Das Oktoberfest als Klassenzimmer

München · Sack voller Flöhe

Hautnah am Kaltblut: Viele Kinder sind von den Brauerei-Rössern kaum wegzubekommen. Foto: ff

Hautnah am Kaltblut: Viele Kinder sind von den Brauerei-Rössern kaum wegzubekommen. Foto: ff

München · Der offizielle Wiesn-Experte muss schmunzeln: „Das ist ja wirklich wie ein Sack voll Flöhe“, sagt Rudi Muschler, als er Lehrerin Janina Dietz und zwei Müttern zuschaut. Sie haben gerade ihre heile Mühe, ihre vierte Klasse zusammenzuhalten.

Die letzten Kinder kommen gerade erst aus der engen Tür des Flohzirkus, da sind die ersten Buben schon ein Häuserl weitergelaufen, die Gewehre am Schießstand sind aber auch wirklich interessant. Nachdem die Ordnung wieder hergestellt ist, kann die Oktoberfestexpedition weitergehen. Um die reine Wiesn-Gaudi geht es dabei allerdings nicht: „Im Heimat- und Sachunterricht steht die Münchner Stadtgeschichte auf dem Lehrplan“, so Dietz. Wie wunderbar, wenn da ein sehr lebendiger Teil Historie beinahe direkt vor der Türe der Sendlinger Schule liegt – und die Stadt für Schulklassen kostenlose Führungen anbietet.

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„Oktoberfest macht Schule“ heißt das Programm, das Führer Rudi Muschler gerade durchzieht. Bevor es zum Flohzirkus geht, erklärt er seinen Zehnjährigen beim Treffpunkt „Familienplatzl“, wie das denn so war seinerzeit, als der Ludwig im Jahr 1810 seine Therese geheiratet hat, und die Münchner ihr Oktoberfest bekommen haben. Freilich lange Jahre ohne die Klassiker, die wir heute kennen: „Die Karussells kamen erst mit dem Strom“, weiß Muschler. Vorbei am Autoscooter und der großen Wiesn-Legende „Krinoline“ geht es zum Schichtl, wo Muschlers Ausführungen zur Schau-Enthauptung drei Jungs kurz die Coolness raubt: „Oh mein Gott“, sagen sie im Chor. Aber auch hier ist vom Schauder schnell abgelenkt. Das Riesen-Kettenkarussell nebenan leistet mit seiner in den Himmel ragenden Höhe seinen Dienst.

Kinder erforschen die Wiesn

Neben „Oktoberfest macht Schule“ leisten die Verantwortlichen mit noch zwei anderen Angeboten ihren Dienst am Wiesn-Wissen der jungen Münchner: Kommenden Montag geht das „Wiesn-Forscherspiel“ an den Start, das eigentlich schon vergangene Woche hätte laufen sollen, aber buchstäblich ins Wasser fiel: „Bei einem solchen Regen schickt keiner seine Kinder hier raus“, so Wiesn-Sprecherin Gabriele Papke.

Das Spiel richtet sich an Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Sie bekommen am Wiesn-Eingang an der Achterbahn „Wilde Maus“ oder am „Familienplatzl“ zwischen 14 und 18 Uhr Spielpläne, mit denen sie als Forscher den Schausteller-Teil der Wiesn erkunden sollen. Ganze 16 Stationen gilt es zu besuchen. An jeder Station bekommen sie eine Spielkarte. Waren die Forscher fleißig, dann halten sie am Ende ein komplettes Wiesn-Quartettspiel in den Händen, das sie mit nach Hause nehmen dürfen. Und am „Familienplatzl bekommen sie noch einen Preis.

Ältere Kinder bis vierzehn Jahre können sogar richtig hinter die Kulissen schauen: Bei der „Wiesn-Forscherexpedition“ können sie die Technik ausgewählter Fahrgeschäfte in Augenschein nehmen. Was das Oktoberfest aber vor allem ausmacht, das will Rudi Muschler seiner Wiesn-Klasse schließlich auch noch vor Augen führen: ein Bierzelt: „Das ist mir wichtig, das gehört einfach dazu, vor allem die Ochsenbraterei“. Im artigen Gänsemarsch geht’s durch das volle Zelt, vorbei am schon recht abgefieselten Gerippe eines 500-Kilo-Rinds am Spieß, Bierdunst liegt in der Luft.

In der Wirtsbudenstraße vor der Ochsenbraterei sieht die Klasse dann noch ein Kaltblut an einem Brauereigespann: ein wichtiger Teil des Potpourri des typischen Wiesndufts. Zum Glück hat es ein ruhiges Gemüt und die Aufregung der Kinder ist sehr viel größer als die zehn, zwanzig Hände den Hals des Tieres streicheln dürfen. Die Kinder sind kaum zu trennen, aber Lehrerin Dietz treibt sanft an, denn die Expedition ist vorbei. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Mit der Bavaria im Hintergrund bekommt Muschler ein „Auf Wiedersehen“ im Chor, lächelt und geht zu seinen Spezln ins Hippodrom. Der Sack Flöhe zieht wieder in Richtung Schule– und ein besonderer Unterrichtstag geht damit zu Ende. Von Florian Falterer

Artikel vom 27.09.2012
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