Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) im Gespräch mit dem Münchner SamstagsBlatt

München · Heubisch: Ude wird nicht Ministerpräsident

Wolfgang Heubisch ist überzeugt vom Wiedereinzug der FDP in den Bayerischen Landtag.

Wolfgang Heubisch ist überzeugt vom Wiedereinzug der FDP in den Bayerischen Landtag.

München · Seit Oktober 2008 ist er bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Vergangene Woche hat die FDP München Wolfgang Heubisch mit mehr als 93 Prozent der Stimmen zum Münchner Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 gewählt.

Studiengebühren in Bayern

Im Interview mit dem SamstagsBlatt verrät er, warum die Studiengebühren ein Stück soziale Gerechtigkeit für ihn sind, was er vom Ude-Effekt hält und warum München unbedingt einen Konzertsaal braucht.

Münchner SamstagsBlatt: Im Moment rangiert die FDP zwischen drei und fünf Prozent, aber keiner weiß, wie die Landtagswahl letztlich ausgehen wird.

Wolfgang Heubisch: Das ist bei der FDP oft so. Wir hatten im Jahr 2003 bei der Landtagswahl 2,6 Prozent. 2007 habe ich mich entschieden, für die FDP anzutreten. Wenn ich damals nicht geglaubt hätte, wir können das schaffen, dann hätte ich mir die Kandidatur sparen können. Ich wusste, es gibt Potenzial. Das müssen wir abrufen. Sicher fallen darunter auch Anhänger der großen bürgerlichen Partei. Ich kann mich noch genau erinnern: Elf Tage vor der Wahl lag die CSU in Umfragen bei 50 Prozent. Letztlich ist sie bei 43,4 Prozent gelandet. Wir waren bei sechs Prozent und sind dann mit acht Prozent geendet. Und dieses Ergebnis hätte ich gerne wieder.

Was passiert, wenn’s die CSU alleine schafft und die absolute Mehrheit erringt?

Heubisch: Dann ist das zu akzeptieren. Wenn die CSU die absolute Mehrheit holen sollte – was ich nicht glaube – dann wird sie allein regieren. Wir wollen Rot-Grün-Orange verhindern, genauso wie „dunkelschwarz“. Wir wollen die einzige bürgerliche Alternative und das ist schwarz-gelb.

Das ist für Sie die einzige Option? Eine Zusammenarbeit mit der SPD, den Grünen und den Freien Wählern können Sie sich nicht vorstellen?

Heubisch: Neben meiner 25-jährigen Praxistätigkeit als Zahnarzt war ich Präsident des Verbandes der Freien Berufe in Bayern sowie Vizepräsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft. Ich bin von diesem Denken geprägt. Ich trete ohne Wenn und Aber für die Soziale Marktwirtschaft im Erhard'schen Sinne ein.

Aber mit der jetzigen Opposition ist zu rechnen. Gerade in München muss man einen „Ude-Effekt“ erwarten. Da wird die SPD mehr Stimmen holen und damit das landesweite Ergebnis heben. Halten Sie selbst denn Christian Ude für einen guten Bürgermeister?

Heubisch: Er hat einiges gut gemacht, aber vor allen Dingen in der Wohnungspolitik und beim Ausbau der Kinderbetreuung versagt. Wenn Politiker zu lange im Amt sind, dann klappt es auf einmal nicht mehr. Man schottet sich ab und hat nur noch zwei, drei Berater. Das sehe ich beim Münchner OB.

Die Zeit von Christian Ude als Oberbürgermeister geht so oder so zu Ende. Wie sehen Sie die nicht völlig auszuschließende Vision eines Ministerpräsidenten Ude?

Heubisch: Ganz offen gesprochen: Die kommt nicht. Ich komme in Bayern herum als Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zu meinem Ressort gehören die Trachtler und das Opernhaus in Bayreuth. Ich bin verantwortlich für die Hochschulen von Aschaffenburg über Rosenheim bis Bamberg. Ich bin der Minister, der in ganz Bayern am häufigs­ten unterwegs ist. Ich kenne Bayern. Ude ist draußen nicht bekannt oder er wird als Münchner wahrgenommen. Und ich sage Ihnen: Die Münchner werden genauso kritisch gesehen wie die Wiener in Österreich. Das ist so. Man nimmt Ude draußen nicht ab, dass er für die Menschen in Bayern regieren wird. Das ist sein ganz großes Problem. Stoiber war kein Münchner, Streibl war kein Münchner, Strauß war kein Münchner... Ude hat auch kein Zukunftsprogramm für Bayern.

