Truderinger Demenz-Betreuungsgruppe hat noch Plätze frei

Trudering · Gegen das Vergessen

Sabine Königbauer und ihr Demenzhelfer-Team aktivieren Patienten in der Truderinger Betreuungsgruppe für Demenzkranke. Foto: Privat

Sabine Königbauer und ihr Demenzhelfer-Team aktivieren Patienten in der Truderinger Betreuungsgruppe für Demenzkranke. Foto: Privat

Trudering · Auf einen Schlag oder schleichend kann sich die Ehefrau, der Vater oder Opa verändern und Teile des Gedächtnisses verlieren. Demenz hat viele Ursachen und Krankheitsstufen, die Wahrscheinlichkeit zu erkranken steigt mit zunehmendem Alter stark an. Die Auswirkungen der Rückbildungen im Gehirn sind für Betroffene gravierend.

Um den Alltag zu meistern, brauchen die Erkrankten und ihre Familien professionelle Hilfe. Für Demenzkranke in Trudering gibt es jetzt freie Plätze in einer wöchentlichen Betreuungs- und Aktivierungsgruppe. »Zuzugeben, dass die eigene Mutter oder der Vater dement sind, ist für die meisten Kinder sehr schwer«, erklärt die Koordinatorin der Demenzhelfer des Familienzentrums Trudering, Sabine Königbauer. Sie leitet seit über einem Jahr den Demenzhelferkreis in Trudering und kennt die Nöte der Angehörigen: Wie kann das Zusammenleben weiter gelingen, wenn der Partner kein Gesprächspartner mehr ist, sondern in seiner eigenen Welt versinkt? Wie meistert man den Alltag, wenn die Mutter nicht mehr alleine bleiben kann, weil sie die Treppe hinunterstürzt oder das Haus in Pantoffeln verlässt? »Viele Angehörige schämen sich. Sie verdrängen das Thema Demenz, so lange es irgendwie geht, und lassen sich leider erst dann helfen, wenn sie selber schon fast am Ende ihrer Kräfte sind und ihnen die Situation über den Kopf wächst«, so Königbauer. Kein Wunder, denn obwohl es zahlreiche Medienberichte von prominenten Erkrankten, wie erst kürzlich dem Ex-Fußballprofi und langjährigem Schalke-Manager Rudi Assauer, gibt, spricht man umgangssprachlich von Altersschwachsinn. Dabei ist Demenz – die Krankheit des schwindenden Verstands – ein Abbau des Gehirns. Das kann einen gestörten Stoffwechsel, eine genetische Veranlagung, einen Schlaganfall oder oft unerklärliche Ursachen haben. Am Anfang stehen Probleme mit der Erinnerung und Schwierigkeiten, sich Neues zu merken. Der Unterschied zu normalen Vergesslichkeit ist fließend. Ein Hinweis kann sein, dass die Gedächtnislücken innerhalb von sechs Monaten deutlich zunehmen. Bei Demenzkranken sind Kurzzeitgedächtnis, Denkvermögen, Sprache, Motorik oder die gesamte Persönlichkeitsstruktur betroffen. Sie verlieren ihre erworbenen Denkfähigkeiten. In gewissem Umfang gibt es Behandlungsmöglichkeiten, die die Symptome, besonders anfangs, verzögern. Eine sehr häufige Demenz im Alter ist Alzheimer, an der neben Assauer auch die Ex-Premierministerin Margret Thatcher leiden; ebenso wie der bereits verstorbene Gunter Sachs. Man liest darüber, bemitleidet die Betroffenen und ihre Familien und hofft, dass man selber verschont bleibt. Aus Angst vor der Erkrankung des Gehirns flüchten viele in eine Vogel-Strauß-Haltung, die nicht weiter hilft. Denn mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit einer Demenz-Erkrankung. Während sie unter 60 Jahren kaum auftritt, wächst der Anteil bei den Älteren stetig laut Untersuchungen. In Deutschland sollen mindestens eine Million Patienten und jeder zweite über 90-Jährige betroffen sein. Erschreckend ist auch, dass es um die Betreuung schlecht bestellt ist. Zum Glück kümmern sich um circa 60 Prozent der Kranken Ehepartner oder Kinder. Für sie ist der Demenz-Fall in der Familie nicht nur eine organisatorische Herausforderung, sondern auch eine große psychische Belastung.

