Schülerin erlebt sechs Monate »Klassenzimmer unter Segeln«

Vaterstetten · Um die halbe Welt

Sechs Monate lernte und lebte die Vaterstettener Schülerin Katharina Göbel (16) auf dem Segelschoner Thor Heyerdahl.	Fotos: Humboldt Gymnasium

Sechs Monate lernte und lebte die Vaterstettener Schülerin Katharina Göbel (16) auf dem Segelschoner Thor Heyerdahl. Fotos: Humboldt Gymnasium

Vaterstetten · Türkisblaues Wasser, weißer Strand, Palmen: Von solchen Lernbedingungen träumen sicher viele Schüler. Katharina Göbel (16), Zehntklässlerin am Humboldt-Gymnasium Vaterstetten, kam in diesen Genuss – sechs Monate lang.

»Klassenzimmer unter Segeln«, kurz: KUS, nennt sich das Projekt, das die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Institut für Sportwissenschaft und Sport sowie dem Institut für Lern-Innovation durchführt. Das Ziel: junge Menschen in ihrer Selbständigkeit fördern, Eigeninitiative und Verantwortungsgefühl stärken, die Lernmotivation fördern und vieles mehr. Katharina ist stolz und glücklich, dass sie unter den Auserwählten war, die auf dem Topsegelschoner Thor Heyerdahl über den Atlantik kreuzen durfte. »Das war das größte Abenteuer meines Lebens«, strahlt sie.

Zufällig hatte sie den Flyer in der Schule entdeckt. »Ich wusste sofort. Da muss ich mit!« Eltern und Lehrer waren einverstanden, also bewarb sie sich – und wurde prompt zu einer Probewoche an der Schlei eingeladen. Dort lernte sie andere Bewerber kennen und erste Grundbegriffe des Segelns. Es folgten drei Wochen bangen Wartens – dann kam die Zusage. »Anfang Oktober bin ich dann nach Kiel gefahren, wo die Thor Heyerdahl ankerte und half zusammen mit den anderen 31 Jugendlichen, die meisten aus Bayern, das Schiff seeklar zu machen, Proviant zu verladen und einiges mehr«, erzählt Katharina.

Ihre größte Herausforderung: »Wir mussten abwechselnd Wache schieben, auch nachts, von 2 bis 5 Uhr. Es ist kalt, du bist allein auf hoher See - das war am Anfang ganz schön unheimlich, besonders, wenn es mal etwas stürmischer war. » Aber das Vertrauen in das Schiff wuchs schnell. Und die Erlebnisse auf der Reise entschädigten ohnehin für alles andere. Über Teneriffa und Kapverden ging es Richtung Karibik. »Da haben wir dann auf einer Insel erst mal unter sternenklarem Himmel unsere Ankunft gefeiert«. Nach ein paar Tagen Riff-Ferien, in denen sie einfach nur die Zeit genießen konnten, ging es weiter über Grenada nach Panama. Unterwegs war nicht nur Segeln lernen angesagt, sondern auch ganz normaler Unterricht in neun Fächern nach dem bayerischen Lehrplan. »Das Wasser schwappte uns um die Füße und wir mussten unsere Schulsachen bei dem Wellengang ganz schön festhalten«, erinnert sich Katharina. In Panama blieben sie einen Monat lang.

Schwer bepackt mit Trekking-Rucksäcken liefen sie vier Stunden lang durch den Regenwald in ein Urwald-Camp, lernten die Bewohner und die andersartige Natur kennen. Dann folgte der Kulturschock: Panama-City mit dem Staub und Lärm einer Millionenstadt. Weiter westwärts, in Boquete, wohnten sie eine Woche lang in Gastfamilien und erhielten Intensivunterricht Spanisch in einer Sprachenschule. Anschließend ging es zurück in die Natur, auf den Baru, mit 3.470 Metern der höchste Berg Panamas. Ein weiteres Highligt war die fahrt per Einbaum den Fluss hinauf zu den Naso Indianern.

Oldtimer, Pferdekutschen und Fahrradtaxis, den Hauch des Sozialismus in jedem Winkel erlebten die Schüler in Kuba. »Das Land hat einen ganz besonderen Charakter und Charme«, schwärmt Katharina. »Die Menschen dort sind unglaublich freundlich, aufgeschlossen und sehr musikalisch und tänzerisch begabt«.

Vier Monate waren bis dahin vergangen, geografisch gesehen nahm das Schiff wieder langsam Kurs auf Deutschland – mit einem Schlenker über die Bermudas und die Azoren. Höhepunkt dieses Insel-Vergnügens war das Whale-Watching, wo Katharina zum ersten Mal einen Blauwal live zu sehen bekam. Dazwischen wurden diverse Schiffsarbeiten erledigt wie Deck schrubben und kochen, es wurde für Schulaufgaben gebüffelt, sie lernten Wetter- und Winddaten auszuwerten. »Wir sind in der Zeit zu einer großen, 50-köpfigen Familie zusammengewachsen, in der jeder so akzeptiert wurde, wie er war«, sagt Katharina ein wenig schwermüig.

Am 21. April war die Thor wieder in Kiel gelandet und der Abschied war tränenreich, auch wenn auf der anderen Seite die Freude über das Wiedersehen der Familie stand. »Es ist schwer zu sagen, was das Schönste auf dieser Reise war. Die fremden Kulturen waren interessant, der Bord­alltag genial, aber die Gemeinschaft an Bord war einfach das Beste«, resümiert sie. Seit ihrer Ankunft ist sie fast jedes Wochenende bei ihren neuen Freunden, die sie dort kennengelernt hat, mal in Augsburg, mal in Nürnberg oder anderswo in Bayern.

Nach den Sommerferien beginnt wieder der normale Schulalltag am Humboldt-Gymnasium. »Ich rücke zur Probe in die 11. Klasse vor, wenn ich keine Fünf im Halbjahreszeugnis habe, darf ich weitermachen«, sagt Katharina. Gelernt hat sie aber bereits für’s ganze Leben, meint sie. Sybille Föll

Informationen zu dem Projekt »Klassenzimmer unter Segeln« gibt es unter www.kus-projekt.de.

Artikel vom 31.07.2012
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