Vorteil: Sicherheit

Schulprofil »Inklusion« wird in Grafing schon lang umgesetzt

Klassenleiterin Melanie Beckes-Schäfer (r.) sorgt vorne für einen reibungslosen Unterricht, während Ute Wetteskind Fragen beantwortet. 	Foto: sf

Klassenleiterin Melanie Beckes-Schäfer (r.) sorgt vorne für einen reibungslosen Unterricht, während Ute Wetteskind Fragen beantwortet. Foto: sf

Grafing · Zum Schuljahresbeginn hat die Georg-Huber-Mittelschule in Grafing – als einzige Schule im Landkreis Ebersberg – das Schulprofil »Inklusion« erhalten.

Im Bildungswesen bedeutet Inklusion (aus dem Lateinischen »includere« = einschließen, beinhalten), dass Kinder mit sozialpädagogischem Förderbedarf gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf von einem sogenannten Lehrer-Tandem unterrichtet werden, bestehend aus einer Lehrkraft für Sonderpädagogik und einer für Regelschulen.

Für die Grafinger Mittelschule ist das nichts Neues: Denn die Einrichtung arbeitet schon seit über 20 Jahren eng mit dem benachbarten Sonderpädagogischen Förderzentrum, der Johann-Comenius-Schule, zusammen. Jedes Jahr nimmt die Mittelschule von dort zwischen sechs und zwölf Schüler in die fünfte Jahrgangsstufe auf, die meist Lernschwierigkeiten oder Defizite in der emotionalen und sozialen Entwicklung haben. Dafür kommen zur Unterstützung zwei Förderschullehrer für einige Stunden dazu.

Das »Lehrer-Tandem« in der Klasse 6b beispielsweise besteht aus der Klassenleiterin Melanie Beckes-Schäfer und der Förderschullehrerin Ute Wetteskind. »Es ist toll, gemeinsam für die Kinder da zu sein, man kann jedem Kind viel besser helfen. Genau deswegen bin ich Lehrerin geworden«, sagt Wetteskind. An diesem Mittwoch steht in den ersten beiden Stunden Mathematik auf dem Stundenplan. Doch der Tag wird zunächst mit einem Ritual eingeläutet:
Alle Kinder setzen sich zum »Morgenkreis« zusammen, Wetteskind zündet eine Kerze an und liest eine Geschichte vor. Dann wünschen sich alle im Chor einen »guten Morgen« und gehen zurück auf ihre Plätze. Als nächstes kommt die Hausaufgabenbesprechung. Ein Schüler nach dem anderen rechnet die Aufgaben vor, mittels Projektor erscheint jeder Rechenschritt an der Wand – gut sichtbar für alle. Während Beckes-Schäfer durch die Reihen geht und noch offene Fragen beantwortet, setzt ihre Kollegin die einzelnen Schüler an den Projektor. Für den anschließenden Jahrgangsstufentest, bei dem sowohl Team- als auch Einzelarbeit gefragt ist, wird das Klassenzimmer um den davorliegenden Gang erweitert. »Manche Kinder brauchen ab und zu das Gefühl von Freiheit«, erklärt Wetteskind, »und anderen gibt es die Möglichkeit, sich im Klassenzimmer zurückzuziehen«.

So würden sie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen. »Das Spannende ist, dass sie sich selbst organisieren«, sagt die Förderschullehrerin. Bei Aufgaben, die zu zweit bearbeitet werden sollen, würden sich die Kinder nicht nur Freunde suchen, sondern oft jemanden, von dem sie profitieren können. »Unser Konzept hat sich bewährt«, sagt die Leiterin der Mittelschule, Susanne Böhm. Viele der ehemaligen ­Förderschüler würden sogar ihren Hauptschulabschluss absolvieren. »Wir haben deshalb erst überlegt, ob wir das Schulprofil ›Inklusion‹ überhaupt annehmen sollen«, so Böhm weiter. Denn es ändere wenig.

Der Vorteil lautet Sicherheit

Der Vorteil, den die Schule jetzt habe, ist Sicherheit. Denn bislang musste beim Kultusministerium jedes Jahr erneut ein Antrag auf Genehmigung zusätzlicher Unterrichtsstunden mit Förderlehrkräften gestellt werden. Jetzt bekommt die Grafinger Schule automatisch 14 Stunden von der Regierung und 20 Stunden vom Förderzentrum finanziert. »Wir wollen aber kein ›Förderzentrum light‹ werden. Sinn der Inklusion sollte sein, dass förderbedürftige Kinder in der Nähe ihres Wohnortes zur Schule gehen können.«

Seit dem Schuljahr 2011/2012 sind in Bayern sämtliche allgemeinen Schulen gesetzlich verpflichtet, behinderte Kinder aufzunehmen. Eine Konsequenz der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die 2009 in Kraft trat und zum Ziel hat, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ohne Ausgrenzung und Diskriminierung zu ermöglichen. Doch viele Einrichtungen sind damit überfordert, weil es an geschultem Personal fehlt. Mit der Einführung des Schulprofils »Inklusion« zum Schuljahr 2012/2013, das inzwischen 30 Schulen in Oberbayern tragen, soll neben Kooperations- und Partnerklassen sowie der Inklusion einzelner Schüler ein weiteres Angebot für Eltern förderbedürftiger Kinder geschaffen werden.

Vorreiter für gemeinsames Lernen

Gleichzeitig dienen die Inklusionsschulen als »Vorreiter auf dem Weg, an allen bayerischen Schulen das gemeinsame Lernen, Arbeiten und Gestalten von jungen Menschen mit und ohne Behinderung weiter zu vertiefen«, heißt es in einer Stellungnahme der Regierung von Oberbayern. Sybille Föll

Artikel vom 24.09.2013
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...