130 Jahre Sportgeschichte in Harlaching/Giesing geschrieben

Harlaching/Giesing · Turnerbund feiert

Anmut und Spaß am Sport, so sahen 1923 die Sportlerinnen des TSV Turnerbund München aus.	Foto: Turnerbund

Anmut und Spaß am Sport, so sahen 1923 die Sportlerinnen des TSV Turnerbund München aus. Foto: Turnerbund

Harlaching/Giesing · Am Samstag, 30. Juni, feiert der TSV Turnerbund München e.V (TBM) sein 130-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass steigt rund um die Städtische Turnhalle an der Säbener Straße 49 ein »Tag der offenen Tür«.

Der TBM zeigt von 10.00 bis 17.00 Uhr drinnen und draußen ein sportliches Programm. So kann man sich beispielsweise um 10.15 Uhr von einer Folkloretanz-Darbietung bezaubern oder um 15.10 Uhr von einer Vorführung der Cheerleader begeistern lassen. Das große Finale um 18.00 Uhr sollte man auf keinen Fall verpassen, da wird zur Turnshow mit dem Cheerleadern, den Rope-Skippern und Trampolin-Springern geladen.

Außerdem sind alle Altersgruppen zum Mitmachen aufgerufen. Vom traditionellen Turnen über European Tae Bo, Rope Skipping und Gesundheitssport bis zum Tischtennis (12.30 bis 14.00 Uhr) und Kegeln (14.00 bis 16.00 Uhr in der MKV-Kegelhalle) wird für jeden etwas dabei sein. Für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt. Der 130 Jahre alte Sportverein zählt derzeit 2.414 Mitglieder, davon rund 1000 Kinder und Jugendliche. Seine Anfänge nahm er im Gasthaus »Neudeckgarten«, dort wo heute die Auer Dult mehrmals jährlich stattfindet. Am 20. Juli 1882 schlug die Geburtsstunde eines der ältesten Turnvereine der Stadt, des TSV Turnerbund München e.V., bis zum Jahre 1903 »Turnverein Au-Giesing« oder auch »Au-München« genannt. Unter Leitung des Schreinermeisters, ehrenamtlichen Feuerwehrmannes und Armenpflegschaftsrates Michael Berndl (20.10.1846 bis August 1914,) fand man sich in dieser Gaststätte zur konstituierenden Hauptversammlung ein.

Die Vorstadt Au befand sich Ende des 19. Jahrhunderts in einem spektakulären Umbruch. Waren oben auf der Giesinger Höhe noch viele und stattliche Bauernhöfe zu finden, so hatte die Gründerzeit eine Unzahl von kleinen Handwerkern, nachgeborenen – also nicht erbberechtigten – Bauernsöhnen, Vaganten, Komödienspieler und sonstigem armen und auch zwielichtigem Volk an den unteren Isarabhang in die Au gespült. Dort wohnten sie nun in ihren hölzernen, armseligen Herbergs-häuschen in der Birkenau, der Falkenau, Lohe und anderen Stadtteilen. Viele offene Feuerstellen waren eine stete Brandgefahr. Und der dicht vorbei fließende Auer Mühlbach sorgte für die »Hygiene«.

In diesem sozial brisanten Umfeld konnte ein Turnverein nicht nur wegen seines gesundheitlichen Aspektes, sondern auch wegen seiner Integrationsfähigkeit zu einem gesellschaftlichen Kommunikationspunkt werden. Geturnt wurde auf dem Sommerturnplatz an der Frühlingsstraße (heute Eduard-Schmid-Straße), in Alt-stadelheim und im Turnsaal der Maria-Hilf-Schule.

Ab 1905 durften auch die Frauen mitmachen. Der »Turnerbund«, wie er sich ab 1903 nannte, war der zweite Verein, der das Mädchen- und Frauenturnen in München und Bayern einführte. Maßgeblich beteiligt an dieser Neuerung waren der Vereinsturnlehrer Henne und der Armenarzt und Leichenbeschauer, königlicher Geheim- und Sanitätsrat, Vorsitzender und später Ehrenvorsitzender des TBM Dr. Josef Freudenberger. Der Freudenberger-Weg in Haidhausen erinnert heute noch an ihn.

Das erste Vereinsheim stand in der Pilgersheimer Straße

Im Jahre 1897 hatte die St.-Nikolaispital-Stiftung der Stadtgemeinde München dem Verein ein Grundstück an der Pilgersheimer Straße, mit der Auflage, dass der Platz in Zukunft nur turnerischen Zwecken dienen dürfe, überlassen. Im Jahre darauf war das Vereinsheim des Turnvereins Au-Giesing mit Turn- und Bewirtschaftungsräumen fertig gestellt. 45 Jahre lang war das Gebäude ein sportlicher und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Au und Untergiesings. Hier fanden nicht nur turnerische Leistungen statt (berühmt waren unter anderem die jährlich stattfindenden Staffelläufe von Grünwald nach Giesing), sondern der Verein veranstaltete regelmäßig öffentlich zugängliche Faschingsbälle und Tanzvergnügen für die gesamte Vorstadt. Außerdem war das Vereinsheim Probe- und Aufführungsort von Männergesangsvereinen.

