Eine Schülerfirma des Heinrich-Heine-Gymnasiums mit Potenzial

Neuperlach · »Lost in Munich«

Das gesamte Team des Schülerunternehmens »Lost in Munich«.	Foto: privat

Das gesamte Team des Schülerunternehmens »Lost in Munich«. Foto: privat

Neuperlach · Ein eigenes Unternehmen gründen, das sich ein Schuljahr lang bewähren muss, so lautet das ambitionierte Ziel von 16 Schülern des Heinrich-Heine-Gymnasiums. Für zwei Schulstunden in der Woche sind sie Mitarbeiter bei »Lost in Munich«, ihrer »Firma«.

Wer Vorstandsvorsitzender oder Abteilungschef ist, arbeitet allerdings deutlich länger. Denn das Schülerunternehmen der 11. Jahrgangsstufe funktioniert wie ein richtiger Betrieb. Dazu gehören neben Masterplan und Produktion auch Gehaltsauszahlungen und Steuern.

Ausgangspunkt ist ein Praxisseminar, das die Schüler belegen müssen. Wer hier Wirtschaft wählt, wird am Heinrich-Heine-Gymnasium Firmengründer. Damit die Unternehmung auch klappt, gibt es Unterstützung, aber auch einen Pflichtenkatalog von »Junior«. Dieses Programm des Instituts der deutschen Wirtschaft steht für praxisnahen Unterricht. Das komplexe Thema Wirtschaft, ein großer Baustein unserer Gesellschaft, der im normalen Schulunterricht oft nicht ausreichend behandelt wird, rückt so in den Mittelpunkt. Damit die Schulfirma eine echte Erfolgsgeschichte wird, stehen den jungen Existenzgründern neben einer Patenlehrerin auch zwei erfahrene Aktivsenioren zur Seite. »Wir bringen Erfahrungen und Kenntnisse aus der Wirtschaft aus Sicht von Führungskräften ein«, erklärt Bernd Grossholz, einer der Seniorberater. »Dazu unterstützen wir bei formellen und wirtschaftlichen Fragen.«

»Die ersten vier bis fünf Wochen haben wir gebraucht, um unsere Geschäftsidee festzuzurren«, erklärt Michael Kürner. Er arbeitet in der Marketingabteilung und soll Kontakte zur Presse aufbauen. »Andere Schülerfirmen drucken beispielsweise lustige T-Shirts, aber wir wollten ein Produkt schaffen, das auch wirklich gebraucht wird.«

Kreativität ist später bei der Beurteilung ein wichtiger Auswahlpunkt. Denn »Junior« bewertet am Ende alle Projektunternehmen zunächst im Landeswettbewerb Bayern und dann in der bundesweiten Endausscheidung. »Außerdem wollten wir unsere Stärken einbringen, also die besonderen Fähigkeiten aus Neuperlach nutzen.« Das führte zur zündenden Produktidee: Eine multilinguale Informationsbroschüre, die ausländischen Fachkräften und Arbeitsmigranten den Start und das Einleben in München erleichtern soll. Von ausführlichen Informationen zum Münchner Nahverkehr über Behörden und Freizeitangebote bis zu den Bestimmungen der Pflichtversicherung reichen die Themen.

In insgesamt sieben Sprachen produziert »Lost in Munich« die Broschüre. Das bedeutet 90 Seiten, die professionell geschrieben, übersetzt und gestaltet werden müssen. »Für die Sprachen brauchen wir keine externen Übersetzer«, erklärt Michael Kürner. »Englisch und Spanisch können wir aus dem Schulunterricht abbilden, für Serbisch, Russisch, Polnisch und sogar Chinesisch haben wir Muttersprachler. Manchmal helfen uns auch die Eltern der Schüler.«

Wer will Chef sein, wer im Marketing arbeiten?