Damit Angehörige nicht ständig unter der Erkrankung ihrer Nächsten leiden, gibt es das Angebot des Familienzentrums Trudering. Ab April übernimmt der dahinter stehende gemeinnützige Verein Miteinander Trudering e.V. die Betreuungs- und Aktivierungsgruppe für Demenzkranke. Jeden Mittwoch in der Zeit von 13.30 bis 16.30 Uhr treffen sich die Patienten im Promenadentreff der Caritas, Ottilienstraße 28a. Die Räume sind ebenerdig und schwellenlos zu erreichen. Lilli Lorenz, eine erfahrene Krankenschwester der Gerontopsychiatrie mit Zusatzzertifikat für die Betreuung Demenzkranker, leitet die Nachmittage. Es gibt eine Café- und Kuchentafel, Gespräche, Vorlesen, Ballspielen, Gedächtnisübungen, gemeinsames Spazierengehen und Musizieren. »Vor allem Singen ist ein Schüssel zu den verdunkelten Gedächtnissen der Kranken«, so Königbauer, die die Gruppe organisiert. »Je nach Erkrankungsphase und Zustand der Patienten können wir derzeit drei bis fünf neue Plätze anbieten. Ziel ist es, eine Gruppe aufzubauen, an der die Patienten regelmäßig teilnehmen und sich kennen lernen.« Für Demenzkranke sind Regelmäßigkeiten und so viel Selbständigkeit wie irgend möglich wichtig. In einem gewissen Umfang können sie mit den anderen Patienten bekannt werden und Vertrauen aufbauen. Es geht also nicht darum, die Patienten nur abzuliefern, sondern vor allem sie zu fördern und ihnen schöne Stunden in der Gemeinschaft zu geben. Der Betreuungsschlüssel während der Gruppennachmittage ist 1 zu 1. Jedem Kranken steht ein Demenzhelfer aus dem mobilen Team von Sabine Königbauer zur Seite. Die Kosten pro Nachmittag betragen wöchentlich 20 Euro, der Aufwand ist über die Pflegekassen abrechenbar. Für Demenzkranke können die Angehörigen unabhängig von der Pflegestufe einen erhöhten Betreuungsbedarf geltend machen, der ähnlich wie die Pflegestufen durch den medizinischen Dienst ermittelt wird. Allerdings genügt im Falle einer Demenzerkrankung ein Kurzgutachten.

Was erwartet Demenzkranke im Promenadentreff

Wer Interesse an der Betreuungs- und Aktivierungsgruppe hat, muss den Demenzkranken zum Promenadentreff bringen, es gibt keinen Fahrdienst. Zuerst darf man kostenlos eine Schnupperstunde besuchen. Die Angehörigen bleiben anfangs bei den Nachmittagen so lange mit dabei, wie sie möchten und wie es für den jeweiligen Patienten am besten ist. Nach einer kürzeren Eingewöhnungsphase können die Patienten und ihre Betreuer die Nachmittage ohne Angehörige genießen, damit diese Zeit für sich finden. »Die Mittwochsgruppe ist als Einstieg in unser Hilfsangebot für Demenzkranke gedacht«, erklärt Sabine Königbauer. »Diese Aktivierungsgruppe mit gemeinsamen Übungen und Spielen tut den Erkrankten sehr gut, solange es körperlich und geistig noch möglich ist. Darüber hinaus bieten wir Einzelbetreuung an.« Von Fall zu Fall kann der Besuch der Gruppe auch parallel zur individuellen Betreuung durch die Demenzhelfer des Familienzentrums stattfinden. Dabei besuchen zertifizierte Helfer die Patienten meist einmal wöchentlich für rund drei Stunden zu Hause. »Wir können den Patienten und ihren Angehörigen helfen, indem wir sie bei der Betreuung professionell unterstützen und zwar zum Wohl von Demenzkranken und Pflegenden«, sagt Königbauer. »Es ist gut, wenn Betroffene möglichst frühzeitig zu uns kommen und sich nicht schämen.« Wer Bedarf hat und sich informieren möchte, kann Sabine Königbauer jeden Dienstag und Mittwoch zwischen 9 bis 12 Uhr unter Tel. 4 30 36 96 erreichen.

Artikel vom 21.03.2012
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