Puzzlearbeit Archiv

»Gedächtnispflege« in der Gemeinde Haar

Gemeinderätin Traudl Vater und Historikerin Kirsten Stahmann (v. l.) »managen« das Gemeindearchiv Haar.	Foto: ikb

Gemeinderätin Traudl Vater und Historikerin Kirsten Stahmann (v. l.) »managen« das Gemeindearchiv Haar. Foto: ikb

Haar · »Das Archiv ist das Gedächtnis einer Gemeinde«. Kurz und bündig erläutert Historikerin Kirsten Stahmann – seit Juni im Rathaus Haar aktiv – lächelnd Sinn und Zweck eines kommunalen Archivs. Die Aussage bestätigt Traudl Vater nickend.

Die vielfach engagierte Gemeinderätin, seit fast 24 Jahren im Gemeinderat vertreten, arbeitet tatkräftig wöchentlich zehn Stunden im Archiv. »Seit meinen Schulzeiten interessiert mich Geschichte, es macht einfach Spaß, Spuren zu verfolgen«, begründet Vater ihre Motivation. »Wir heben aber nur etwa zehn Prozent des Schriftguts auf«, ergänzt Stahmann. Dennoch gibt es Spuren zuhauf. Nicht zuletzt deshalb hat der Gemeinderat eine »Satzung über die Aufgaben und die Benützung des Gemeindearchivs Haar« erlassen.

Auf acht DIN-A-4-Seiten mit 17 Paragrafen und fast 50 Unterpunkten ist in dem Regelwerk alles detailliert erfasst. Grundlage dafür war ein vom Bayerischen Städtetag entwickeltes Muster für »Städte und Gemeinden mit hauptamtlicher Archivbesetzung«. Das Ganze basiert auf dem Bayerischen Archivgesetz von 1988, worin die »Pflichtaufgabe der Gemeinden in eigener Zuständigkeit« geregelt ist. Darin heißt es: »Archivsatzungen entfalten Wirkungskraft sowohl nach innen und außen. Sie normieren den Umgang mit Kulturgut, dessen Aufbereitung, Erforschung, Sicherung und Benützung unter Beachtung von Schutzfristen, Persönlichkeitsrechten und Urheberrechten«. Wer also das Archiv in Haar benutzt, verpflichtet sich zur Beachtung der Satzung. Im Archiv, das die Erforschung der Ortsgeschichte »fördert«, kann aufgrund „»von Vereinbarungen oder letztwilligen Verfügungen auch privates Archivgut« verwaltet werden. Interessant sind die Schutzfristen: »Soweit durch rechtliche Vorschriften nicht anders bestimmt, bleibt Archivgut für die Dauer von 30 Jahren seit seiner Entstehung von der Benützung ausgeschlossen«. Und Unterlagen, die sich auf natürliche Personen beziehen, dürfen erst zehn Jahre nach dem Tod des Betroffenen verwendet werden. Fast Kurioses fügt sich an: »Ist der Todestag nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 90 Jahre nach der Geburt des Betroffenen«.

Das Amtsdeutsch macht zumindest ein Stück weit klar, dass »viele mit einem Gemeindearchiv nichts anfangen können, weil Archive seit Jahrhunderten Institutionen sind, die wegen der Papierberge schwer zugänglich sind. Museen hingegen sind eben in den Köpfen stärker verankert«, kommentiert die studierte Historikerin. »Ein Archiv aufzubauen, das ist Puzzlearbeit, ist in vielen Gemeinden schwierig, hängt oft von den Finanzen ab – und von der Einsicht der Politiker, dass ein Archiv Nutzen bringt. Es ist auch eine Frage der Imagepflege. Überdies hat ein Archiv auch Funktionen bei Rechtsstreitigkeiten«, so Stahmann, die in Ismaning lebt. Und: »Ohne Ehrenamtliche mit ihren Kenntnissen und Kontakten, ja mit ihren Netzwerken, mit ihrer örtlichen Identifikation geht’s nicht«. Traudl Vater strahlt, gibt die Komplimente zurück: »Früher hat halt ein Lehrer was gesammelt. Ich find’s toll, dass Haar jetzt eine ›Gelernte‹ hat, die sich von außen alles anschaut, die das Fachwissen hat.« Stichwort Überblick: Bereits seit 2004 werden die Daten elektronisch verarbeitet.

Mit einer speziellen Software samt Suchfunktion erfassen und katalogisieren Stahmann und Vater Aktuelles und Recherchiertes aus der Vergangenheit, wobei auch auf das Staatsarchiv München zurückgegriffen wird. Personal, Räume und Computer kosten natürlich Geld – Steuergeld. Deshalb hat der Gemeinderat eine Gebührensatzung erlassen. Wer aber im Sinn und letztendlich zum Nutzen der Kommune sucht und die erarbeiteten Ergebnisse zur Verfügung stellt – wie etwa Schüler für eine Facharbeit, die Vereinigung »d’Salmdorfer« zur Vorbereitung der 1.000-Jahr-Feier im Jahr 2015 des Ortsteils oder Bürger bei der Familienforschung, also heimatkundliche, wissenschaftliche und private Aspekte verfolgt –, muss nichts bezahlen. Brauchen hingegen Unternehmen und Institutionen Dokumente, so müssen sie dafür bezahlen.

So wird beispielsweise die Erteilung von Auskünften oder Gutachten mit 20 Euro je angefangener halber Stunde Aufwand berechnet. Bei Fotokopien, Ausdrucken oder Daten auf einer CD/DVD sind bis zu vier Euro fällig. Teurer wird’s bei den Wiedergabegebühren. Für Abbildungen in Büchern, Broschüren, Zeitschriften oder elektronischen Medien kostet es je nach Auflage zehn bis 100 Euro, für je 10.000 farbige Postkarten sind 30 Euro fällig. ikb

Artikel vom 24.09.2013
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...