Anfangs galt es einen Meilensteinplan aufzustellen. Damit das junge Unternehmen nicht im Chaos versinkt, gibt es feste Regeln. Jedes Treffen muss beispielsweise protokolliert werden. Eine der zahlreichen Aufgaben der Verwaltung, die auch die Gehälter, 50 Cent pro Arbeitsstunde, auszahlt. Dann haben die mitarbeitenden Schüler sich auf ihre Position in den verschiedenen Abteilungen festgelegt. Für die Vorstands- und Führungsebenen wollte sich nicht jeder bewerben, denn hier droht besonders viel Arbeitsaufwand. »Ich muss die Arbeiten der einzelnen Abteilungen koordinieren und kontrollieren. Außerdem leite ich die wöchentlichen Unternehmenssitzungen, bei denen die bisherigen Ergebnisse vorgestellt und das weitere Vorgehen bestimmt wird«, erklärt Vorstandsvorsitzender Magomed Amaev. »Darüber hinaus vertrete ich das Unternehmen nach außen und halte Kontakt zur Junior-Geschäftsstelle. Anfangs habe ich mir die Aufgaben schwieriger vorgestellt als sie in Wirklichkeit sind und hatte zu große Angst davor. Mittlerweile fühle ich mich in meiner Position sehr sicher.«

In der Zwischenzeit ist jede Stelle in den Bereichen Inhalt und Produktion, Marketing, Finanzen und Verwaltung besetzt. Jeder kennt seine Aufgaben und ist schon gut eingearbeitet. »Als Leiter der Finanzabteilung bin ich mit meiner Position sehr zufrieden«, so der Schüler Simon Bodensteiner. »Bisher habe ich schon viel gelernt, was mir auch in meiner späteren beruflichen Praxis sicherlich helfen wird. Die Zusammenarbeit klappt sowohl in meiner Abteilung, also zwischen mir und meinen drei Kollegen, als auch im gesamten Unternehmen sehr gut.« Auch inhaltlich ging es voran. Die Infobroschüre steht bereits. Nun geht es um die Produktion. Ein Glück, das einer der Aktivsenioren nicht nur als ehemaliger, leitender Mitarbeiter eines großen Konzerns wertvolle Erfahrungen mitbringt, sondern auch konkrete Kontakte zu einer Druckerei hat. Diese unterstützt »Lost in Munich« bei der Erstellung eines druckfähigen Layouts.

Das nötige Startgeld kommt von 90 Anteilsscheinen, die die Jungunternehmer anfangs verkaufen durften. Wie bei einer Aktiengesellschaft funktioniert dabei die Finanzierung. Mittlerweile hat die Schülerfirma die ersten Sponsoren akquiriert. Sie erhalten Anzeigefläche in der Broschüre. Am Ende, da ist Kürner zuversichtlich, wird auch eine Dividende ausgezahlt. Gemeinsam hat man kalkuliert und beschlossen, eine Auflage von 500 Stück zu drucken. Weil den Schülern der direkte Kontakt zur Zielgruppe der Migranten fehlt, wollen sie ihre Infos über Firmen verkaufen. Siemens hat beispielsweise schon zugesagt, Exemplare zu kaufen und an seine ausländischen Mitarbeiter zu verteilen.

Was bleibt vom eigenen Unternehmen?

Erfrischend sei die Erfahrung, mal zu bestimmen, wo es langgeht und selbstständig etwas erarbeiten zu können, findet die Marketingleiterin Sylvia Leeb. Patenlehrerin Antonia Dachsberger fasst zusammen: »Die Schüler bekommen einen tiefen Einblick ins reale Wirtschaftsleben und erwerben Fachwissen aus den Bereichen Verwaltung, Consulting, Produktion und Marketing. Sie müssen Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen.« Dabei lernen sie ihre Ideen zu strukturieren und zu präsentieren. Für das spätere Berufsleben übt die Klasse so wichtige soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit und Selbstständigkeit. »Ich habe schon viele Projekte als Patin begleitet und bin immer wieder begeistert vom Engagement und der Kreativität der Schüler – und der festen Überzeugung, dass dieses Projekt die beste Vorbereitung auf das Berufsleben ist.« Und wer weiß, vielleicht gibt »Lost in Munich« den Anstoß für reale Existenzgründungen. bus

Artikel vom 26.03.2013
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