Vaterstettener bringt Krankenwagen nach Guinea

Vaterstetten · Abenteuer Afrika

Glückliches Ende einer langen Reise: Isaac Boiro (4. v. li.) übergibt dem Präfekten von Koundara (3. v. li.) den Krankenwagen für die Klinik. 	Foto: Privat

Glückliches Ende einer langen Reise: Isaac Boiro (4. v. li.) übergibt dem Präfekten von Koundara (3. v. li.) den Krankenwagen für die Klinik. Foto: Privat

Vaterstetten · Jo Neunert regt sich nicht mehr auf, wenn die S-Bahn in Vaterstetten fünf Minuten Verspätung hat. Er hat in Afrika geholfen Taxis anzuschieben und zehn Tage auf ein Schiff gewartet.

Ein Schiff, das einen Mercedes-Benz 310 D-KA, Baujahr 1996, an Bord hatte – ein Krankenwagen, den der Vaterstettener Verein „Badiar Hilfe e.V.“ mithilfe von Spendengeldern gekauft hatte und der am 18. Dezember 2011 in Hamburg an Bord und am 2. Januar 2012 in Dakar von Bord gehen sollte. Bestimmt war er für das Krankenhaus in Koundara/Guinea. Die Klinik versorgt rund 100.000 Menschen in der Hauptstadt der Provinz Badiar in einem Umkreis von etwa 100 Kilometern. Das häufigste Transportmittel sind Moped-Taxis.

„Tatsächlich aber trat das Schiff drei Tage später seine Reise an und landete sieben Tage später. Die Gründe dafür haben wir nie herausgefunden“, erzählt Jo Neunert. Der Revisor des „Badiar Hilfe e.V.“ war zusammen mit dem Vereinsvorsitzenden Isaac Boiro und dem Mitglied Jakob Schneegans nach Dakar geflogen, von dort sollte es mit dem Krankenwagen über Land weitergehen. Das „Überführungsabenteuer“ und die ganze Geschichte davor hat Neunert in einer Präsentation zusammengefasst, die er kürzlich in Baldham zeigte – von dem Kauf des Fahrzeugs im Juli 2011 über den monatelangen Behördenkrieg um Überführungspapiere, Visa, Flugtickets und Zollbefreiung bis hin zur glücklichen Übergabe in Westafrika mit Empfangskomitee. „Das war am 15. Januar“, erinnert sich Neunert. „Die halbe Stadt schien da zu sein, natürlich auch der Bürgermeister, der ein Cousin von Isaac ist. Es wurden viele Reden gehalten, und wir durften von da an nicht mehr zu Fuß gehen, sondern nur noch im Taxi fahren, weil wir so wichtig waren“.

Am 14. Januar war die Gruppe morgens in Dakar gestartet. „Isaac hatte einen Fahrer organisiert, mit dem saß er stolz im Krankenwagen, mit Tatütata. Jakob, Isaacs Schwester und ich fuhren im Taxi hinterher“, so Neunert. 700 Kilometer durch die öde Wüste Senegals, mit einer Übernachtung in Tambacounda, der heißesten Stadt des Landes. Nachmittags zeigte das Thermometer 40 Grad Celsius. Erst auf den letzten 38 Kilometern bewegten sie sich auf guineischem Boden, der etwas hügeliger und abwechslungsreicher war.

Die Zeit jedoch, bis sie endlich in Dakar starten konnten, war lang. „Als wir am 3. Januar in Dakar landeten, war kein Schiff da. Wir haben dann erst einmal die Reederei gesucht, um nachzufragen, aber die waren umgezogen, kein Mensch wusste, wohin. Der Hafenmeister sagte uns, dass das Schiff vielleicht am 10. Januar kommen würde. Also warteten wir. Gingen auf den Markt, sahen uns die zwei einzigen Sehenswürdigkeiten an, gingen zum Friseur“, erzählt Neunert. Letzteres ein Abenteuer für sich. Am Abend des 9. Januar legte die „Grande Africa“ an.

Der Schiffsagent war mittlerweile gefunden, die Vaterstettener gingen zu ihm, um die Papiere abzuholen. „Es fehlen noch Unterschriften und die kriegen wir frühestens in einer Woche. In zwei Tagen ist ein großes, islamisches Fest, es ist keiner mehr da“, lautete die Antwort. Dank des Einsatzes des Schiffsagenten klappte es trotzdem früher.

Dann die nächste Hürde: „An der Grenze zur Präfektur Koundara wollte uns der örtliche Zollchef nicht weiterfahren lassen, weil der Transporter kein Nummernschild hatte“, so Neunert. Es folgten zähe Verhandlungen mit zwei Bürgermeistern. Junge afrikanische Männer, die Schneegans für die gute Sache gewinnen konnte, drohten, sich auf die Straße zu legen. Schließlich brachte der Präfekt der Zollbehörde, ein Schwager von Isaac Boiro, alles in Ordnung. Dass der Nachkomme eines afrikanischen Stammeshäuptlings eine weit gestreute Verwandtschaft hat, kam der Gruppe auch in anderen Situationen zugute. Nach den ganzen Verzögerungen blieben Neunert und Schneegans nur noch 24 Stunden am Zielort, bevor der Flieger in die Heimat abhob. Sie verteilten die Hilfsgüter, mit denen der Transporter bestückt war – Büromaterial, gebrauchte Rollstühle, Verbandsmaterial, gebrauchte Brillen – und erklärten dem Klinikpersonal, wie die Trage funktioniert. „Ich bin so glücklich, dass wir mit den Spenden der Vaterstettener Bürger meinem Heimatland dieses Geschenk machen können“, freute sich Boiro. Er blieb noch eine Woche länger, um seine zahlreiche Verwandtschaft zu besuchen.

Die Badiar-Hilfe hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Wunsch des Klinik-Personals zu erfüllen, zusammen mit vielen Unterstützern: Bis zur Überführung durfte der Krankenwagen im Reitsbergerhof stehen, die Hälfte der Transportkosten übernahm die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, viele Firmen stifteten Ersatzteile, Werkzeug, die Beschriftung und weitere Hilfsgüter. Jetzt schmiedet die Badiar-Hilfe schon wieder neue Pläne, wie den Menschen in einem der ärmsten Länder der Welt sinnvoll geholfen werden kann.

Wer sich für den Schwarzen Kontinent interessiert, hat am 5. Mai Gelegenheit, einen Teil davon kennenzulernen: Ab 10 Uhr findet in Maria Königin Baldham das jährliche Afrika-Fest statt.

Von Sybille Föll

Artikel vom 05.04.2012
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