Das Programm der Spitzenkandidaten sollte maßgebend für die Wahlentscheidung der Bayern sein. Was spricht da mehr für „Schwarz-Gelb“ als für eine SPD-geführte Koalition?

Heubisch: Für uns spricht zum Beispiel, dass wir keine neuen Schulden aufnehmen, als einziges Bundesland Schulden abgebaut haben und gleichzeitig vor allen Dingen in die Zukunftsbereiche, wie die Bildung, massiv investieren. Ein solcher Haushalt sucht in Deutschland seinesgleichen.

Aber die Verluste durch das Landesbank-Debakel wiegen schwer.

Heubisch: Das Landesbankdebakel ist ein Problem der CSU. Wir haben erst bei den Koalitionsverhandlungen erfahren, wie teuer dieses Abenteuer für die bayerischen Steuerzahler ist. Bei den Verhandlungen ist jeden Tag eine Milliarde mehr dazugekommen. Wir wussten am Anfang nicht, was da zusammenkommt. Wir wollten eigentlich schon die Verhandlungen abbrechen. Das war noch die alte CSU. Aber wir haben dann gemeinsam eine Lösung gefunden. Die zehn Milliarden Euro Schulden aus dem Landesbankdesaster hat die CSU zu verantworten. Dennoch haben wir in Bayern die geringsten Schulden in Deutschland, zusammen mit Sachsen. Wir haben die geringste Pro-Kopf-Verschuldung, die geringste Arbeitslosenquote und wir haben einen unglaublich starken Export. Wir haben den Wirtschaftstandort Bayern im internationalen Wettbewerb deutlich gestärkt und auch die Internationalisierung unserer bayerischen Hochschulen vorangetrieben: diese haben über 3000 Kooperationen weltweit. Bayern ist ein Vorzeigeland. Gerade in den vergangenen vier Jahren, seitdem die FDP mitregiert, hat der Freistaat noch einmal einen gehörigen Sprung nach vorne gemacht.

Sie haben die Universitäten angesprochen: Was passiert nach der Landtagswahl mit den Studiengebühren?

Heubisch: Meine Meinung ist klar: Ich will die Studienbeiträge – so ist der offizielle Ausdruck – beibehalten, weil wir die Herausforderungen international bestehen müssen. International stehen die Länder an der Spitze, die Studienbeiträge erheben, natürlich USA, Großbritannien, aber auch Länder wie Holland und vor allem die Schweiz. Dort liegen die Beiträge etwas höher, bei 500 bis 1000 Euro pro Semester. Für die Qualität unserer Hochschulen sind die Beiträge unverzichtbar. Es kann jeder nachgelagert, also nach seinem Studium zurückzahlen und man muss nur zahlen, wenn man eine Arbeit hat und auch entsprechend verdient. Um den Ausfall der Studienbeiträge zu finanzieren, müssten wir Schulden machen, 180 Millionen Euro im Jahr. Wer zahlt die dann zurück? Entweder ist der Staat so reich, dass er das Geld noch hat. Wir haben aber noch 31,6 Milliarden Euro Schulden. Das heißt, die 180 Millionen werden letztlich den Schuldenberg erhöhen und das muss die Jugend zurückbezahlen. Da frage ich mich: Soll die Arzthelferin auch zurückbezahlen, die von dem akademischen Studium nichts hat? Auch der Meister nicht, der seine Ausbildung übrigens privat zahlen muss.

Die Studienbeiträge sind demnach ein Stück soziale Gerechtigkeit?

Heubisch: Das haben wir immer gesagt. Das hat großes Erstaunen bei der Opposition ausgelöst.

Warum sind dann Länder wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen dann wieder zurückgerudert?

