Chaos an der Astrid-Lindgren-Grundschule durch Lehrermangel

Messestadt · Hilferuf von Schülern

Das Schulleitungsteam mit den beiden Konrektoren Hartmut Mehr (links) und Steffen Berner (rechts) und der Rektorin Käthe Endl-Winter.	Foto: privat

Das Schulleitungsteam mit den beiden Konrektoren Hartmut Mehr (links) und Steffen Berner (rechts) und der Rektorin Käthe Endl-Winter. Foto: privat

Messestadt · »Wir finden es blöd, dass wir immer aufgeteilt sind. Da können wir uns nicht konzentrieren.« So beginnt die E-Mail von drei Grundschülern der Astrid-Lindgren-Schule an den Bezirksausschuss (BA) 15, Trudering-Riem. Amrei, Leon und Lucia kommen manchmal viel zu spät in ihre Klassenräume, weil sie diese nicht finden. Der Grund sind zahlreiche ausfallende Schulstunden.

Wenn die Lehrer fehlen, dann müssen die Kinder in wechselnde Räume und Klassenverbände aufgeteilt werden, um eine Betreuung und einen eingeschränkten Unterricht irgendwie zu bewerkstelligen. Die Rektorin Käthe Endl-Winter erklärt dazu: »Die beschriebenen Zustände spiegeln die Realität an unserer Schule nicht wider. Wir sind mit Vertretungslehrern, den sogenannten »Mobilen Reserven«, gut ausgestattet.« Ihre Schüler, Eltern und der Elternbeirat jedoch behaupten: »Es ist schon vorgekommen, dass Kinder nach Hause gegangen sind, weil ihre Klasse verschlossen war oder den ganzen Pausenhof absuchten, während die Klasse in einem neuen Raum schon wieder Unterricht hat.« »Kinder irren durch das Schulhaus, Arbeitsblätter überfordern Schüler und Vertretungslehrer«, so die Vorwürfe der Eltern. »Die Arbeitsaufträge verstehen wir nicht und auch die Lehrer der neuen Klassen wissen manchmal nicht, was wir da machen sollen. In vielen Klassenzimmern fehlen dann auch Sitzplätze für uns, dann müssen wir auf dem Boden sitzen.

Und anschließend finden manche Kinder auch nicht mehr in ihre richtigen Klassenzimmer zurück«, heißt es von Schülern und Eltern. Die Schulleiterin kennt das Thema, verneint aber die Probleme: »Es passiert, dass akut aufgetretene Erkrankungen nicht unmittelbar durch Vertretungslehrer aufgefangen werden können und Zeiträume überbrückt werden müssen. In solchen Situationen teilen wir die Kinder nach Möglichkeit in Klassen innerhalb der Jahrgangsstufe auf, wo sie in den Unterricht integriert werden. Diese Kinder sitzen nicht auf dem Boden, selbstverständlich wird ihnen geholfen, wenn sie ein Zimmer nicht finden und ihre Anwesenheit kontrolliert,« so die Rektorin. Ansonsten griffen die »Mobilen Reserven«. Es sei, soweit Endl-Winter bekannt ist, in der Landeshauptstadt die Anzahl der dafür zur Verfügung stehenden Lehrer wesentlich höher, als die der betroffenen Schulen im Volkschulbereich.

Ein Vorzeigemodell für Lehrerversorgung schaffen

Trotzdem kann man sich in der stark wachsenden Schule vorstellen, dass Kinder Änderungen schnell überfordern. Die Grundschule an der Astrid-Lindgren-Straße ist vierzügig für 16 Klassen ausgelegt, hatte im laufenden Schuljahr aber bereits 28 Klassen.  Um die Engpässe zu verbessern, ist es der Wunsch des Elternbeiratsvorsitzenden Göksel Yargici an der Astrid-Lindgren-Grundschule eine feste, integrierte Reserve einzuführen. »Das gibt es für weiterführende Schulen, es ist aber bei Grundschulen bisher nicht vorgesehen.« Einen entsprechenden Vorschlag habe er Kultusminister Dr. Spaenle bei einem Informationsgespräch über Problemstellungen in den einzelnen Schulen im Münchner Rathaus unterbreitet. Er sei aber mit der Begründung »es sind genug Lehrer da«, abgewiesen worden. Genau so sieht es auch die Rektorin Käthe Winter-Endl: »Eine zentrale Verwaltung der »Mobilen Reserven« ist in meinen Augen sinnvoller als ein fester Vertretungslehrer für die Grundschule: Wenn mehr als ein Lehrer einer Schule ausfällt, wird umfassende Hilfe wesentlich schneller und effizienter realisiert.«