Im Januar 1942 »ermietete« die Unterkunftsverwaltung des Luftgaukommandos VII die Räumlichkeiten des TBM. Es wurde eng in den Turnräumen; auch als kurzfristig der Fußballverein Bayern 1860 nach der Bombardierung seiner Räumlichkeiten an der Auenstraße Unterschlupf an der Pilgersheimer Straße 11 fand. Dieses allen Turnerbündlern sehr am Herzen liegende Vereinsheim wurde in einer Bombennacht vom 2. auf den 3. Oktober 1943 in Schutt und Asche gelegt. Nach Kriegsende turnten die Mitglieder zweimal wöchentlich im provisorischen Schulturnsaal der Ichoschule, man hoffte, sein Vereinsheim in den nächsten Jahren wieder aufbauen zu können.

Auch nach dem Krieg führte kein Weg mehr zurück

Diese Hoffnung zerschlug sich, als am 21. August 1950 dem damaligen TBM-Vorstand ein Schreiben des Liegenschaftsamtes zuging, in dem mitgeteilt wurde, dass auf dem Grundstück Pilgersheimer Straße 11 mit dem Bau eines Obdachlosenheimes begonnen und deshalb die Überlassungsschreiben aus dem Jahre 1947 zurückgenommen würden. Das Wiederbenützungsrecht für den Agilolfingerplatz durch die Fußballabteilung hatte man hingegen erhalten. In den nächsten Jahren besaß der Turnerbund zwar kein eigenes Heim, turnte aber mit seiner ständig steigenden Mitgliederzahl in mehreren Turnsälen Auer, Giesinger und Harlachinger Schulen.

Seit 1966: Neues Zuhause in der Säbener Straße

Erst im Jahre 1966 erhielt der TBM nach langem Hin und Her zwischen der Stadt München und dem Vereinsvorstand in der Städtischen Sporthalle an der Säbener Straße 49 eine ausreichend große Trainingsstätte für seine mittlerweile 1.328 Mitglieder. Maßgeblich für den Aufbau verantwortlich war über 30 Jahre lang der 1. Vorsitzende und spätere Ehrenvorsitzende Sepp Mayr (1916 – 2000). Neben seinem Beruf und seiner Arbeit für den Turnerbund fand er auch noch Zeit für die Tätigkeit als Präsident des Bayerischen Turnerbundes (BTV). Sein Engagement machte ihn zum Träger hoher sportlicher Auszeichnungen: neben der TBM- Nadel in Gold mit Brillanten für langjährige Vorstandstätigkeit erhielt er auch die Ehrennadel in Silber und Gold des BTV sowie die Ehrennadel in Silber des Deutschen Turnerbundes (DTB). Unter seiner Ägide fanden der Kauf des 10.000 Quadratmeter großen Waldspielplatzes in Ödenstockach und der Bau des Vereinsheims in Sachrang (Chiemgau) statt. Dieses Haus trägt ihm zu Ehren seinen Namen. Heute turnen sehr erfolgreich seine Urenkel in 5. Generation im und für den Turnerbund. Als Nachfolger von Sepp Mayr folgte 1983 Helmut Schnappauf auf den Platz des 1. Vorsitzenden des Vorstands. Auch er wurde für seine hervorragenden Verdienste um den Sport von der Stadt München 2003 mit der Ehrennadel in Silber ausgezeichnet. Unter Helmut Schnappauf erwarb der TSV Turnerbund München e.V. ebenfalls eine Immobilie. Seit April 1999 steht das wunderschön im Schatten der Schlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein gelegene »TBM-Sportheim« unseren Mitgliedern für sportliche Aktivitäten zur Verfügung.

Auch Geselligkeit wird beim TBM groß geschrieben

Eine Besonderheit innerhalb der Turn- und Sportabteilungen ist die Ehrenabteilung mit dem schönen Namen »Turnerlust« (TuLu). Sie wurde anno 1900 als sogenannte »Tischgesellschaft« gegründet, war nur Männern vorbehalten, die sich um den Turnerbund verdient gemacht hatten, und unterstützte mit regelmäßigen Spenden die aktiven Jugendlichen, damit diese an Wettkämpfen teilnehmen konnten. Außerdem hatte sie sich die Pflege der Geselligkeit auf ihre Fahne geschrieben. Seit 1983 sind endlich auch Frauen in der TuLu zugelassen und werden auch von einer Frau, nämlich Rosi Burgmeier, geleitet. Ziel und Zweck der Turnerlust ist seit 1900 gleich geblieben. Der Breitensportverein bietet aber nicht nur eine große Auswahl an unterschiedlichen Sportangeboten an, sondern hat auch zahlreiche herausragende Sportler hervorgebracht. So gehören unter anderem die Cheerleader »Munich Cheer Allstars« zu den zehn besten deutschen Mannschaften und stellt der TBM mit Leon Zaunseder ein Mitglied der deutschen Jugendmannschaft, das bei der Trampolin-EM mit Erfolg (Silbermedaille) teilgenommen hat.

Platzsorgen quälen heute den TBM Vorstand

Die Nachfrage nach Kursen ist unvermindert, nur eine Sorge quält den Vorstand. »Wir brauchen dringend mehr Platz für unser umfangreiches Sportangebot. Vor allem in Hinblick auf den Abriss und den Neubau der Sporthalle am Theodolindengymnasium brauchen wir unbedingt Ersatz für die ausfallenden Räumlichkeiten«, betont der Vorsitzende Helmut Schnappauf. Der Traum der stetig wachsenden Sportfamilie wäre eine eigene Halle, irgendwo in Harlaching oder Giesing, um die Erfolgsgeschichte im vollen Umfang auch die nächsten 130 Jahre weiterführen zu können. hw/Ingrid Gail

Artikel vom 26.06.2012
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