Ausgabe 01/2013

Oberschleißheim · Die Bürgermeisterin informiert

Erste Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler

Erste Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler

Oberschleißheim · Liebe Bürgerinnen und Bürger, vor wenigen Wochen erreichte uns die Mitteilung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, dass die drei großen Gebäude am Stutenanger 6, 8 und 10 nun veräußert werden sollen.

Sie können sich vorstellen, wie sehr mich diese Entwicklung überrascht hat, da noch im Sommer letzten Jahres die Rede von einer umfangreichen Sanierung mit einem Kostenaufwand von 11,5 Mio. € war.

Um Sie als Betroffene zu informieren, welche Konsequenzen sich aus einem Verkauf der Liegenschaften für die Mieterinnen und Mieter ergeben, welche Möglichkeiten der Einflussnahme die Gemeinde hat und welche Modelle für eine Übernahme der drei Wohnblöcke denkbar sind, hat die Gemeinde am 10. Dezember 2012 zu einer Ortsteilversammlung in das Bürgerzentrum eingeladen. Dafür konnten wir Fachleute gewinnen, die aus eigener beruflicher Erfahrung berichteten. Besonders freute es mich, dass auch die VBL einen Vertreter schickte, der auf Fragen der Bürger antwortete.

Wie groß das Interesse ist, zeigte die hohe Zahl von Besuchern. Etwa 300 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen und informierten sich aus erster Hand beim Mieterverein München und der GIMA, die genossenschaftliche Ansätze zur Übernahme der Liegenschaften vorstellte. Schon gleich zu Beginn der Arbeiten am Ortsentwicklungskonzept für die Gemeinde war klar, dass ein neuralgischer Punkt die Blöcke am Stutenanger sind, wo zum einen dringender Handlungsbedarf besteht, zum anderen die Gemeinde aber auf die enge Absprache mit den Eigentümern angewiesen ist.

In den 60er Jahren entstanden – nicht nur in Oberschleißheim, sondern überall, wo großer Siedlungsdruck herrschte – die Gebäude am Stutenanger. Damals entsprachen sie den Anforderungen, die die Menschen an ihre Wohnung stellten: zentrale Lage, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe, Neubau, gute Ausstattung und ein grünes Umfeld mit Kinderspielplatz und Tiefgarage. Die Mieter fühlten sich wohl.

Doch im Lauf der Jahre, in denen leider wenig in den Erhalt oder die Renovierung der Häuser investiert wurde, hat sich die Situation verändert. Inzwischen können wir mit Fug und Recht von einem hohen Sanierungsstau sprechen. Viele Wohnungen stehen leer, die Fassaden bröckeln und die Außenanlagen laden nicht zum Verweilen ein. Eine grundlegende Sanierung wäre dringend erforderlich. Und hierbei hatte ich auf die tatkräftige Unterstützung der VBL gehofft, da ich bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts von einem Verhandlungspartner mit hohem sozialen Verantwortungsbewusstsein ausgegangen bin. Einem Verkauf an ein beliebiges Unternehmen, das in erster Linie eine hohe Rendite des Objekts im Blick hat, werde ich mit allen Mitteln entgegenwirken. Denn auch wenn die Wohnungen in Teilen große Defizite aufweisen, sind sie doch für Oberschleißheim wichtig: Jede Gemeinde braucht Mietwohnungen, die sich auch Menschen mit niedrigen oder mittleren Einkommen leisten können. Eine gesunde Mischung aus Eigenheimen, Eigentums- und Mietwohnungen in verschiedenen Preisklassen sind ein wichtiger Faktor für eine funktionierende Gemeinde.

Deshalb hat für mich der Schutz der Mieterinteressen oberste Priorität. Und dieser Mieterschutz muss über das hinausgehen, was die Gesetze ohnehin vorschreiben. Denn viele Bürgerinnen und Bürger leben seit Jahren in ihrer Wohnung, haben diese Wohnung in Schuss gehalten und haben jetzt Angst, auf Wohnungssuche gehen zu müssen, was - wie wir alle wissen – im Großraum München nicht einfach ist. Wir fordern einen Mieterschutz XXL, der vor allem die langjährigen und die älteren Mieter vor immensen Mieterhöhungen oder Kündigungen schützt. Eine Sozialcharta mit weitreichenden Vereinbarungen, die mit jedem einzelnen Mieter schriftlich abgeschlossen werden, erscheint mir hier als ein gangbarer Weg.

Gemeinsam mit dem Mieterverein München haben wir einen solchen Forderungskatalog ausgearbeitet und werden nun in Gespräche mit dem derzeitigen Eigentümer gehen mit dem Ziel, dass eine solche Vereinbarung mit jedem einzelnen Mieter abgeschlossen wird. Es ist mir klar, dass es hier Widerstände geben wird, doch möchte ich daran glauben, dass der VBL – wie anlässlich der Ortsteilversammlung zugesagt – der Mieterschutz am Herzen liegt.

Im Wortlaut soll diese Sozialcharta folgendermaßen aussehen:

»Die Parteien sind sich darüber einig, dass es bei einem Verkauf der Wohnungen am Stutenanger 6, 8 und 10 in Oberschleißheim keine Schlechterstellung der Mieter geben darf.

