können, ist es eine der interessantesten Sportarten, da in Verbindung mit Kräftemessen auch komplizierte Griffmethoden stehen, die vollste Konzentration von den Kämpfern fordern.«

Bei den Kritikern bleibt es trotzdem umstritten, ob Mixed Martial Arts die gefährlichste Sportart der Welt ist oder doch ein Kampfsport wie andere auch. Ich persönlich habe den anfänglichen Schrecken überwunden. Bei einem Kampf erkenne ich sogar schon einige Griffmethoden und fiebere gespannt dem Abklopfen entgegen. Ich sehe Mixed Martial Arts zwar immer noch als sehr gefährlich an, jedoch ist die Verbindung von Kraft und Geist eine interessante und spannende Kombination. Meiner Meinung nach verdienen die Kämpfer Respekt für ihren Sport, da sie schweres körperliches und mentales Training leisten. Von Stefanie Kaindl

Artikel vom 14.10.2013
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