Mittelschüler an der Perlacher Straße werben für mehr Toleranz

Giesing · Über den Tellerrand

Trommelsession für einen toleranten Blick auf die Mitschüler.	Fotos: bus

Trommelsession für einen toleranten Blick auf die Mitschüler. Fotos: bus

Giesing · Raus aus den Klassenzimmern und den gewohnten Schulstunden, hieß es letzte Woche für alle Schüler der Mittelschule an der Perlacher Straße 114. Über 30 Workshops standen zur Auswahl, denn die ganze Schule inklusive Hausmeister und Erwachsenen widmete sich kreativ mit viel Einsatz und Spaß dem Thema Toleranz.

Die 280 Schüler durften unter vielen spannenden Projekten in und außerhalb der Schule wählen und dann ging es gemeinsam mit Lehrern, Künstlern und Kulturpädagogen los. Nach vier Tagen wurde die Schule zur Bühne für die Präsentation der Ergebnisse in einer öffentlichen Abendveranstaltung mit Rap und Autorenlesung. Ermöglicht hat die Projektwoche CultureClouds, die zu Spielen in der Stadt e.V. gehört und vom Sozialreferat gefördert wird.

Am Montagfrüh fiel der Startschuss. Die Schüler durften sich ihren eigenen Stundenplan für vier spannende Projekttage zusammenstellen. Songs schreiben, Kurzfilme drehen, Comics zeichnen, Collagen erstellen, Theaterstücke und Choreografien entwickeln. Das waren nur einige Angebote in der Projektwoche Toleranz. In einem Workshop kochten die Schüler mexikanische, türkische und andere ausländische Gerichte. Neben dem gemeinsamen Einkaufen und Kochen ging es anschließend beim Essen auch darum, die Tischsitten anderer Länder kennenzulernen. Andere starteten zu einer Exkursion in die Stadt, beispielsweise ins Jüdische Museum. Eine Schülergruppe machte sich auf in die Nachbarschaft und befragte Passanten. München ist bunt und besteht aus vielen verschiedenen Gesichtern war ein Ergebnis dieses Workshops. Die Schüler hielten ihre Gesprächspartner auf Fotos fest und gestalteten anschließend Collagen zu den Interviews.

Deutsche sind überordentlich und superpünktlich

Vorurteile über Nationalitäten und wie wir damit umgehen können, hieß ein Workshop, dem sich die Klassenstufen 7 bis 9 widmen durften. Dabei fanden sich erst einmal zahlreiche Pauschalurteile wie: »Griechen sind arm, Iraker selbstverliebt, Türken heiraten gerne Verwandte, Polen klauen und die überorganisierten Deutschen essen nur Schweinshaxe und Kartoffeln«. Dann hieß es gemeinsam aufräumen mit diesen Denkmustern.

Die Schüler forschten in ihrer Vergangenheit, markierten auf der Weltkarte, aus welchen Ländern sie stammen und gingen der Frage nach, warum sie heute in Deutschland leben. Ganz unterschiedliche Gründe zeigten sich hier: Von Flucht und Aufbruch aus Kriegs- und Krisengebieten, teilweise abenteuerlichen Wegen nach Deutschland, persönlichen Schicksalen wie Diabetes, die hier besser behandelt werden kann, über neue Arbeitsplätze für den Opa oder Vater bis hin zu der Aussage: »Ich bin hier geboren.« Einwanderung gestern und heute konnten die Schüler direkt erleben und ihre Heimat positiv statt vorurteilsbeladen darstellen. Von Mazedonien wurde dabei beispielsweise berichtet, dass Frauen Kopftücher tragen und viele Kinder bekommen, aber auch von der schönen Natur, der Lebensfreude der Menschen, der Wärme und nicht zuletzt vieler Feiertage. Lehrer Michael Gruber, der diesen Workshop begleitet hat, war fasziniert: »Bei den Gesprächen sind ganz persönliche Dokumentationen entstanden, die unsere Schüler in neuen Zusammenhängen zeigen und die anderen sehr interessierten. Wir haben dazu Filme gedreht, die wir allerdings nur intern nutzen möchten. Sie sind ein kleines Stückchen Zeitgeschichte.«

Anspannung, Streit und Konflikte lösen

Spannend war auch der Theaterworkshop und -parcours »Wie geht es weiter?«. Die 5. und 6. Klassen haben dabei den Tag mit einer Meditation begonnen und dann eine kurze Theaterszene aufgeführt. Hierbei spielten sie einen Streit oder Konfliktfall, der aggressiv endete. Dann ging es im Workshop darum, jeweils diesen konkreten Fall zu lösen. »Der Ton macht die Musik und die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen«, erklärt die Leiterin dieses Angebots bei der Abschlusspräsentation in der Turnhalle. Denn am Ende der Woche ist Vorführtag. Jede Gruppe zeigt, was sie gemacht hat. Plakate, Filme, Tanzvorführungen, Trommelsessions, Gesang und Bilder kommen auf die Bühne. Außerdem erzählen die Schüler und Lehrer von den persönlichen Eindrücken. In der Theatergruppe wurden beispielsweise nicht nur die konkreten Konfliktsituationen gelöst und dann szenisch neu dargestellt. Es ging auch darum, den eigenen Körper bei Gleichgewichtsübungen wahrzunehmen. Vertrauen in sich selbst und andere war dabei ein wichtiger Baustein.

Das Toleranzfest bereits am Donnerstagabend als öffentlicher kultureller Abend war von Schülern, Nachbarn und Eltern gut besucht. Viele Klassenzimmer waren geöffnet. Jeder durfte sich die Arbeit der Woche ansehen. Einen ersten Überblick gab auch ein Film über die Projektwoche, der im Workshop Dokumentation entstanden ist und viel Applaus bekam. Highlight und Partyabschluss war der Auftritt des Münchner Rappers Lea-Won und der Rap und HipHop-Talente der Mittelschule. Denn während der Projektwoche sind in einem Workshop Texte und Beats entstanden, die sogar in einem professionellen Tonstudio eingespielt wurden. Und was bleibt von der Projektwoche, wenn nun alle in die Ferien abschwirren? Eine ganz neue Schulerfahrung mit frei wählbaren Angeboten und selbstgestalteten Projekten. Austausch, Vertrauen und mehr Verständnis für die Mitschüler und ihre Persönlichkeit. Was noch bleibt sind viele Dekorationen im Schulhaus sowie ein Zeichen für mehr Toleranz in der Mittelschule. bus

Artikel vom 12.02.2013
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