Yargici, Vater von vier Kindern, kommt bei seinen Beobachtungen zum Lehrermangel zu anderen Ergebnissen. Seine beiden älteren Töchter besuchen augenblicklich die Messestadt-Grundschule: Aliya die dritte Klasse und Salome die erste Klasse. »Bei unserer Schule mit 28 Klassen gehe ich davon aus, dass grundsätzlich immer mindestens eine Lehrkraft krank, auf Fortbildung oder schwanger ist. Letzteres ist an sich sehr schön und bei den größtenteils erfreulich jungen Lehrerinnen normal, aber hier aus reinen Kapazitätsgründen zu betrachten.« Somit, so finden er und andere Eltern, wäre die Grundschule ein Vorzeigebeispiel für die Besetzung mit einer festen integrierten Reserve. »Ich finde die Idee der integrierten Reserve für Grundschulen sogar passender als für weiterführende Schulen, denn in der Grundschule gibt es ja noch Klassenlehrkräfte, die alles unterrichten. Bei weiterführenden Schulen schaut das etwas anders aus«, so Göksel Yargici abschließend. Er hofft auf Verbesserungen, bevor seinen beiden Kleinen, sein dreijähriger Sohn Ruben und die erst einen Monat alte Manolya, mit ihren Schultüten in das große Abenteuer Lernen starten.

Die Rektorin ist unangenehm von den Vorwürfen, dem Kinderbrief und dem daraus folgenden Antrag der SPD-Fraktion und des gesamten BA 15 überrascht. »In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, warum Eltern ihre Beschwerden nicht an die Schule direkt richten«, so sie. Ihre Schule sei mit Personal bestens ausgestattet. »Wir haben über 40 Lehrerinnen und Lehrer an der Schule.« Die Klassenstärken sind dabei erfreulicherweise gering, da aufgrund des Migrationshintergrundes von über 50 Prozent die Schülerhöchstgrenze bei 25 Kindern pro Klasse liegt.

Verbesserung der Raumsituation allerseits gewünscht

»Ich hoffe, dass sich die Raumsituation für unsere Schule, aber auch für die angeschlossenen Kindertagesstätten wie das Städtische Tagesheim und die Mittagsbetreuung im kommenden Schuljahr deutlich verbessert. Für die Zukunft wünsche ich mir eine gute Versorgung mit Klassenzimmern und Gruppenräumen, sodass Fachräume, wie beispielsweise der Musikraum, wieder ihrer Bestimmung zugeführt werden könnten, und wir auch wieder ein breiteres Spektrum an Zusatzangeboten wie Hausaufgabenbetreuung, Lesefüchse, weitere Aktivitäten der Musikschule und Ähnliches hätten«, meint die Rektorin und stimmt in diesem Punkt völlig mit dem Elternbeirat überein. Bisher hat die Stadt München die Raumnot durch die übliche Belegung von Fachräumen als Klassenzimmer und der Umnutzung von Zimmern aus dem Förderzentrum gelöst. Außerdem wurde dem Kai Kinderhaus gekündigt. Letzten Herbst hat man insgesamt vier neue Klassenzimmer geschaffen, voraussichtlich im übernächsten Schuljahr sollen nun auch Container, die sogenannten mobilen Schulraumlösungen, kommen. Wie überall in den Grundschulen des Südostens gibt es eine Doppelnutzung der Kassenräume für die Mittagsbetreuungen und das Tagesheim. Angesichts weiterer Bauabschnitte in der Messestadt betont Käthe Endl-Winter, dass bisher nicht einmal das gegenwärtige Raumproblem der Schule gelöst ist.

Im kommenden September starten die Schulleiterin und die Astrid-Lindgren-Grundschule im äußersten Münchner Osten in das achte Jahr. Große Freude hat die Rektorin an der Arbeit mit den Kindern, den Kollegen und Mitarbeitern. »Die Weiterentwicklung unserer Grundschule bleibt dem Konzept »Sozialwirksame Schule« verpflichtet.« Endl-Winter lebt nicht in der Messestadt, verfolgt aber seit Beginn die Entstehung des Ostens. Dabei beeindrucken sie besonders die verschiedenen Stadtteil-Aktivitäten der Bewohner. Viele bereichern auch das Schulleben, wie die Teilnahme am Münchner Schulwettbewerb 2012 / 13 mit dem Projekt von Michael Lapper »Wir, der Müll und die Stadt« (wir berichteten). Zwei Lehrerinnen haben dabei mit ihren Klassen den ersten Preis für die Schule gewonnen.

bus

Artikel vom 16.07.2013
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