Refugium Archiv

Dagmar Kramer kennt sich in Kirchseeons Geschichte gut aus

Dagmar Kramer möchte sich allmählich zur Ruhe setzen. Der Vortrag über das ehemalige Sanatorium war voraussichtlich ihr letzter. 	Foto: sf

Dagmar Kramer möchte sich allmählich zur Ruhe setzen. Der Vortrag über das ehemalige Sanatorium war voraussichtlich ihr letzter. Foto: sf

Kirchseeon · Nach der Sommerpause öffnet der Heimatkundeverein Kirchseeon am Sonntag, 13. Oktober, wieder die Pforten seines Museums über der ATSV-Halle. Bis März 2014 können die Besucher jeden zweiten Sonntag im Monat die Ausstellung besuchen, die diesmal unter dem Motto »Sport und Freizeit« steht.

Derzeit laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. »Wir sind dabei, alles zu reinigen, zu sortieren und aufzustellen«, sagt Dagmar Kramer. Die 77-Jährige ist Mitbegründerin des Vereins, der 1991 ins Leben gerufen wurde und Autorin der Kirchseeoner Chronik. Man könnte fast sagen, dass ohne sie Kirchseeons Geschichte auf diversen Dachböden verstaubt und vielleicht niemals ans Tageslicht gekommen wäre. Doch so langsam möchte sie sich von ihrem Ehrenamt zurückziehen und der Vortrag am vergangenen Freitag über das ehemalige Sanatorium, das 1970 abgerissen wurde, war vielleicht ihr letzter. Vielleicht. Denn die Ortsgeschichte ist ihre Leidenschaft geworden. Dabei kam sie rein zufällig dazu. 1981 zog sie mit ihrem Mann von Freising nach Kirchseeon. Ihren Beruf als Diätassistentin im Schwabinger Krankenhaus hatte sie mit der Geburt ihres Sohnes aufgegeben, stattdessen unterstützte sie ihren Mann erst bei seiner Arbeit als Sportreporter, später als Sekretärin in seiner Anwaltskanzlei.

»Ich hatte mit Geschichte also nicht viel am Hut«, erzählt sie und schlägt die Beine übereinander. Der Bürostuhl, auf dem sie sitzt, passt gerade so zwischen den Arbeitstisch am Fenster und dem ersten von drei Regalen, in denen Kramer ihre Dokumenten-Schätze hortet. Das Archiv im zweiten Stock des Rathauses ist ihr Refugium. Alles, was sie angeschleppt hat an Material, hat Kirchseeons früherer Bürgermeister Josef Miethaner in seinem Schrank verstaut. »Aber als er seinen Hut nicht mehr unterbrachte, hat er mir das Archiv eingerichtet«, erzählt Kramer lachend. Doch zurück zu den Anfängen: Bei einer Bürgerversammlung erfuhren die Kramers, dass die Gemeinde schon seit Jahren nach jemandem suche, der eine Gemeindechronik verfasst. Dagmar Kramer war der Meinung, dass das ja ihr Sohn machen könne, der damals 18 Jahre alt war. Um sich besser am neuen Wohnort zu akklimatisieren, dachte sie. Aber der hatte keine Lust. Also beschloss Kramer, es selbst zu machen. »Oral History«, zu deutsch »mündliche Überlieferung«, sollte ihr Spezialgebiet werden.

Dass vor allem alte Fotos bei den Menschen gut ankamen, merkte sie 1983, als sie für das zehnjährige Jubiläum der Volkshochschule eine Ausstellung konzipierte. »Die Leute waren sehr interessiert, und so begann ich, in die Häuser zu gehen und nach Fotos zu fragen.« Anfangs stieß sie auf Skepsis. Aber nachdem sich herumgesprochen hatte, dass sie sie nach dem Abfotografieren auch tatsächlich wieder zurückgab, hatte sie es leichter. Auch durch ihre offene, freundliche Art eroberte sich die geborene Berlinerin, die nach 69 Lebensjahren im Freistaat auch fließend Bayerisch spricht, die Herzen und das Vertrauen der Anwohner.

Quelle war auch das Staatsarchiv

Und immer, wenn sie die Fotos zurückbrachte, kamen die Menschen ins Erzählen. »Das war wunderbar! Und wichtig für mich, denn in der Gemeindeverwaltung gab es kein historisches Material.« Zusätzlich fuhr sie einmal in der Woche nach München ins Bayerische Staatsarchiv, um fünf bis sechs Stunden lang nach Berichten und alten Dokumenten über die Gemeinde zu stöbern – auch noch viele Jahre, nachdem die Chronik 1989 erschienen war.

Die vielen gesammelten Fotos zeigte Kramer 1985 bei einer ersten Ausstellung beim Kathreinmarkt. 800 Besucher kamen – so viele hatte die Ortschronistin nicht erwartet. So wurde daraus eine feste, jährliche Veranstaltung, zu der später bis zu 2.000 Interessierte kamen. Bald folgten Vorträge und eine Reihe an Schriften zu verschiedenen Themen, beispielsweise Augenzeugenberichte über den Einmarsch der Amerikaner im Frühjahr 1945 oder über die Wegkreuze im Gemeindegebiet. Insgesamt elf Bände wurden es im Laufe der Jahre, die sie im Eigenverlag veröffentlichte. Der letzte erschien 2010 und widmete sich den Fiat Autowerken. Besonders stolz ist Dagmar Kramer jedoch darauf, dass dank ihrer Recherchen die Namen der in den beiden Weltkriegen gefallenen Soldaten bekannt wurden und die Toten nun geehrt werden können.

Soldatennamen auf Tafeln veröffentlicht

Die rund 200 Namen, die Kramer bereits in der Ortschronik veröffentlicht hatte, stehen seit der Renovierung des alten historischen Kriegerdenkmals 2007 auf Bronzetafeln, die die Krieger- und Soldatenkameradschaft Kirchseeon anbringen ließ. Ehemann Elmar Kramer ist Schriftführer des Heimatkundevereins und half seiner Frau oft bei ihrer Arbeit. Am 13. Oktober erwarten die Kramers und andere Mitglieder des Vereins zwischen 14 und 16 Uhr die Besucher am Sportplatzweg 7 zur neuen Ausstellung. Sybille Föll

Artikel vom 01.10.2013
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