Poinger FM-Piloten bereiten sich auf Deutsche Meisterschaft vor

Poing · Flieger-Ballett

Volker Bräutigam, Rudolf Bartl und Tilman Longuet-Higgins (von links) präsentieren ihre derzeitigen Lieblingsmodelle. Foto: Gabriele Heigl

Volker Bräutigam, Rudolf Bartl und Tilman Longuet-Higgins (von links) präsentieren ihre derzeitigen Lieblingsmodelle. Foto: Gabriele Heigl

Poing · Es tanzt Ballett, Spitzentanz. Das etwa einen halben Meter lange Modellflugzeug schwebt senkrecht in der Luft, mit dem Propeller oben und dem Seitenruder unten. Es macht minimale Tänzelbewegungen und dreht sanfte Pirouetten.

Die passende Musik dazu liefert Ludwig van Beethovens Scherzo aus seiner neunten Sinfonie in einer Coverversion von David Garrett. Die mächtigen Klänge füllen an diesem Samstagabend die ganze Turnhalle der Poinger Realschule. Am Rand steht ein junger Mann mit einer Fernsteuerung vor dem Bauch: Er ist der Choreograph dieses sogenannten Aero-Musicals. Die Torque-Rolle, der eben beschriebene Fliegertanz, ist nur eines von vielen Flugmanövern, die der 18-jährige Tilman Longuet-Higgins zur Zeit besonders übt. Zusammen mit Vereinskameraden vom Ferngelenkte Modelle Verein Poing (FM) nimmt er an der Deutschen Indoor-Meisterschaft teil, die der Deutsche Aero Club (DAEC) am ersten März-Wochenende in Esslingen ausrichtet. Dort gibt es mehrere Wettbewerbe verschiedener Schwierigkeitsgrade. Aber das Highlight für die Zuschauer ist das Aero-Musical, eine Kür, bei der der Pilot sein Flugzeug zwei Minuten lang zu einer selbst zusammengestellten Musik tanzen lässt. (Sie können ein Video des Übungsflugs unterhalb des Artikels anschauen.)

Jeden Samstagabend kommen die Hobbypiloten zusammen, um ihren federleichten Fliegern Bewegung zu verschaffen, sie Looping, Turn, Rollenkreis, Punktrollen, Messerflug oder einen »hohen Hut« fliegen zu lassen. Es sind Flugmanöver dabei, die ein echter Pilot nie fliegen könnte, echte Kunststückchen, die nur Modellflieger schaffen.

An diesem Samstag sind es lauter männliche Piloten unterschiedlichster Altersstufen von neun bis 75 Jahren, die in der Turnhalle zusammen gekommen sind. »Aber wir haben auch sechs Frauen unter unseren 26 Mitgliedern«, meint Rudolf Bartl, der Vorsitzende des Vereins. Der 38-jährige Poinger, der bei der Gemeinde Feldkirchen arbeitet, ist froh, dass es so gute Trainingsbedingungen in Poing gibt. Denn außer der Realschul-Turnhalle steht den Hobbypiloten auch noch die Dreifach-Halle zur Verfügung. »Vom Landratsamt die Genehmigung zur Nutzung zu bekommen, war nicht einfach. Die wussten nichts von unseren Modellen, dachten, sie würden die Halle beschädigen, irre laut sein und stinken.« Aber selbst die größten Modelle, die zum Großteil aus federleichtem Kunststoff und Styropor bestehen, könnte man auf einem Finger balancieren lassen. Es sind auch Helikopter und Quadrokopter dabei, die weniger als 15 Zentimeter lang sind. »Bei einem Aufpralltest musste mein Flugmodell gegen einen Fußball antreten. Mein Modell war danach kaputt, aber alle Bedenken waren dann ausgeräumt«, so Bartl lachend. Zumal sich auch die Befürchtungen wegen der Motor-Lautstärke und -Geruchsbelästigung bei den geräuscharmen Elektromotoren als unbegründet erwiesen hatten; und das obwohl manche Modelle bis zu 100 Stundenkilometer schnell fliegen.

Trainingsräumlichkeiten zu finden ist nicht ganz einfach. Zwar kommen die meisten Mitglieder des Vereins, der seit 2003 besteht, aus Poing, Feldkirchen, Anzing und Markt Schwaben. Aber einige der Mitglieder nehmen jede Woche weite Wege auf sich. Sie kommen aus Vilsbiburg, Landshut, Ebersberg, Taufkirchen, Feldkirchen-Westerham. Aber was macht das schon, wenn eine Leidenschaft so stark brennt? Dann ist eben kein Weg zu weit.

Das Hobby ist auch nicht gerade billig. Eine gute Fernsteuerung kostet 300 bis 1.000 Euro, der Flieger zwischen 150 und 400 Euro, dazu kommt noch das Akkuladegerät. Und dann sollte man auch an ein Reparaturset denken. In einem Nebenraum der Turnhalle logiert während des Trainings die Werkstatt. Dort werden die gecrashten Modelle abgestellt, die, mit Sekundenkleber zusammengeflickt, auf ihren nächsten Start warten. Damit sich die Abstürze in Grenzen halten, kann jeder Anfänger-Pilot mit Flugsimulatoren am heimischen PC üben. »Das sind völlig reale Bedingungen«, so Bartl. »Sogar die entsprechenden Wettbewerbshallen kann man runterladen«, ergänzt der 75-jährige Poinger Christoph Hein.

»Zu 90 Prozent kommen wir zusammen aus Spaß an der Freude und nur zu 10 Prozent wegen eines bevorstehenden Wettkampfs«, meint Bartl. Dennoch hat Bartl ehrgeizige Ziele. Er ist nämlich Mitglied in drei Feuerwehren und träumt davon, bei einem Einsatz eine Multirotor-Drohne, die mit einer Wärmebildkamera bestückt ist, zu nutzen. Solche Drohnen haben nichts mit den militärischen Drohnen zu tun. Es handelt sich um Quadro- oder Oktokopter, etwa einen Meter im Durchmesser. »Wir Feuerwehrkräfte könnten damit wertvolle, menschenrettende Erkenntnisse gewinnen«, so Bartl. Er hat seine Idee schon Kreisbrandrat Gerhard Bullinger vorgetragen. Aber vorerst scheitert es an den Kosten. Der Helikopter kostet um die 2.000 Euro, die Wärmebildkamera bis zu 25.000 Euro, dazu braucht es noch ein GPS und nicht zu vergessen zwei Einsatzkräfte, die das Ding fliegen und die Kamera bedienen können.

Bartl hat aber noch einen Traum, der sich vielleicht schneller verwirklichen lässt: Er möchte, dass die Deutsche Indoor-Meisterschaft endlich einmal in Poing stattfindet. »Jedes Mal ist es daran gescheitert, dass die Dreifach-Halle keinen Wirt hat. Aber den brauchen wir zur Verköstigung der Zuschauer und des Kampfgerichts.« Gabriele Heigl

Aufnahme: Gabriele Heigl

Artikel vom 19.02.2013
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