Mittler zwischen den Kulturen erleichtern Schulalltag

Giesing · Lotsen mal anders

Die Initiatoren des »Eltern-Café« an der St.-Martin-Schule (v. l.): Christoph Heidenhain, Tharwa Alghzawi-Safadi, Shaula Möller und Klaudia Schenkl.	Foto: HH

Die Initiatoren des »Eltern-Café« an der St.-Martin-Schule (v. l.): Christoph Heidenhain, Tharwa Alghzawi-Safadi, Shaula Möller und Klaudia Schenkl. Foto: HH

Giesing · »Alghzawi-Safadi ist ein echter Glücksfall für unsere Schule – eine geeignete ehrenamtliche Mitarbeiterin in diesem Bereich zu finden, ist nämlich gar nicht so leicht!« Schulleiterin Klaudia Schenkl von der Giesinger Grundschule an der St.-Martin-Straße ist über ihren Personalgewinn spürbar glücklich.

Tharwa Alghzawi-Safadi heißt die dreifache Mutter, die hier nicht nur emsig und erfolgreich seit Jahren die Mittagsbetreuung steuert – die gebürtige Jordanierin fungiert neuerdings auch als sogenannte »Eltern-Lotsin« an der St.-Martin-Schule. Drei solcher Elternbetreuerinnen der besonderen Art gibt es jetzt auch in Giesing: Neben der St.-Martin-Schule bieten auch die Grund- und Mittelschule an der Ichostraße sowie die Mittelschule an der Perlacher Straße ein solches Angebot. Hauptadressaten sind Eltern der Pennäler, die sich ohne Lotsin schwer tun mit dem Verständnis für den Schulalltag ihrer Kinder, keinen Zugang zu Lehrern und Inhalten finden und für die Schulverantwortlichen sonst schwer zu kontaktieren wären. Alghzawi-Safadi und ihre Kolleginnen schließen hier eine echte Lücke im sozialen Angebot der Schulen – ehrenamtlich versteht sich. »Frau Safadi ist ideal für diese Aufgabe – man kennt sie an der Schule, schätzt und respektiert sie – vor allem aber bringen ihr die Eltern großes Vertrauen entgegen«, Pädagogin Schenkl ist voll des Lobes.

Seit einigen Wochen ist das Eltern-Café in der Schule regelmäßige Hauptanlaufstelle für jene Eltern, die den vertrauensvoll-diskreten Kontakt mit der Lotsin suchen. Bei Tee, Kaffee und Kuchen schenkt Alghzawi-Safadi den Eltern jeweils montags zwischen 8 und 10 Uhr morgens oder nach Vereinbarung ein offenes Ohr. »Ein lange schon notwendiges, neues Angebot«, sind sich die Lotsin und die Schulleiterin einig. An der St.-Martin-Schule werden derzeit 315 Kinder aus 28 Nationen unterrichtet. »Wir haben einen Migrationsanteil von 60 Prozent«, unterstreicht Schenkl. Natürlich müsse die Lotsin da oft auch helfen, Sprachbarrieren abzubauen – etwa bei Müttern, die vorwiegend zuhause agierten und selten mit dem öffentlichen Leben in Berührung kämen, vielfach nur sehr schlecht Deutsch sprächen.

Aber Sprachbarrieren seien es nicht allein, so Alghzawi-Safadi. »Zu mir kommen auch Eltern muslimischer Herkunft. Die haben zum Beispiel Angst, dass in der Schulküche Schweinefleisch verwendet werde.« Da müsse sie viel Begegnungs- und Verständigungsarbeit zwischen den Kulturen leisten. »Die Kinder können doch nicht nur den Nachtisch essen – wir sind halt hier in Deutschland«, unterstreicht sie. Vor allem sei sie da, um Hemmungen abzubauen, auch mal Streit zu schlichten und Verständigungsprobleme abzubauen. Auch organisatorische Details, Stundenpläne und Zeiten vermittelt die Lotsin. »Oft wissen die Leute gar nicht, welcher Unterrichtsstoff hier vermittelt wird«, so die engagierte Mutter. Für manche müsse sie auch die Mitteilungen und Elternbriefe übersetzen. »Die Eltern sind aber umgekehrt sehr wichtig für den schulischen Erfolg der Kinder – da hilft so ein betont niederschwelliges Angebot«, weiß Shaula Möller, die die junge Koordinatorin des Projektes ist, deren Träger die Innere Mission ist.

Die diplomierte Sozial-Pädagogin betreut an fünf Stunden der Woche die Lotsinnen und sorgt auch für die notwendige Vernetzung und den informellen Austausch sowie auch die Fortbildung der ehrenamtlich wirkenden Damen. »Ich bin von dem Projekt voll überzeugt«, betont sie. »Es war das Projekt namens Integration macht Schule, das an der Ramersdorfer Führichschule bereits erfolgreich betrieben wurde und uns hier auf die Idee gebracht hat«, unterstreicht Christoph Heidenhain – als Quartiersmanager der Sozialen Stadt ohnehin Netzwerker und Vernetzer vor Ort im Hauptberuf. »Das Eltern-Café ist ein geschützter Raum – das schafft eine gute Atmosphäre«, ist er sicher. Schwierigstes Thema freilich war lange die Finanzierung. »Wir mussten uns auf diese abgespeckte Version ohne viel Fachpersonal verständigen – andernfalls wäre die Maßnahme nicht finanzierbar gewesen«, erklärt Heidenhain. »Letztlich kein Manko«, meint Möller. »Lotsen wie Frau Safadi, die aus der Mitte des Schullebens vor Ort kommen, tun sich in der Regel sehr viel leichter im Umgang mit den Eltern der Schüler als externe Betreuer.«

Seit 17 Jahren lebt Tharwa Alghzawi-Safadi in Deutschland, alle ihre Kinder haben die St.-Martin-Schule besucht oder besuchen sie noch. Sie spricht perfekt Deutsch und Arabisch und bringt laut Schlegl jene Sensibilität für ihre Aufgabe mit, die man für ein solches Amt des »Brückenbauens zwischen Schule und Eltern einfach braucht. »Beim ersten Mal kam nur eine Handvoll Eltern, zuletzt waren es bereits 14«, freut sich die Lotsin über wachsenden Zuspruch. Harald Hettich

Artikel vom 13.11.2012
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