Grüne Dorfen zeigen nächsten Schritt zur Energiewende auf

Dorfen · Strom selbst erzeugen

Die Räume, die die Grünen mit ihren Themen füllen, werden immer größer. Dieses Mal reichte der große Saal im Tagwerk-Hotel kaum noch aus.	Foto: bb

Die Räume, die die Grünen mit ihren Themen füllen, werden immer größer. Dieses Mal reichte der große Saal im Tagwerk-Hotel kaum noch aus. Foto: bb

Dorfen · Energie soll nicht nur regenerativ erzeugt, sondern möglichst auch selbst verbraucht oder zumindest für die sonnen- und windlosen Stunden zwischengespeichert werden. Diese Meinung vertreten die Grünen in Dorfen zum Thema Energiewende. Dass sie damit sehr nah dran sind an den Interessen der Dorfener selbst sah man daran, dass die Zuhörerschaft bei den Vorträgen jedes Mal deutlich größer wird.

Dieses Mal platzte der große Saal im Tagwerk-Hotel aus allen Nähten. Ortsvorstand Eckhard Engel führte in den Abend ein, indem er nochmals die Ziele von „3 x 100% erneuerbar“ zusammenfasste. „Wir wollen, dass bis 2015 100 Prozent des elektrischen Stroms und bis 2030 100 Prozent der Wärme in Dorfen aus erneuerbaren Energieträgern produziert wird – und alles im Rahmen von regionalen Investitionen. Unser Geld soll hier bleiben.“ Gerade im ländlichen Raum um Dorfen böten sich viele Möglichkeiten, durch Investition in erneuerbare Energien die heimische Wirtschaft zu fördern und einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. „Wir wollen keine Energieautarkie in Dorfen, sondern den dreckigen Kohlestrom ersetzen durch Strom aus erneuerbaren Energieträgern, Biogas, Photovoltaik und natürlich auch massive Einsparungen“, so Engel.

Norbert Schertler, Diplom-Physiker und Energiefachmann der Grünen, berichtete, dass Strom aus Photovoltaik in Deutschland im ersten Halbjahr 2012 mit 4,5 Prozent Anteil am Gesamtstromverbrauch deutlich mehr als aus Wasserkraft (3 Prozent) erzeugt wurde und nur noch knapp hinter der Biomasse (5 Prozent) liege. „Die erneuerbaren Energien tragen jetzt rund 22 Prozent zur Stromproduktion bei, Atomkraft nur noch 17 Prozent. Das Ziel ist aber 100 Prozent erneuerbar, dann sollen 45 Prozent aus Windenergie, 30 Prozent aus der Sonne, 20 Prozent aus Gas (Erd- und Biogas) und der Rest in kleineren Anlagen erzeugt werden“, so Schertler.

Aus seiner Sicht sollten dezentrale Photovoltaik- und Windanlagen in Deutschland gebaut werden, dass man auch auf die teuren, neuen Leitungen verzichten könne. „Wo man wirklich neue Trassen benötigt, kann man sie mit technischen Neuerungen wie Hochleistungsseilen, Gleichstrom sowie dem Hochsetzen bestehender Leitungen von 220 auf 380 Kilovolt auf ein Minimum reduzieren. Auch hier wird von der Großindustrie gemeinsam mit der Bundesregierung Panik gemacht, um die hohen Kosten zu rechtfertigen.“

Ein Problem bei der Photovoltaik sei laut Schertler, dass man zwar im Sommer viel Strom produzieren könne, diesen aber gar nicht benötige – im Winter sei es genau umgekehrt. „Jeder sollte sich eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach bauen, und jeder sollte dann davon so viel Strom wie möglich selbst verbrauchen. Zum einen beträgt die Einspeisevergütung nur noch 18 Cent je Kilowattstunde – kaufen muss ich den Strom aber für 25 Cent. Daher muss ich meine stromintensiven Geräte – wie Waschmaschine oder Trockner – über Zeitschaltuhren eben dann anstellen, wenn ich den dazu nötigen Strom selbst produziere. Und das ist am Tag und nicht in der Nacht, wie es heute viele falsch machen.“ Was man selbst nicht verbrauchen kann, das müsse eben für ein paar Stunden oder maximal einen Tag zwischengespeichert werden, für Privatleute und kleine Gewerbebetriebe gebe es intelligente Batteriespeicher, die nicht größer sind als ein Kühlschrank – allerdings im Moment noch zwischen 7.000 und 20.000 Euro kosten.

„Diese schlauen Stromspeicher stimmen nicht nur Einspeisung und Ladung aufeinander ab, sondern schalten auch große Stromverbraucher, wie Waschmaschinen oder Kühlaggregate genau dann zu, wenn die PV-Anlage viel Strom produziert. „Im Schnitt können so übers Jahr 75 Prozent des Eigenstrombedarfs erzeugt werden. Eine feine Sache, man kann steigenden Strompreisen gelassen entgegenschauen. Technisch ist dies möglich und in vielen Fällen auch heute schon wirtschaftlich.“ Andererseits ist an manchen Tagen viel mehr Strom aus Sonne und Wind vorhanden, als gebraucht wird. Anstatt dann Solaranlagen abzuregeln und Windräder stillzulegen, könne dieser Strom für lange Wintermonate gespeichert werden. Mit der „Power to Gas“ (Windgas)-Technologie werde mit Überschuss-Strom aus Wasser und in mehreren physikalischen Schritten zunächst Wasserstoff und dann Methan erzeugt.

„Dieses kann nicht nur problemlos in das Erdgasnetz eingespeist, sondern dort auch gespeichert und bei Bedarf, etwa im Winter, in Blockheizkraftwerken wieder zu Strom werden“, so Schertler. Gaskraftwerke sind aus seiner Sicht wesentlich ökologischer als Kohle, zudem flexibler und daher ideal geeignet, um Stromlücken zu schließen. Aber Erdgas-Kraftwerke sind nur rentabel, wenn sie kontinuierlich laufen. „Daher ist die Lösung Biogas, das sehr gut gespeichert werden kann. Wenn es nicht nur aus Mais erzeugt wird, dann werden viele Biogaskraftwerke gemeinsam zu einem Schwarmkraftwerk zusammen geschaltet, das sind dann vernetzte Biogas-Blockheizkraftwerke anstatt Großkraftwerke“, führte Schertler aus. „Der Wind deckt dann die Grundlast, Biogas die Spitzenlast ab.“ bb

Artikel vom 23.08.2012
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