Wird die Messestadt bald zu einem Problemviertel?

Messestadt · Die Stadt soll helfen

Die Messestadt ist an vielen Stellen besser als ihr Ruf und bei Familien beliebt. Aber Fehlentwicklungen sollten jetzt angegangen werden.	Foto: bus

Die Messestadt ist an vielen Stellen besser als ihr Ruf und bei Familien beliebt. Aber Fehlentwicklungen sollten jetzt angegangen werden. Foto: bus

Messestadt · Steht die Messestadt auf der Kippe? Diese Sorge treibt die bürgerliche Mittelschicht und Familien um, die noch gerne hier wohnen und die Vorteile der guten Anbindung und der Nähe zum Grün genießen. Eine aktuellen Untersuchung des Sozialreferats und Begriffe wie Ghettoisierung und soziale Höchstbelastung, die im Zusammengang mit der Messestadt fallen, haben den Anstoß gegeben.

Anwohner und Lokalpolitiker sind sich einig, dass die Stadt jetzt gegensteuern sollte, damit das attraktive Viertel nicht zum Problemfall wird. Genau das thematisierte sich auch auf dem Bürgerforum, an dem ungefähr 250 besorgte Messestädter teilnahmen. »Die soziale Integrationsfähigkeit der Messestadt ist ausgeschöpft«, erklärt ein betroffener Familienvater stellvertretend für eine Vielzahl an Bewohnern, die persönlich in den Bezirksausschuss gekommen sind. Ein weiterer, signifikanter Zuzug von unterstützungsbedürftigen Personen richte sich sowohl gegen das Interesse der Bedürftigen als auch gegen das Interesse aller Messestädter. Denn der Anteil an Belegrechtswohnen in der Messestadt liege bereits um 684 Prozent über dem Durchschnitt der Stadt München. Deshalb fordern Bewohner die Stadt dringend auf, keinen weiteren geförderten Mietwohnungsbau mehr in der Messestadt zuzulassen.

Augenblicklich sind die Prognosen für die Messestadt düster und die Probleme augenfällig. Und auch wenn die Erhebungen des Sozialreferats und die Sicht des Sozialbügerhauses und anderer Einrichtungen sich naturgemäß stark auf Bedürftige konzentrieren und nicht alle Milieus beleuchten, wie die BA-Vorsitzende Stephanie Hentschel extra betont, lassen sich Schwierigkeiten durch die Konzentration von Problemfällen und soziale Spannungen nicht wegdiskutieren. Eine hohe Fluktuation belegt die Un-zufriedenheit der Bewohner von Sozialwohnungen. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, dann befürchten alle Parteien, wandern immer mehr Besser-Gestellte ab und die weitere Entmischung verschärft die Probleme des jungen Stadtteils. Die CSU betont, dass man schon seit Langem auf die sich anbahnende Schieflage hingewiesen habe und schon 2006 gegensteuern wollte.

Ein Stadtteil mit Potenzial

»Nicht alles, was auf dem Bürgerforum am letzten Montag angesprochen wurde, hat mich erfreut«, gesteht der Grüne Stadtrat Herbert Danner. Besonders die Gewofag stand in der Kritik. »Es ist jedoch toll, dass sich die Anwohner engagieren.« »Kein Ghetto, sondern ein Stadtteil mit viel Potenzial ist die Messestadt«, betont Georg Kronawitter, CSU. Aber angesichts der aufsehenerregenden Analyse des Sozialreferats müsse der Sozial-Wohnungsanteil in den bestehenden Bauabschnitten I-III von jetzt 70 Prozent auf die üblichen 30 Prozent oder zumindest auf 50 Prozent reduziert werden. Die CSU möchte deshalb Sozialwohnungen, die durch Umzüge frei werden, an Mieter ohne Förderungsvoraussetzungen vergeben und so mittelfristig wieder die bewährte und verträgliche »Münchner Mischung« erreichen. Überfraktionell fordern alle Parteien im BA, dass die Messestädter wesentlich stärker in die weitere Entwicklung ihres Stadtteils eingebunden werden. Angesichts der nun noch kommenden Bebauungen herrsche großer Unmut. Stark sei der Wunsch an einer intensiven Beteiligung am weiteren Planungsprozess. Die Stadt wird deshalb aufgefordert, jetzt den Rahmen für eine Bürgerbeteiligung in der Messestadt Ost zu geben und zu organisieren.

Aufruf zur einer sachlichen Debatte

»Emotionale Diskussionen und eine weitere Stigmatisierung der Messestadt schaden uns sehr und sind völlig fehl am Platz«, betont Susan Beer (SPD). Die überzeugte Messestädterin kämpft für ihr Viertel und weiß, dass schon jetzt Jugendliche fürchten, bei einer Bewerbung aufgrund der Messestadt-Postleitzahl aussortiert zu werden. Menschen, die hart arbeiten, aber trotzdem auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind, fühlten sich ausgeschlossen und hätten den Eindruck, sie seien hier nicht mehr erwünscht. Beer hält aber auch eine Belegungskommission für eine intelligente Lösung, um dafür zu sorgen, dass sich Problemfamilien nicht summieren und ganze Häuserblocks irgendwann nicht mehr zu beherrschen sind. Auch die SPD-Fraktionssprecherin Maren Salzmann-Brünjes plädiert dafür, die Fördermittel zurückzudrehen. Insofern können sich alle Fraktionen auch dem zweiten Bürgerantrag anschließen: Nicht mehr die Dringlichkeitsstufe soll alleiniges Kriterium sein, sondern eine stabile und sozial ausgewogene Belegung muss ausschlaggebend werden. Eine Änderung der Vergabepraxis müsse jetzt erfolgen, denn die Grenzen der Belastbarkeit seien bereits erreicht.

Auch die Grünen fordern jetzt eine Korrektur der sozialen Infrastruktur. Es könne nicht angehen, dass man aus den hiesigen Fehlentwicklungen nur Konsequenzen für weitere große Siedlungsprojekte in Freiham ziehe, auch wenn das natürlich richtig sei. »Bei der Umsetzung und Belegung der noch hinzukommenden letzten zwei Bauabschnitte hat die Stadt jetzt die Chance, nötige Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen und das soziale Klima zu verbessern«, so Herbert Danner. »Die verantwortlichen Referate müssen schnellstmöglich die Initiative ergreifen, bevor ein größerer Teil von Mittelstandsfamilien abwandert und dadurch die Situation vor Ort verschärft.« Danner kann sich außerdem auch eine Rückabwicklung bestehender Sozialwohnungen vorstellen. Neben einer stärkeren sozialen Durchmischung hält er auch mehr Begrünung und Entsiegelung in den überbreiten straßenbegleitenden Wegen der Messestadt für nützlich. bus

Artikel vom 21.05.2013
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...