Behinderte und Nichtbehinderte: Miteinander im Verein

Schwabing · Den Umgang üben

Carola Walla, Gaby Krüger und Elisabeth Wufka (v. l.) freuen sich über am Verein Interessierte, die sich auch ehrenamtlich engagieren möchten.	Foto: scy

Carola Walla, Gaby Krüger und Elisabeth Wufka (v. l.) freuen sich über am Verein Interessierte, die sich auch ehrenamtlich engagieren möchten. Foto: scy

Schwabing · Im Kinofilm »Ziemlich beste Freunde« wird die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft erzählt, die zwischen einem schwer Körperbehinderten und einem arbeitslosen »Underdog«.

Dabei wird gezeigt, das Behindertsein nichts Exotisches ist. »Wir wollen, dass behinderte Menschen nicht erst in die Gesellschaft integriert werden müssen, sondern von Anfang an dazu gehören«, sagt Carola Walla, Beraterin beim Verein »Club Behinderter und ihrer Freunde (CBF)« für den Bereich München und Region. Sitz der Initiative ist seit gut zehn Jahren Schwabing. Ein beschaulicher Ort an der Johann-Fichte-Straße 12, mit Garten drumherum, ein Ort, an dem sich Behinderte und Nichtbehinderte treffen. »Im Grunde wünscht man sich doch ein normales Verhältnis zueinander.

Und besonders Nichtbehinderte können das bei uns sozusagen üben«, so Walla. Man unterstützt sich gegenseitig, man redet miteinander, man feiert Feste. An jedem ersten Mittwoch im Monat findet ein Stammtisch statt, ein offener Treff ohne festgelegtes Thema, an dem jeder, der möchte, teilnehmen kann. Der nächste Termin ist am Mittwoch, 4. Juli, um 19 Uhr im Hotel Fleming’s, Leopoldstraße 130. Beliebt sind auch die Rollstuhlwanderungen, beispielsweise am Samstag, 14. Juli, durch den Pasinger Stadtpark entlang der Würm. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Pasinger Marienplatz vor dem Callshop Pasing Internetladen. »Auch da freuen wir uns immer, wenn Nichtbehinderte dabei sind«, sagt Walla. Gemeinsame Aktionen sind das eine, parallel gibt es gemeinsame Ziele. Was alle verbindet, ist das Engagement für die Belange Behinderter. »Wir haben zwar schon einiges erreicht, doch immer noch ist genug zu tun«, fasst es die Beraterin zusammen.

Vor 20 Jahren beispielsweise sei man noch schräg angeschaut worden, wenn man gefordert habe, dass Rollstuhlfahrer Zugang zu jedem Linienbus bekommen sollten »und heute ist das ganz normal«. Überhaupt hätte sich bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) viel getan, nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern unter anderem auch für Sehbehinderte. Miserabel hingegen sähe es bei Wohnungen aus. Laut Walla gibt es immer noch zu wenig behindertengerechten Wohnraum. Und die neu gebauten, die entsprechend ausgerüstet seien, wären meist nicht erschwinglich. Nachbessern müsse man auch in vielen Gaststätten, da fehlten häufig der barrierefreie Zugang und eine Rollstuhltoilette. »Besonders übel ist es, wenn Rollstuhlfahrer dann durch den Hintereingang gelotst werden«, berichtet die ehemalige Realschullehrerin. Und das sei kein Einzelfall. Überhaupt hinke Deutschland in Sachen Behindertenfreundlichkeit immer schwer hinterher. Anderswo in Europa, etwa in Italien, sei man da schon wesentlich weiter. Aktuell arbeiten Walla und ihre Kolleginnen Gaby Krüger und Elisabeth Wufka an einem Projekt, in dem Münchner Arztpraxen auf die Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer untersucht werden. Viel Arbeit, und auch nicht immer erfreulich. »Es ist halt wie überall, aber wir bleiben am Ball«, so Walla. Listen, welche Praxis oder welche Gaststätte welchen Zugang hat, finden sich auf der Homepage des Vereins. Wer ohne Internet ist, kann entsprechende Informationen auch per Telefon abfragen.

Arbeit gibt es genug – zur Zeit ist das Team deshalb auf der Suche nach weiteren ehrenamtlichen Helfern. Mehr denn je werden engagierte Leute gesucht, denn die Zivildienstleistenden fehlen inzwischen. »Es war keine gute Entscheidung, den Zivildienst abzuschaffen«, so Walla. Die jungen Männer hätten sehr viel gelernt, oft hätten sich Freundschaften zu den Behinderten entwickelt. Abschließend hat sie von den Zivis in der Regel Sätze wie diesen gehört: »Ich wäre nie freiwillig zu euch gekommen, aber jetzt möchte ich es nicht mehr missen.« Das zeige, wie erfüllend und bereichernd der Umgang miteinander ist.

Mehr Empathie, mehr Verständnis füreinander könne vor allem auch in einer Gesellschaft, die immer älter werde, nicht schaden. »Wir werden immer mehr Menschen sehen, die in irgendeiner Weise behindert sind – und vielleicht sind wir selbst auch irgendwann betroffen, das sollte man nie vergessen«, so Walla. Denn die meisten Behinderungen seien nicht angeboren, sondern würden im Laufe des Lebens erworben. »Es wäre schön, wenn man sich dann nicht auch noch sorgen müsste, plötzlich als Außenseiter dazustehen.« Weitere Informationen unter der Telefonnummer 3 56 88 08 und im Internet unter der Adresse www.cbf-muenchen.de. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 26.06.2012
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