Ehrenamtliche Klinikseelsorger bieten Hilfe in schweren Zeiten

Schwabing · Für andere da sein

Jolanda Schulte-Werning arbeitet drei Stunden wöchentlich als Laienseelsorgerin im Klinikum Schwabing.	Foto: scy

Jolanda Schulte-Werning arbeitet drei Stunden wöchentlich als Laienseelsorgerin im Klinikum Schwabing. Foto: scy

Schwabing · Da ist die Frau, die ihr Kind verloren hat. Da ist eine andere, deren Gebärmutter entfernt werden musste. Und wieder eine andere versucht damit klarzukommen, dass bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde.

Drei Frauen, drei Schicksale, wie sie Jolanda Schulte-Werning kennt. Die 50-Jährige ist am Klinikum Schwabing in der gynäkologischen Abteilung als ehrenamtliche Klinikseelsorgerin tätig. »Mit Nächstenliebe Menschen begegnen«, sagt sie, das sei ihr wichtig, darum gehe es ihr. Freiwillig für andere da zu sein, sei eine Selbstverständlichkeit für sie. »Es geht mir so gut, dass ich davon gerne etwas abgebe«, so die sympathische Schwabingerin weiter. »Mir macht das große Freude.« Mehr noch. Für sie sei es »einfach Luxus« neben ihrem Job als Sprachtherapeutin und vierfache Mutter noch Zeit zu haben, um sich gesellschaftlich zu engagieren.

Klinikseelsorge – was heißt das eigentlich? Ist Gott dabei das zentrale Thema? Wird gemeinsam in der Bibel gelesen? Geht es gar um Krankensalbung? Manche haben sicher das Bild eines Seelsorgers, der am Krankenbett steht, verknüpft mit dem nahenden Tod. Aus der Tradition heraus sind diese Überlegungen berechtigt. Doch heutzutage steht das Gespräch im Zentrum, und das kann sich um all das drehen, was dem Patienten gerade am Herzen liegt. »Ich mache das Angebot, miteinander ins Gespräch zu kommen, bin einfach da«, so Schulte-Werning. Was daraus wird, entscheide die Patientin selbst. »Es bleibt ihr überlassen, in welchem Rhythmus und Umfang sie die gemeinsame Zeit nutzen möchte.« Insbesondere der aktuelle körperliche Zustand der Patientin sei ausschlaggebend für die Dauer. Manches Mal sei die Begegnung nach gut zehn Minuten vorbei, bei anderen könne sie durchaus über eine Stunde dauern. Nur selten würden die Patientinnen das Gesprächsangebot ablehnen. »In der Regel sind sie angetan, freuen sich, dass da jemand zu ihnen kommt und sich die Zeit nimmt«, berichtet Schulte-Werning.

Die Themen, um die es sich dreht, sind so unterschiedlich wie die Patientinnen selbst. Manche reden über ihre Krankheit, manche über ihre Familie, manche über ihre Ängste und Sorgen, aber auch über das, was ihnen Freude und Kraft gibt. »Dabei entwickeln sich auch Gespräche über den Glauben, dieser steht jedoch nicht im Vordergrund«, so die Klinikseelsorgerin. Entscheidender sei, zusammen mit der Patientin deren Kräfte aufzuspüren und gemeinsam zu überlegen, wie sie diese Kräfte einsetzen könne, um die Situation durchzustehen. »Ich freue mich jedes Mal zu sehen, wie viel Lebendigkeit in den Patientinnen steckt, obwohl sie gerade besonders beansprucht sind, das beeindruckt mich sehr«, berichtet Schulte-Werning. Anders als eine Psychologin stoße sie jedoch keine Prozesse an, es gehe nicht darum, Probleme zu analysieren, sondern sich dem zu widmen, »was sich zeigt«: »Das schauen wir uns dann gemeinsam an.«

Clementine Mertens ist evangelische Pfarrerin am Klinikum Schwabing und Regionalbeauftragte für die Seelsorger. Unter ihrer Leitung wurden im letzten Kurs zehn Laienseelsorger ausgebildet – die Ausbildung übrigens ist ein Angebot der Kirchen. »Grundsätzlich kann sich jeder für dieses Ehrenamt bewerben«, sagt Mertens. Unter den Interessenten seien Menschen zwischen 30 und 65 Jahren, sie kommen aus unterschiedlichen Berufen, der Manager ist ebenso dabei wie die Hausfrau und Mutter. Im Laufe der gut viermonatigen – und in der Regel ökumenischen – Ausbildung, zeige sich dann, ob die Entscheidung richtig gewesen ist. »Wer beispielsweise selbst noch zu sehr involviert ist in eine eigene Krankheitsgeschichte, der ist meistens zu nahe dran, um dieses Amt mit der nötigen Professionalität auszuführen«, weiß Mertens. Ein Bezug zur Religion sei wünschenswert, aber nicht Bedingung.

Nach der Ausbildung, während der man sich einmal wöchentlich trifft, bekommen die Laienseelsorger eine Station zugeteilt, auf der sie verantwortlich Patienten betreuen, die ein Gespräch suchen. Regelmäßige Beratungsgespräche unterstützen die ehrenamtlichen Helfer bei ihrer Arbeit. Der zeitliche Aufwand für das Ehrenamt beträgt in der Regel rund zwei Stunden pro Woche, Jolanda Schulte-Werning etwa ist jeden Mittwoch drei Stunden auf der Station. Und übrigens nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Mitarbeiter da. Wer sich zum Klinikseelsorger ausbilden lassen möchte, der hat die nächste Gelegenheit im Sommer am Klinikum Großhadern. Die Seelsorger an den Krankenhäusern wechseln sich in einem regelmäßigen Turnus ab. »Die Ausbildung ist sehr zeitaufwändig, das ist für die jeweiligen Ausbilder nur alle zwei, drei Jahre zu stemmen«, so Mertens. Dafür aber werde münchenweit ausgebildet. Heißt: Wer die Ausbildung am Klinikum Schwabing macht, kann auch, wenn es örtlich für ihn besser liegt, an einem anderen Klinikum sein Ehrenamt ausüben. »Wer glaubt, dass Klinikseelsorge für ihn das Richtige ist, der soll sich gerne bei uns melden«, sagt Mertens. Und vielleicht findet er dann darin das, was Jolanda Schulte-Werning gefunden hat, eine Tätigkeit, die ihre Augen zum Leuchten bringt, wenn sie davon erzählt. Weitere Informationen bekommt man unter Tel. 30 68 26 34, und im Internet unter www.klinikum-muenchen.de. scy

Artikel vom 08.01.2013
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