Erzieherin scheitert mit ihrem Betreuungskonzept für Schüler

Waldtrudering · Kein Platz für Ideen

Die Betreuungssituation in 15. Stadtbezirk ist unbefriedigend: Die Betreuungsidee einer Erzieherin scheitert an bürokratischen Hürden.	Foto: ar

Die Betreuungssituation in 15. Stadtbezirk ist unbefriedigend: Die Betreuungsidee einer Erzieherin scheitert an bürokratischen Hürden. Foto: ar

Waldtrudering · »Warum nicht nach über 30 Berufsjahren als Erzieherin im Kindergarten mit Mitte fünfzig den Sprung in die Selbstständigkeit wagen?«, das dachte sich eine Erzieherin aus Waldtrudering, die anonym bleiben will, und hatte dazu auch ein perfekt wirkendes Konzept.

Da sie nicht nur über die fachlichen Qualifikationen, sondern auch über geeignete Räume im eigenen Haus verfügt, wollte sie Grundschüler nachmittags betreuen. Aber das Modell Tagesmutter als Vollzeiterwerbstätigkeit ist nicht einfach umzusetzen. Neben bürokratischen Hürden gab es von der Stadt auch Absagen zur Anfangsfinanzierung, Hilfe im Krankheitsfall oder bei anderen Verdienstausfällen.

»Ich habe sehr gerne im Kindergarten gearbeitet«, so die Erzieherin. »Zusätzlich bin ich ausgebildete Lernpädagogin. Das Thema Förderung von Kindern, die ergänzend zum Unterricht besondere Betreuung brauchen, liegt mir am Herzen. Mein Ziel war und ist es, als Lerncoach nachmittags Kinder anzuleiten und individuell zu fördern.« Nun hätte sich eine ideale Möglichkeit ergeben, die langjährigen Pläne in die Tat umzusetzen. Denn die Waldtruderingerin lebt nicht nur in einem Stadtteil, in dem der Bedarf nach Nachmittagsbetreuung von Grundschüler sehr hoch ist. Sie hat auch ein eigenes Haus mit Garten nahe des Waldes und der Grenze zur Nachbargemeinde Haar und vor allem nahe der Grundschule an der Turnerstraße. Von dort sollten ihre Tageskinder oder besser Tagesschüler kommen.

Der Plan war ganz einfach: Zwei Räume im Haus werden nur von den Grundschülern genutzt und entsprechend eingerichtet. Die Kinder kommen unmittelbar nach der Schule zu ihr. Dann hat sie ein Mittagessen vorbereitet. Nach einer angemessenen Pause machen die Schüler unter ihrer Betreuung die Hausaufgaben. Dort, wo es nötig ist, gibt sie professionelle Lernhilfe und Anleitung. Je nach Bedarf der Eltern wollte sie die Kinder bis 17 oder 18 Uhr betreuen. Auch der eigene Garten, der seit dem Auszug ihrer Tochter alleine lebenden Frau, wäre dann zum Einsatz gekommen. Außerdem hatte sich die Erzieherin gedacht, dass es sinnvoll wäre eine Ferienbetreuung anzubieten. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie schwierig es ist, alle Schulferien kindgerecht abzudecken. Mit ihrem Betreuungskonzept für fünf Schulkinder dachte sie bei der Stadt München offene Türen einzurennen. Vorausschauend hatte sie auch schon den erforderlichen Qualifikationskurs, die Ausbildung zur Tagesmutter für Kinder von 0 bis 14 Jahre gemacht.

Aber die Gespräche mit den Zuständigen für Tagesmütter beim Sozialreferat am Orleansplatz zeigten, wie mühsam es ist, eine solche Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Damit sie ihre fünf Nachmittagsplätze zu einem bezahlbaren Preis anbieten kann, hatte sie erwartet, dass München ihre Betreuungsplätze finanziell fördert. Diese Förderung bedeutet nicht nur, dass die Stadt zwei Euro der Stundensätze von 5,50 Euro für die Eltern bezahlt, sondern auch, dass die Kinder bei Erkrankung der Tagesmutter in einem sogenannten Ersatzpool betreut werden können.

