Suchmaschine hilft, barrierefreie Arztpraxen zu finden

Schwabing · Ohne Hindernisse

Margret Dietmann (links) und Hanne Kamali sorgen dafür, dass behinderte Münchner einen Arzt finden, den sie problemlos erreichen.	Foto: sy

Margret Dietmann (links) und Hanne Kamali sorgen dafür, dass behinderte Münchner einen Arzt finden, den sie problemlos erreichen. Foto: sy

München/Schwabing · Im Wohnhaus ihres Hausarztes war der Lift für mehrere Wochen außer Betrieb. Wie nun in seine Praxis kommen, die in einer höheren Etage liegt? Für Margret Dietmann, die nach einem Unfall querschnittsgelähmt ist und seit 37 Jahren im Rollstuhl sitzt, war das Problem alleine nicht zu lösen.

Die Arzthelferinnen brachten ihr schließlich die Medikamente in das Erdgeschoss, an eine Untersuchung war natürlich nicht zu denken. »Solche und andere Schwierigkeiten gehören für mich zum Alltag«, erzählt Dietmann. Doch muss das sein? Sollten nicht insbesondere behinderte Menschen ohne Probleme, Ärzte aufsuchen können? Und wo eigentlich gibt es Praxen, die barrierefrei sind?

Der in Schwabing befindliche Club Behinderter und ihrer Freunde e.V. (CBF) arbeitet seit über drei Jahren daran, hier den notwendigen Überblick zu schaffen. Und zwar mit Hilfe einer Suchmaschine, über die jeder Nutzer barrierefreie Arztpraxen im Internet finden kann. »Immer mehr Praxen sind barrierefrei, es geht zwar langsam voran, aber es geht voran«, so Hanne Kamali, die für das Internetprojekt zuständig ist. Beispiel Altstadt: Ende 2007 gab es in den besuchten Arztpraxen keine einzige Behindertentoilette, inzwischen sind es sieben. In Schwabing ist die Lage ähnlich. Gut 3.200 Einträge sind inzwischen gelistet, seit diesem Jahr werden nun unter anderem auch Psychotherapeuten, Logopäden und Heilpraktiker in den Pool aufgenommen. Bis die erweiterte Liste vollständig ist, dürften noch rund zwei weitere Jahre vergehen. Denn es braucht viel Vorarbeit und Recherche. Und die ist auf die Schultern von fünf Helfern verteilt, die in den Praxen anrufen, vor Ort gehen, die Daten sammeln und Räume und Aufzüge ausmessen. Es genügt beispielsweise nicht, zu wissen, dass es einen Lift im Hause gibt, es muss die genaue Größe des Aufzugs erfasst werden, da die Längen und Breiten der Rollstühle sehr unterschiedlich sind. »Kommen wir zu dem Ergebnis, dass eine Praxis barrierefrei ist, werden ihre Daten in eine Liste übertragen«, sagt Kamali. Ihre Kollegin Christiane Maier-Stadtherr programmiert die Suchmaschine schließlich. »Es bleibt immer noch viel zu tun«, weiß CBF-Vorstandsvorsitzende Ingrid Leitner. Die Frage »Wie rolle ich zum Arzt?« sei eine wesentliche für die Betroffenen. Keine Seltenheit seien Situationen wie diese, in denen ein Arzt zum Rollstuhlfahrer sagt: »Meine Praxis befindet sich im dritten Stock eines Altbaus ohne Aufzug. Ich kann sie leider nicht behandeln.«

Ein anderes Problem liegt in der Architektur. »In einem Altbau lässt sich die Zugänglichkeit häufig nicht verbessern. Und bei Neubauten ist der hindernisfreie Zugang nicht unbedingt gewährleistet«, erklärt Leitner die Situation. Sie sagt auch, warum dieses Problem so häufig auftritt: »Die Architekten halten die Normen für barrierefreies Bauen nicht immer ein. Die Baubehörden nehmen den Bau gelegentlich auch dann ab, wenn er nicht barrierefrei ausgeführt wurde.« Werde die mangelnde Barrierefreiheit beanstandet, gäbe es oft keine Sanktionen. »Trotz allem, die Lage bessert sich. Barrierefreies Bauen ist längst in der Bayerischen Bauordnung festgeschrieben.« Manchmal muss man eben endlich anfangen. Wie beispielsweise Schwabing vor über dreißig Jahren der erste Stadtteil deutschlandweit gewesen ist, der abgeflachte Bürgersteige einführte, um Rollstuhlfahrern die Wege zu erleichtern. Bis dahin waren abgeflachte Bürgersteige nur für Ein-und Ausfahrten üblich.

Die Idee, eine Suchmaschine ins Leben zu rufen, hatte Barbara Wiedenmann, Gründerin der »Barbara-Rauck-Stiftung«. Aus eigener Erfahrung weiß die Rollstuhlfahrerin, wie schwer es ist, eine barrierefreie Arztpraxis zu finden. Ihre Stiftung finanziert die akribische Arbeit des CBF. Gelder gibt es unter anderem auch von den Landkreisen rund um München – denn auch Praxen etwa in Gräfelfing und Dachau sind gelistet. Berechtigtes Interesse an dieser umfangreichen Suchmaschine hat die Stadt München, die Vergleichbares nicht zu bieten hat. Und auch das Bayerische Sozialministerium interessiert sich für die Arbeit des CBF: Hanne Kamali wird demnächst dort einen Vortrag halten zum Thema »Barrierefreie Arztpraxen, erfasst von der Suchmaschine des CBF München«. Kamali ist selbst erstaunt, was sie und ihre Mitarbeiter gestemmt haben. »Es gab Tage, da habe ich gedacht, das schaffen wir nie«, sagt sie. Über die weitere Mitarbeit an der Suchmaschine freut sich der CBF. Gerne können sich beispielsweise Ärzte sowie Rollstuhlfahrer melden und Informationen und Kommentare hinterlassen.

Sylvie-Sophie Schindler

Weitere Informationen: Club Behinderter und ihrer Freunde e.V., Johann-Fichte-Straße 12, Telefon: 089/356 88 0, www.cbf-muenchen.de.

Artikel vom 30.10.2012
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