Baustellen und Verkehr bereiten Politikern Kopfzerbrechen

Altstadt · Chaotischer Zustand

Wolfgang Püschel will das Verkehrs- und Baustellenchaos im Herzen der Stadt endlich beseitigen	Fotos: scy

Wolfgang Püschel will das Verkehrs- und Baustellenchaos im Herzen der Stadt endlich beseitigen Fotos: scy

Altstadt · »Welche Baustelle hätten S’ denn gerne?« So wie es rund um den Marienplatz in diesen Monaten hämmert und brummt und klopft, fällt es wahrlich nicht leicht, den Überblick zu behalten.

Und damit nicht genug: Tausende von Touristen, Einheimische, Einkaufsbummler, Rikschafahrer, Taxler und Radler bewegen sich kreuz und quer durcheinander, an Regeln mag sich kaum jemand halten, »Rambos« haben Hochkonjunktur, die einen hupen, andere schimpfen, wieder andere irren orientierungslos umher. Von wegen bayerische Gemütlichkeit – im Herzen der Stadt tobt das Chaos. Bleibt die Frage: Wann endlich ist ein Ende in Sicht? »So kann es auf jeden Fall nicht bleiben. Es muss dringend aufgeräumt werden«, fordert Wolfgang Püschel (SPD), Chef des Bezirksausschusses (BA1) Altstadt-Lehel.

Auch CSU-Politiker Richard Quaas drängt auf Veränderung. »Seit Jahren wird die Situation als unbefriedigend und gefährlich angesehen, aber es passiert nichts Konkretes, um die Lage durchgreifend zu verbessern«, so der Stadtrat. Und das, obwohl schon mehrfach gravierende Unfälle passiert seien. Mahlen die Mühlen auch extrem langsam, immerhin liegt inzwischen ein Maßnahmenkatalog vor, ausgearbeitet von der Stadtverwaltung. Die Pläne wurde Ende Mai im Stadtrat bereits ordentlich auseinander genommen. Die weitere Debatte wurde auf den 4. Juli vertagt. Dann kommt auch das Baureferat zu Wort, das neue Pläne fürs Tal in petto hat. Anschließend sollen alle Vorhaben öffentlich diskutiert werden. Vorgesehen sind bis dato mehr Platz für Fußgänger, eine neue Hauptroute für Radfahrer, weniger Standplätze für Taxler und wesentlich weniger Autoverkehr.

So weit, so unbefriedigend – zumindest für einige der Beteiligten. Richard Quaas wendet beispielsweise ein: »Der jetzt vorliegende Verwaltungsvorschlag ist mit seinen Vorschlägen realitätsfern und verspricht keine echte Lösung der Probleme«. Dass Radler etwa auf ihrem Weg von der Residenzstraße zum Viktualienmarkt über Hofgraben und Alfons-Goppel-Straße in die Sparkassenstraße gelenkt werden können, bezweifelt der Politiker. Die Disziplin der Pedalritter, so habe die Vergangenheit schon oft gezeigt, sei ohnehin fraglich. Zudem, so kritisiert Quaas, würden in der Sparkassenstraße dann noch eine Reihe von Abstellplätzen wegfallen. Würden, so wie es die Pläne vorsehen, die Behindertenparkplätze in der Schrammerstraße und der Taxiplatz in der Dienerstraße aufgelassen, dann sei das für viele Menschen ein Problem, »die Wege würden dann zu weit«.

Das treibt auch Elke Elzer um, die Behindertenbeauftragte des BA1. In einem Brandbrief an OB Christian Ude, die Stadtratsfraktionen und den Behindertenbeirat machte sie deutlich, dass man Gehbehinderte in Zukunft ausgrenzen würde, sollten die Pläne umgesetzt werden. Betroffene, die bisher die »gute Stube« mit dem Taxi anfahren würden, hätten dann keine reale Chance mehr, den Marienplatz in seiner Gesamtheit zu erleben. »Was hier gefordert wird, widerspricht eklatant den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Gleichstellungsparagrafen im Grundgesetz«, schreibt Elzer. Sollten Diener -und Schrammerstraße tatsächlich autofrei werden, geht es auch den Taxlern an den Kragen. Acht Standplätze vor Dallmayr und sechs vor dem Kaufhaus Beck würden dann wegfallen. Das wollen sich Münchens Taxler nicht bieten lassen, sie kündigten bereits Widerstand an – in den letzten Jahren fühlen sie sich ohnehin mehr und mehr verdrängt, etwa von den Rikschafahrern während der Wiesn-Zeit. CSU-Politiker Walter Zöller springt den Taxlern bei, ebenso den Behinderten. Es sei eine »Schnapsidee«, die Taxis vor dem Dallmayr zu verbannen, insbesondere Gehbehinderte seien auf diese Zufahrt zum Zentrum angewiesen.

Verbesserung vor allem für Fußgänger

Gewinner der neuen Lösung sind eindeutig die Fußgänger, ihr Bereich wird wesentlich vergrößert. Für Autofahrer heißt das: Parkplätze ade. So fallen in der Dienerstraße 15 Parkplätze weg, am Rindermarkt und im Tal zehn Parkplätze und in der Schrammerstraße sind es 19 an der Zahl. Für Anlieger soll es Sonderausweise geben. Keine Änderungen hingegen für die Rikschas, sie dürfen bleiben, da sie als Fahrräder gelten. Die Bushaltestellen bleiben auch, darauf besteht die Münchner Verkehrsgesellschaft. Sobald die Pläne den Stadtrat passiert haben, soll es eine einjährige Versuchsphase geben. »Man muss das einfach ausprobieren, dann werden wir schon sehen, was funktioniert und was nicht«, sagt Püschel. Weiter zusehen könne man ohnehin nicht, die »Infarktgefahr« am Marienplatz sei viel zu hoch. »Hier muss entschleunigt werden, und zwar dringend, damit sich die Menschen hier wieder gerne aufhalten wollen.« Momentan gehe man an dem ganzen Chaos möglichst schnell vorbei, und das sei nicht Sinn der Sache. Mehr Qualität im Innenstadtraum sei auch gewonnen, wenn, so fordert es der SPD-Politiker, die Umgestaltung des Tals in die derzeitigen Planungen miteinbezogen werde, beide Projekte gehörten zusammen. Das sieht auch Quaas so. »Der ganze Plan sollte auch mit den Planungen für das Tal und die weitere Altstadt enger abgestimmt werden, damit nicht neue Problempunkte entstehen«, mahnt er.

Im Untergrund ist das Chaos noch überschaubar. Ein aktueller Blick auf die Bauarbeiten am U-Bahnhof Marienplatz: Die Sanierung des Zugangs Kaufingerstraße ist inzwischen weitestgehend abgeschlossen, als nächstes soll laut Stadtwerke München (SWM) der Zugang Dienerstraße saniert werden. Er ist ab sofort bis voraussichtlich August gesperrt.

Die gesamten Sanierungsarbeiten sollen noch bis Ende 2014 andauern. Derzeit werden außerdem die undichten Deckenfugen des Bauwerks von der Oberfläche aus instandgesetzt. Zudem gibt es nagelneue Rolltreppen, die in diesen Tagen bis spätestens Anfang August installiert werden. Die Alten haben ausgedient, die neuen garantieren weniger Stromverbrauch und mehr Sicherheit: Störungen werden automatisch an die Leitstelle gemeldet. sy

Artikel vom 12.06.2012
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