Ein weiterer Präventionsautomat kommt nach Neuperlach

Neuperlach · Mehr Sicherheit

Drogenberater Otto Paetsch und Thomas Krahe von Condrobs bieten Spritzbesteck für Drogenabhängige. Foto: aha

Drogenberater Otto Paetsch und Thomas Krahe von Condrobs bieten Spritzbesteck für Drogenabhängige. Foto: aha

Neuperlach · Kommt die Drogenszene bald gezielt nach Neuperlach-Zentrum, um sich hier den Schuss zu setzen? »Nein!« antworten Michael Tappe, Fachlicher Leiter der Münchner Aids-Hilfe e.V., und Thomas Krahe, Leiter der Suchtfachstelle Ost in Neuperlach, blitzschnell und überzeugt. Die Süchtigen »legen ganz entschieden Wert auf Anonymität und verlassen den Automaten schnellstens wieder«, weiß Tappe aus langjähriger Erfahrung mit den zwei bisherigen Präventionsautomaten am Gesundheitshaus Dachauer Straße 90 und am Goetheplatz.

Vier weitere Präventionsautomaten in jeder Himmelsrichtung Münchens sollen die zwei vorhandenen ergänzen. Die Münchner Aids-Hilfe will bald den ersten in Neuperlach-Zentrum aufstellen und betreuen. Sie folgt damit einem Stadtratsbeschluss von vor über zwölf Jahren, der in München insgesamt zehn Automaten vorsieht. An Präventionsautomaten erhalten Drogenabhängige rund um die Uhr sterile Spritzen, Nadel, Ascorbinsäure zum Auflösen der Droge und Tupfer sowie Kondome und können benutzte Spritzen sicher entsorgen. Auch an Wochenenden und Feiertagen, wenn sie aufgrund ihrer Sucht und oft damit einher gehenden psychischen Erkrankung nicht vorsorgen konnten. Kriegen sie keine sterilen Spritzen, müssen die Süchtigen bereits benutzte Spritze nutzen und laufen Gefahr, sich mit HIV und HCV (Hepatitis C Virus) zu infizieren. Schätzungsweise 5 Prozent der ungefähr 5000 Opiat-Abhängigen in München sind aktuell mit HIV und bis zu 80 Prozent mit HCV infiziert. Viele haben eine Doppelinfektion, nennt Tappe die Zahlen. Dabei sei die Zahl der Neuinfektionen um 50 Prozent gesunken, seit in Deutschland über Kontaktläden, Substitutionspraxen und Spritzenautomaten Spritzentausch angeboten wird. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil Kontaktläden und Beratungsstellen Anonymität zusichern und die Drogensüchtigen sich meist wohnortfern versorgen.

So kann Krahe für den Münchner Osten nur auf etwa 500 Personen verweisen, die pro Jahr in den Condrobs Kontaktladen in der Ollenhauerstraße und in der Condrobs Beratungsstelle in der Therese-Giehse-Allee kommen und auf insgesamt 4.500 bis 5.000 Kontakte pro Jahr. »Der Präventionsautomat ist aus unserer Sicht sehr sinnvoll, weil die Leute wirklich sterile Spritzen nutzen«, betont Krahe. Über die Automaten wolle man auch mit weiteren Betroffenen in Kontakt kommen, um sie bei Bereitschaft über ein Substitutionsprogramm für eine Entziehungskur zu gewinnen. »Allerdings schaffen nur 5 Prozent überhaupt den Entzug, daher ist es wichtig, die Hilfe bei Substituierten zu optimieren, damit sie trotzdem ein menschenwürdiges Leben führen können«, erklärt Krahe, der seit über zehn Jahren in Neuperlach tätig ist. Ein Präventionsautomat bietet also Chancen zu mehr Sicherheit. Gefahren birgt er nach Tappe weniger, da der Geldeinwurfschlitz für Kinder zu hoch ist und Probleme mit Jugendlichen noch nirgends aufgetreten seien. An den zwei Präventionsautomaten in München hätten sich weder neue Gruppen gebildet, noch habe sich die Szene in deren Nähe gesammelt oder seien herumliegenden Spritzen gefunden worden. Aber man erreiche über den Automaten viele Abhängige, die nicht die Kontaktläden aufsuchen. 2011 wurden über den Automaten an der Dachauer Straße 3003 Packs mit Spritzutensilien und 173 Packs mit Kondomen abgegeben. Über den Automaten am Goetheplatz waren es 5147 Packs mit Spritzutensilien und 101 Packs mit Kondomen.

Der Bezirksausschuss Ramersdorf Perlach (BA 16) begrüßt den Präventionsautomaten. Über den vorgeschlagenen Standort – entweder seitlich des Uhrenturms am pep oder an der Süd-Ost-Ecke des Kulturhauses am Hanns-Seidel-Platz – soll eine Kommission Ende August befinden. Er soll öffentlich, belebt und erleuchtet, gut erreichbar, aber diskret sein.

Angela Boschert

Artikel vom 17.07.2012
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