Heubisch: Weil sie kein Durchhaltevermögen hatten.

Werden Sie hier in Bayern noch einen Kampf ausfechten müssen?

Heubisch: Das weiß ich noch nicht. Im Januar müssten sich innerhalb von 14 Tagen mindestens zehn Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung, etwa 950.000, eintragen. Dann käme es in der Folge zum Volksentscheid und dann schauen wir mal. Wir als Liberale haben gesagt: Natürlich soll das Volk entscheiden.

Das Thema Studienbeiträge betrifft Sie als Minister, aber Sie sind auch Münchner. Worauf legen Sie Ihr Augenmerk im Münchner Wahlkampf?

Heubisch: Ich erlebe immer wieder Diskussionen, bei denen oft das Argument kommt: Ach, schon wieder München! Eine meiner ganz wichtigen Aufgaben ist es, klarzumachen, welche Funktion München für den Freistaat hat: Als Leuchtturm, als eine wirkliche Metropole, die weltweit ausstrahlt. Ein wichtiges Thema ist die Wohnungsnot unter den Studenten. Da müssen wir umdenken. Wir haben auch im privaten Bereich Möglichkeiten, Studentenwohnungen anzubieten, indem zum Beispiel Wohnungen in Bereichen geschaffen werden, die für das Gewerbe ausgewiesen wurden. Bei Vorschriften und Verordnungen gibt es immer auch einen Ermessensspielraum. Da erwarte ich mir von der Lokalbaukommission und der Stadt eine sehr viel offenere Handhabung. Ich bin auch für den Tunnel unter dem Englischen Garten – auch als Kunstminister. Der Englische Garten ist ein Kunstwerk und muss wieder eine Einheit bilden. Ich werbe auch für einen neuen Konzertsaal aus voller Überzeugung. Denn München wächst und das Kulturangebot muss mitwachsen.

Wie viel Wachstum kann München noch vertragen?

Heubisch: Die Grenzen Münchens liegen momentan im S-Bahn-Bereich. Da wächst eine Metropolregion heran. Darum bin ich auch für die zweite Stammstrecke. Die zweite Stammstrecke hat für die Menschen im Umland viel mehr Konsequenzen als für die Münchner. Wir, die Stadt München und die umliegenden Gemeinden, müssen uns als Gemeinschaft verstehen. Ich spreche hier ausdrücklich aber nicht von Eingemeindungen. Aber grundsätzlich muss die Stadt eine Hand-in-Hand-Politik mit den Kommunen machen, auch wenn es schwierig ist, alle unter einen Hut zu bringen. In der Vergangenheit wurde das leider vernachlässigt.

Aber hat München nicht größere Probleme als den Konzertsaal?

Heubisch: Das ist immer das Argument, wenn man nicht mehr weiter weiß. Was haben wir denn für Probleme? Zum Beispiel die Renovierungen von Gärtnerplatztheater, Haus der Kunst, Neue Pinakothek sind jetzt drei aktuelle Fälle. Eine Gesellschaft braucht immer beides. Sie muss das Alte bewahren, aber jede Gesellschaft muss auch etwas Neues schaffen. Das letzte wirkliche Kunstwerk in München ist die Allianz Arena. Die ist grandios. Wir haben den Vierzylinder von BMW, das Olympiagelände. So wurden immer wieder neue bauliche Höhepunkte geschaffen. Und unter diesem Aspekt ist es wichtig, dass wir für die Musikstadt München einen Konzertsaal erster Klasse errichten. Den haben wir nämlich nicht. München sollte die Kraft aufwenden, da ein Zeichen zu setzen und den Konzertsaal zu verwirklichen. Wenn der Englische Garten nicht da wäre, die Residenz, die Ludwigstraße, der Königsplatz mit der Glyptothek, die Alte Pinakothek, wenn wir das alles nicht hätten, dann wäre München eine ganz biedere Stadt. Die Frauentürme alleine würden nicht genügen. Auch deswegen brauchen wir den Konzertsaal.

Von Stefanie Halbinger, Michaela Schmid und Carsten Clever-Rott

Artikel vom 13.12.2012
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