Kinder aus Taufkirchen mahnen Verbesserungen an

Taufkirchen · Es gibt viel zu tun

Mit kritischem Blick haben die Viertklässler der Grundschule am Wald unter  Leitung von Sibylle Vogt und Tilo Glöck ihr Ortsviertel untersucht.	Foto: Pietsch

Mit kritischem Blick haben die Viertklässler der Grundschule am Wald unter Leitung von Sibylle Vogt und Tilo Glöck ihr Ortsviertel untersucht. Foto: Pietsch

Taufkirchen · Es ist kein schmeichelhaftes Bild des Taufkirchner Ortsteils »Am Wald«, das sich derzeit den Besuchern der Kinder-Vernissage im Foyer des Ritter-Hilprand-Hofes bietet.

Auf über 80 Bildern haben sich die Schüler der vierten Klassen der Grundschule am Wald in Zusammenarbeit mit der »Hochschule für angewandte Wissenschaften« in München und der Taufkirchner »Integrationsbezogenen Sozialen Arbeit« (ISA) mit ihrem Wohnviertel auseinandergesetzt. In kleinen Gruppen waren die Schüler als Kinder-Forscher losgezogen und haben wichtige Orte wie Schulwege, Spielplätze, Verkehrsübergänge, verbotene oder schöne Orte aus ihrem Umfeld besucht und fotografisch dokumentiert. Gestützt auf die Fotos haben die Kinder anschließend ihre Empfindungen für den jeweiligen Ort auf DIN A2-großen Plakaten künstlerisch umgesetzt.

Grau und Rot sind die vorherrschenden Farben auf den entstandenen Bildern. Schon rein zahlenmäßig zeigt sich, dass für die Kinder die »schlechten Orte« die »guten Orte« bei weitem überwiegen. Für die betrachtenden Erwachsenen ist es ein Blick aus längst vergessener Perspektive. Ungefiltert und schonungslos zeigen die Kinder Missstände auf, die viele Erwachsene aus Gewohnheit oder Resignation schon lange nicht mehr bemerken. Erinnerungen werden wach, an beängstigende Orte aus der eigenen Kindheit. »Ich hatte als Kind auch zwei schlechte Orte«, erzählt zum Beispiel Taufkirchens dritte Bürgermeisterin Rosemarie Weber und manch anderer Erwachsener stellt fest, dass Problemorte aus der eigenen Kindheit für die Kinder heute noch immer beängstigend wirken können.

Unter Überschriften wie »Angst«, »verlorene Spielorte«, »Bedrohungen«, »Übergriffe« oder »Vermüllung« haben die Ausstellungsleiter die Bilder thematisch zusammengefasst. Deutlich weniger Bilder passen unter positive Überschriften wie »Coole Zeiten«, »Schlittenberg«, »Beweggründe« oder »Zur Ruhe kommen«. Kurze Zitate der Kinder ergänzen die Illustrationen und die meisten von ihnen hinterlassen beim Leser ein beklemmendes Gefühl. Sie berichten vom Verjagen vom Spielplatz, von Jugendlichen oder Betrunkenen, die den Kindern Alkohol oder Drogen anbieten, von Glasscherben und Müll, vom beobachtet oder gar fotografiert werden auf dem Spielplatz, von Bedrohungen und vom Steine werfenden Nachbarn.

Laura beispielsweise meinte: »Ich mag den S-Bahnhof nicht, weil dort so viel Müll und Zigaretten herumliegen.« Michelle ergänzte die Negativliste: »Mir gefällt nicht, dass eine Nachbarin Kinder immer beim Spielen beobachtet und den Kindern dann droht, die Polizei zu rufen«. Aber auch positive Eindrücke haben die Kinder gesammelt. Tim erklärte: »Mir gefällt mein Zuhause am Allerbesten. Es ist toll, dass bei mir in der Nähe ein Fußballplatz ist.« Auch für die Schule gab es gute Noten von Emre-Can: »Mein schönster Ort in Taufkirchen ist für mich meine Grundschule, weil ich dort gut lernen und Bücher lesen kann.« »Es ist so wichtig, dass der Ortsteil damit eine Stimme bekommt«, freute sich die Rektorin der Grundschule Betty Pauker bei der Eröffnung der Vernissage. Sie sei gleich »Feuer und Flamme« gewesen, als die Hochschule und die ISA mit der Projektidee an sie herangetreten waren. Auch die Lehrerinnen der vierten Klassen hätten trotz Übertrittsstress sofort zugestimmt, erinnert sie sich und hofft, dass das Projekt dazu beiträgt, »gute Plätze zum Aufwachsen der Kinder« zu schaffen.

Damit dies auch wirklich geschieht und die Ergebnisse der Kinderforscher nicht nach Ende der Ausstellung ungenutzt in den Schubladen verstauben, sollen die Taufkirchner Gemeinderäte und die Gemeindeverwaltung schon bald eine Zusammenfassung der Exkursions-Ergebnisse erhalten. »Bei manchen Sachen kann man vielleicht kurzfristig etwas machen“, überlegte Rosemarie Weber auf Nachfrage, andere Punkte müssten eventuell bei Ortsterminen angeschaut werden. Auch ein Gesamtkonzept zur Verbesserung neuralgischer Punkte hält sie für möglich. In jedem Fall sollen die Forschungsergebnisse am 28. Februar bei einem Kinderforum besprochen und nach Lösungsstrategien zur nachhaltigen Verbesserung des Wohnumfeldes gesucht werden. Ziel des Forums ist es, »Paten aus der Kommunalpolitik zu gewinnen (…), um sicher zu stellen, dass Taufkirchen auch weiterhin ein guter Ort zum Aufwachsen von Kindern ist«, erklärte Sozialpädagogin Sibylle Vogt, die für die ISA das Projekt begleitet.

Wer sich die Bilder persönlich anschauen will, kann die kostenlose Ausstellung noch bis zum 7. Februar im Foyer des Ritter-Hilprand-Hofes neben dem Rathaus besuchen. Das Kinderforum findet am 28. Februar um 10.30 Uhr dort statt. A. Pietsch

Artikel vom 15.01.2013
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