Wende bis 2030: Erste Klimaschutzkonferenz in Ebersberg

Ebersberg · Ohne Hürde im Kopf

Bei der ersten Ebersberger Klimaschutzkonferenz wurden unter anderem Kurznachrichten zum Thema »Erneuerbare Energien aus Biomasse« verlesen. 	Foto: sf

Bei der ersten Ebersberger Klimaschutzkonferenz wurden unter anderem Kurznachrichten zum Thema »Erneuerbare Energien aus Biomasse« verlesen. Foto: sf

Ebersberg · Bei der ersten Klimaschutzkonferenz in Ebersberg am vergangenen Samstag ist reichlich Platz für Visionen gewesen: Man schreibt das Jahr 2031.

Der ehemalige Architekt, Peter Voith, der seinerzeit das Wohngebiet »Doktorbankl« entworfen hat, ist in die Fußstapfen seines Großvaters Otto Meyer getreten und Bürgermeister von Ebersberg. In einer Pressekonferenz zieht er Bilanz über die vergangenen 20 Jahre Klimaschutzpolitik in der Gemeinde, über den beschwerlichen Weg zur Energiewende 2030: »Es war gut, dass wir damals die Jugend angesprochen haben und in die Vereine gegangen sind, kurz: das Thema breit gestreut haben.

Es war aber auch eine hohe Disziplin in Planung und Umsetzung erforderlich.« Dass die meisten Gebäude nun aus Holz bestehen, sei dem Umstand zu verdanken, dass man die Staatliche Forstverwaltung ins Boot geholt und private Waldgrundstücksbesitzer in Genossenschaften vereinigt hat. Dem Bau der zahlreichen Solarfelder in der Gemeinde habe zunächst Platzmangel im Weg gestanden. »Aber mit der Lösung, die Solarzellen entlang der S-Bahn-Trasse sowie im Laufinger Moos als Schallschutzmaßnahme zu installieren, sind wir nun sehr zufrieden.« Und die beiden Windräder im Ebersberger Forst seien inzwischen auch von allen Bürgern akzeptiert. Nur Visionen? Die Ergebnisse ihrer jeweiligen Arbeitsgruppen, die die Teilnehmer der Klimaschutzkonferenz präsentierten, sind ihrer Meinung nach »weitgehend zu realisieren«, so der abschließende Tenor der Fachleute und Bürger, die dazu eingeladen worden waren. Sechs Stunden lang diskutierten sie über Siedlungsentwicklung und Bauleitplanung, eigene Liegenschaften und Energiesparen im Bestand, regenerative und erneuerbare Energien, Energieeinsparung bei Unternehmen sowie Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Ideen waren beeindruckend: In jedem neuen Wohngebiet wird per se ein Radwegenetz gebaut, 2030 fahren in der Stadt Ebersberg nur noch Elektroautos, der LKW-Verkehr schaltet seine Hybrid-Motoren an der Stadtgrenze um auf Elektroantrieb. Durch den Einsatz von LED-Konzepten und anderen Energiesparmaßnahmen konnten Firmen die Hälfte ihres Strombedarfs einsparen. Die Finanzwelt hat umgedacht und finanziert dies. Alle Stellplätze in den Gewerbegebieten sind mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet und das Neubaugebiet »Doktorbankl« besteht komplett aus Passivhäusern. Alle organischen Abfälle in der Gemeinde werden in der Biogasanlage verwertet, bei der alle ehemaligen Gegner nun Hauptanteilseigner sind. Jeder Bürger achtet auf seine CO2-Bilanz, indem er weniger Fleisch isst und mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fährt. Auf Facebook wird jeder angeschwärzt, der am »Veggie-Tag« eine Wurstsemmel isst.

Ulrich Krapf malte sein persönliches Horrorszenario und ließ so die Traumblasen wieder platzen: Große Pleite nach der Wirtschaftskrise 2014, in Ebersberg stehen lauter Bauruinen. Oder: Alle Bürger haben in ihren Kellern eigene Mini-Kraftwerke, mit denen sie sich selbst versorgen, aber nach fünf Jahren fliegen in Russland die Gasfelder in die Luft, die Gasversorgung in Ebersberg kommt zum Erliegen. Oder: Ebersberg ist durch sein Nahwärmenetz gut versorgt, dann kommt eine neue EU-Verordnung, dass diese Netze nicht durch Renaturierungsgebiete verlaufen dürfen und Ebersberg muss das Netz abschalten, weil ein Teil durch den Stadtpark geht. Zurück in der Realität gibt es tatsächlich viele Hürden zu überwinden wie technologische Voraussetzungen, behördliche Verordnungen, Widerstand der Bürger.

»Größte Hürde sitzt im Kopf«

»Die größte Hürde sitzt aber im Kopf«, betonte Peter Voith. »Vielen Menschen fällt es schwer, 20 Jahre voraus zu denken, aber man muss nur kreativ sein und seine eigenen Barrieren im Kopf überwinden, dann können wir unser Ziel erreichen.« Moderiert und geleitet wurde die Klimaschutzkonferenz von KlimaKom eG in Zusammenarbeit mit der Green City Energy GmbH. Für sie hatte sich die Stadtverwaltung nach einer Ausschreibung 2010 entschieden. Nach dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates 2009, die Energiewende 2030 anzugehen, hat sich 2010 ein Arbeitskreis aus Vertretern des Stadtrates, der Stadtverwaltung und der Agenda 21 gegründet. »Wir haben zwar bezüglich Klimaschutz schon viel gemacht, aber nur punktuell und ohne Konzept«, erzählt Bürgermeister Walter Brilmayer. Deswegen habe man sich entschlossen, externe Berater hinzuzuziehen, zumal die Kosten – in diesem Fall 64.000 Euro ­– vom Bund zu 65 Prozent übernommen werden. Die Ergebnisse der ersten Klimaschutzkonferenz werden nun von KlimaKom dokumentiert, in einer zweiten Konferenz am 24. März sollen die Visionen und Ideen konkretisiert und umsetzbare Maßnahmen für den Weg zur Energiewende 2030 erarbeitet werden. Bis Juni muss laut Brilmayer alles fertig sein zur Vorlage für einen Stadtratsbeschluss.

Der Motor für Veränderung

Willi Steinke von KlimaKom warnte jedoch, dass es nicht darum gehe, möglichst schnell mit der energetischen Sanierung zu beginnen. Wichtiger seien Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit. »Sie sind der Motor für Veränderungen.« Nur wenn alle Bürger mitmachen und auch die Jugend mit einbezogen wird, könne man die Energiewende erreichen. Sybille Föll

Artikel vom 31.01.2012
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