  • 1. Der Erwerber verpflichtet sich, alle zu Gunsten der Mieter geltenden Rechte, sowie in den Mietverträgen vorgeschriebene Regelungen strikt einzuhalten und nicht zu unterlaufen. Der Bestand etwa bereits vorhandener mieterbegünstigender Zusatzregelungen wird von dieser Charta nicht berührt.
  • 2. Für alle zum Zeitpunkt des Kaufvertrages bestehenden Mietverhältnisse wird eine Kündigung des Mietvertrages wegen Eigenbedarfs und Behinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung ausgeschlossen. Für Mieter, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das 60. Lebensjahr vollendet haben oder schwerbeschädigt sind, wird das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters dauerhaft ausgeschlossen.
  • 3. Der Erwerber erklärt einen zeitlich unbefristeten Umwandlungsverzicht und verpflichtet sich diese Obliegenheit auf etwaige nachfolgende Käufer umzulegen. Bei Zuwiderhandlung ist eine Vertragsstrafe von 50.000 € je Wohnung verwirkt und an eine von der Gemeinde zu bestimmende soziale Einrichtung zu zahlen.
  • 4. Luxusmodernisierungen werden ausgeschlossen. Luxusmodernisierungen sind dauerhafte Verbesserungen der Mietsache, die die Wohnungen auf einen Standard heben, der über dem einer durchschnittlichen Wohnung des Baujahres 2012 liegt.
  • 5. Bei Erhöhungen gem. § 558 BGB und § 559 BGB darf die Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren eine Kappungsgrenze von zusammengerechnet 15 % nicht überschreiten.
  • 6. Sollte der Erwerber innerhalb der ersten 10 Jahre ab Vertragsabschluss einen en-bloc-Verkauf (ab 100 Wohnungen) anstreben, verpflichtet er sich, den Bestand zunächst der betroffenen Kommune oder einem von dieser vorgeschlagenen Käufer mit einer Vorlauffrist von 6 Monaten vor Eröffnung eines Bieterverfahrens zum Kauf anzubieten.
  • 7. Der Erwerber und der Verkäufer verpflichten sich, diese Sozialcharta jedem von der Veräußerung betroffenen Mieter auszuhändigen. Sie wird insofern Bestandteil der bestehenden Mietverträge und der Mieter ist berechtigt, die ihm zustehenden Rechte gemäß dieser Vereinbarung unmittelbar geltend zu machen. Der Erwerber verzichtet auf den Zugang der Annahmeerklärung.«

Dies wäre ein Mieterschutz XXL, der allen Bewohnern der Häuser am Stutenanger eine umfassende Sicherheit vor Mieterhöhungen oder gar Kündigungen bieten würde.

Sofort nach der Mitteilung der VBL, dass ein Verkauf der drei Gebäude im Raum steht, haben wir im Rathaus Überlegungen in alle Richtungen angestellt. Die Gemeinde selbst kann eine Übernahme der mehr als 400 Wohnungen weder finanziell noch organisatorisch stemmen.

Doch alles, was von Gemeindeseite aus getan werden kann, haben wir in die Wege geleitet. Einen ersten Erfolg habe ich in Gesprächen mit der VBL bereits erreicht: Nachdem anfänglich im Gespräch war, bereits Mitte Dezember mit der Vermarktung der Liegenschaften zu beginnen, konnte ich der VBL inzwischen die Zusage abringen, dass bis Mitte des kommenden Jahres keine Ausschreibung für ein Bieterverfahren erfolgt. Stattdessen soll untersucht werden, wo und in welchem Umfang Sanierungen am Anwesen dringend erforderlich sind.

Eine Entwarnung, dass der Verkauf nun aufgeschoben oder gar ganz vom Tisch ist, kann man daraus sicher nicht ableiten. Aber wir haben einen wichtigen Aufschub erreicht, der Zeit gibt für uns als Gemeinde, weitere Verhandlungen zu führen, mögliche Investoren anzusprechen und Unterstützung für die Anliegen der Mieterinnen und Mieter zu suchen. Die Bewohner der Häuser haben die Gelegenheit, eigene Pläne zu schmieden oder auch gemeinsame Aktionen zu planen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Neben den Verhandlungen mit der VBL habe ich Gespräche mit verschiedenen öffentlichen Wohnungsunternehmen geführt, bei denen die Gewähr für eine sozialverträgliche Übernahme besteht. Insbesondere die Baugenossenschaft Ober- und Unterschleißheim hat mir zugesagt, sich eingehend mit dem anstehenden Verkauf zu befassen und zu prüfen, inwieweit sie allein oder im Rahmen eines größeren Konsortiums einen Kauf bewältigen können. Hierzu führte Herr Stupka von der GIMA auf anschauliche Weise aus, welche Vorteile ein Kauf der drei Anwesen durch eine Genossenschaft – evtl. im Rahmen eines Konsortiums – hätte.

Der Verkauf steht im Raum, aber ein bisschen Zeit haben wir gewonnen. Ich werde sie nutzen, um mit öffentlichen Wohnungsunternehmen Gespräche zu führen. Denn dort haben wir die Gewähr, dass „soziale Verantwortung“ und »Schutz der Mieter« nicht nur leere Worte sind. Ich werde Sie selbstverständlich über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten und hoffe sehr, dass wir zu einer für die Mieter, die Parksiedlung und die gesamte Gemeinde guten Lösung kommen werden.

Ihre Erste Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler

Artikel vom 16.01.2013
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