Aber: im speziellen Fall der Waldtruderinger sollte es diese Lösung nicht geben. Denn, nach ihren Aussagen, gibt es in München keine Tagesmütter, die ausschließlich Grundschüler betreuen. Und deshalb könne man Ersatzplätze nur für Krippen- und Kindergartenkinder anbieten. Und eine Notfall-Versorgung durch ihre Freundinnen, die die Betreuung bei ihr im Haus temporär übernehmen könnten, ließe sich war organisieren, ist aber bürokratisch gar nicht zu regeln. Alle Springer müssten außerdem die offizielle Tagesmutterausbildung haben. Neben dem vollen Risiko im Krankheitsfall bedeutet diese Absage von der Stadt auch, dass die Waldtruderingerin laut ihrer Meinung, ihre Nachmittagsplätze für mindestens 600 Euro pro Kind und Monat anbieten müsste. Ein Preis, der manche Eltern dann doch abschreckt oder dazu veranlassen könnte, ihre Kinder nach einer gewissen Zeit wieder abzumelden.

Das jedoch erschreckt die Erzieherin und Lernpädagogin: Wie soll sie sich in den nächsten – noch über zehn Berufsjahren – stabil finanzieren, wenn es immer wieder Leerplätze gibt und sie nicht durchgehend fünf Kinder pro Jahr betreuen kann? »Als Alleinstehende muss ich von dem Einkommen leben, das ich selber verdiene, und solide kalkulieren. Wenn die Stadt München mich nicht fördert, ist das schwierig.« Und auch nicht gut verständlich, denn nahezu alle Kinderbetreuungsplätze in Einrichtungen werden von der Stadt mitfinanziert.

Turnerschule begrüßt die Betreuungsidee

Im Gegensatz zum Sozialreferat war die Erzieherin dagegen bei der Rektorin der Turnerschule mit ihrer Idee sehr willkommen. Sie hätte hier auch sofort eine Anstellung als Betreuerin und Lernpädagogin in den Ganztagsklassen gefunden, die weiter ausgebaut werden sollen. Der Haken hier: die Rektorin sucht zwar Fachpersonal, kann für diese qualifizierte Arbeit aber nur 400 Euro-Jobs beziehungsweise nun den etwas höheren Satz für diese besonderen Beschäftigungsverhältnisse bezahlen.

Keine Förderung durchs Arbeitsamt

Ein weiterer Weg durch den Behördendschungel führte die Erzieherin schließlich zum Arbeitsamt. So schnell wollte sie ihre Idee nämlich nicht verwerfen und hoffte, zumindest hier eine Risikoabminderung in Form eines Existenzgründerdarlehens für die Einrichtung der beiden Räume zu bekommen. Doch was für viele den Sprung in die Selbstständigkeit erfolgreich ebnet, galt nicht für die Erzieherin: »Sie könne ja in ihrem Beruf bleiben und weiter in Kindergärten arbeiten«, hieß es lapidar. Ob andere Tätigkeitsmodell nicht sinniger wären, spielt dabei keine Rolle. »Mich ärgert, dass man hier nach Schema F vorgeht, und egal, ob man Berufsanfänger ist oder wie ich sehr viele Jahre Erfahrung hat, alle Startkapitalhilfen für Erzieher ablehnt. Und das, wo bei anderen nach dem Gießkannenprinzip Darlehen bewilligt werden.«

Nach zahlreichen Behördengängen, hat sie nun eine neue Stelle in einem Kindergarten angenommen, allerdings nur mit 30 Wochenstunden. »Von vielen Eltern, mit denen ich bereits in Kontakt getreten bin, weiß ich, dass der Bedarf an meinem konkreten Angebot vor Ort in Waldtrudering besteht. Hier war es immer schon ganz eng mit Betreuungsplätzen.« Sogar von ihrer Arbeit im Kindergarten kann sie sagen: »In all den Jahren konnten wir nie alle Kinder aufnehmen, die sich angemeldet haben. Auf keinen Fall hat sich irgendetwas verbessert, seit ich vor 20 Jahren selber meine Tochter aufgezogen habe. Wenn ich heute an den zahlreichen Bauvorhaben den Slogan »Kinderfreundliches Wohnen im Grünen« lese, finde ich es bitter, dass die Infrastruktur dafür in keiner Weise gegeben ist.« Mit ihrer beruflichen Neuausrichtung geht es jedoch voran: Sie hat mit Erfolg begonnen, Waldtruderinger Grundschüler und Gymnasiasten einzeln und stundenweise als Lerncoach zu fördern. Vielleicht lässt sich das Konzept doch noch erfolgreich ausbauen. bus

Artikel vom 14.08.2012
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